KI-Lösungen in der Baubranche nutzen

"Künstliche Intelligenz als Chance begreifen"

Immer häufiger ist die Rede vom Nutzen Künstlicher Intelligenz (KI) – auch innerhalb der Baubranche. Einigen ist dieses Milieu allerdings noch etwas fremd, manche blicken gar skeptisch auf Systeme wie Open AI und ChatGPT. Dass das nicht so sein muss und in welchen Bereichen KI-Lösungen einen echten Mehrwert bieten können – darüber sprachen Dr. Patrick Christ, Co-Founder von Crafthunt, und ABZ-Redakteurin Julia Bremer.
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Dr. Patrick Christ (Co-Founder von Crafthunt) möchte dem Fachkräftemangel innerhalb der Branche mithilfe von digitalen Möglichkeiten und KI ein Ende setzen. Foto: Crafthunt

ABZ: Dr. Christ, Ihr Start-up-know-how bringen Sie seit Ihrer Gründung von Capmo nun seit einiger Zeit auch bei Crafthunt ein. Crafthunt nutzt auch ChatGPT und Open AI, beziehungsweise Künstliche Intelligenz (KI). Was hat es damit genau auf sich?

Dr. Christ: Bei ChatGPT handelt es sich um eine neue Klasse von Algorithmen, den sogenannten Large Language Models LLM, die jetzt seit vier bis fünf Monaten sehr populär sind – und jetzt 'die komplette Welt auf den Kopf gestellt haben'. Den Forschungsbereich KI gibt es zwar schon seit 40, 50 Jahren aber in den vergangenen zehn Jahren ist sehr viel passiert. Ich habe meine Doktorarbeit im Bereich KI zwischen 2014 und 2017 geschrieben. Bereits in dieser Zeit gab es einen großen neuen Innovationsschub – damals allerdings im Bereich Bildverarbeitung. Zu der Zeit ist diese neue Algorithmen-Klasse (Convolutional Neural Networks) auf den Markt gekommen, die alles, was bis dato da war, komplett überholt hat. Diese KI-Systeme haben es geschafft, menschliche Intelligenz in sehr vielen Aufgaben und Bereichen zu schlagen. In der KI-Forschung testet man die Algorithmen in standardisierten Tests und Aufgaben. Für diese Tests kennt man auch die Resultate, die Menschen beziehungsweise Experten für den Aufgabenbereich erreichen können.

ABZ: Können Sie dafür Beispiele nennen?

Dr. Christ: Ein Beispiel aus meiner Forschungszeit kommt aus der Medizin. Dabei ging es darum, dass Algorithmen 'damals' Tumore und Krebs besser erkennen konnten als ein Radiologe oder als ein Hautarzt – wenn es beispielsweise um Hautkrebs geht. Zu der Zeit kann ich mich auch noch gut an einen Vortrag von einem der besten KI-Forscher, Jürgen Schmidhuber, erinnern. Er hat einen Algorithmus (LSTM) für das Thema Spracherkennung entwickelt, der heute auf jedem Handy läuft. Jedenfalls sagte Schmidhuber schon damals, dass wir in einer sehr spannenden Zeit leben, weil wir – so seine Worte – in den nächsten fünf bis zehn Jahren – und mit dieser Prognose hatte er recht, wie wir jetzt merken – sehen werden, dass KI Aufgaben, die der Mensch bislang noch macht, viel besser lösen kann. Nun ist das so passiert – nicht nur im Bereich Bilderkennung, wie in der Medizin – sondern mithilfe von ChatGPT auch im Segment Wissensverarbeitung und Sprache. Natürlich gibt's in jedem Bereich Experten, die noch besser sind als eine KI, aber in der Gesamtheit ist Künstliche Intelligenz in der Lage, Aufgaben und Probleme zu lösen, ohne explizit für diese spezifische Aufgabe trainiert worden zu sein.

ABZ: Ruft so etwas nicht auch Skeptiker auf den Plan, die das Thema KI als unsicheres, zweischneidiges Schwert bezeichnen?

Dr. Christ: Das kommt schon vor. Dennoch bin ich der Meinung, dass man den positiven Nutzen einer KI nicht unterschätzen sollte. In Bezug auf die Baubranche ist es ja beispielsweise das Ziel, neue Technologien clever zu nutzen, um gegenwärtige und auch mögliche zukünftige Probleme anzugehen beziehungsweise ihnen entgegenzuwirken.

ABZ: Ein Stichwort, das mir dazu in den Sinn kommt, ist der Bereich Fachkräftemangel beziehungsweise Fachkräftesicherung. Wie sehen Sie das?

Dr. Christ: Definitiv ist KI ein Werkzeug, mit dem man sich um den vorherrschenden Fachkräftemangel kümmern kann.

ABZ: Wie geht das dann vonstatten?

Dr. Christ: Nun ja, KI kann gewisse Aufgaben für den Menschen übernehmen. Für das Unternehmen Crafthunt nutzen wir Künstliche Intelligenz zum Beispiel für die Übersetzung von Sprache und Text. Unser Ziel ist es, den Arbeitsmarkt – insbesondere zwischen deutschen Firmen und ausländischen Arbeitnehmern – transparenter zu machen. Da hilft es enorm, die Kommunikation zwischen deutschen Unternehmen und einem ausländischen Bewerber live und in Echtzeit zu übersetzen und so die Sprachbarriere zu reduzieren. Alle Beteiligten fühlen sich dann wohler, da es eben keine Schwierigkeiten oder holprigen Übersetzungsfehler gibt. Dafür kommt bei Crafthunt die KI ins Spiel.

ABZ: Das heißt – für Laien gesprochen – die KI, die Sie verwenden, arbeitet logischerweise nicht so, wie die Anfänge holpriger Online-Übersetzer?

Dr. Christ: Absolut richtig. In dieser Hinsicht hat die Künstliche Intelligenz in der Tat einen Quantensprung gemacht. Das liegt vor allem daran, dass das System den Kontext erkennt, in dem die Konversation abläuft. In unserem Fall geht es nun um die Baubranche und sehr technische Sprache, es geht um Fachbegriffe. Ein Beispiel, das mir dazu im Kopf geblieben ist: Es ging bei einem Gespräch um die Rolle des Kalkulators. Normale Übersetzer machen daraus den Taschenrechner. Natürlich geht es hierbei nicht um den Taschenrechner, sondern eben um den Kalkulator – und die KI stellt diesen Zusammenhang her und vermeidet 'klassische Fehlübersetzungen'. Das ist nur ein kleines Beispiel, das zeigt, wo KI und ChatGPT helfen können.

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Digitale Systeme können bei der täglichen Arbeit eine große Bereicherung sein – das zählt auch für Künstliche Intelligenz. Foto: Crafthunt

ABZ: Abgesehen von Übersetzungen – In welchen Bereichen kann KI innerhalb der Baubranche noch eine Hilfe darstellen?

Dr. Christ: Bei Crafthunt kann ChatGPT beispielsweise dabei unterstützen, Bewerberprofil, Lebensläufe und geeignete Stellenausschreibungen zusammenzubringen, da die KI schon 'abschätzt', wo es eventuell passende Schnittmengen geben kann. Wir arbeiten gerade an einer speziellen ChatGPT-Version, die wir BauGPT nennen. Wir trainieren diese KI bei Crafthunt mit Baunormen, Verordnungen und Gesetzen im deutschen Baurecht.

ABZ: Bitte erläutern Sie das etwas genauer.

Dr. Christ: Grundsätzlich ist es ja so, dass die Algorithmen, die hinter einer KI stecken, frei zugänglich sind. Demnach kann man auch 'sein eigenes Modell trainieren' – und das machen wir gerade mit BauGPT. Ziel ist es, eine Version zu trainieren, die ein kluges Werkzeug für Bauleiter werden kann – so wie eben schon erklärt – geht es dabei vor allem erst einmal um Unterstützung im Bereich der Normen und Bauordnungen. So können Bauleiter BauGPT nutzen, um schnell zu erfahren, welche Kostengruppen es in einer bestimmten DIN gibt. Dazu müssen sie lediglich die Frage eintippen und das System liefert die Antwort. Sind weitere Informationen nötig, kann erneut eine detaillierte Frage gestellt werden, auf die es dann eine Antwort gibt. So kann KI als kluges Werkzeug einen hohen Mehrwert liefern, um der Person lästige Arbeit zu ersparen. Das manuelle Nachschlagen in der VOB fällt dann zum Beispiel einfach weg, weil die KI die Antwort innerhalb weniger Sekunden liefert. Denkt man das ganze ein Stück weiter, ist es nicht nur eine Arbeitserleichterung. Nein, die Person oder das Team kann sich dann anderen Aufgaben widmen und so wiederum kann man dann auch dem Fachkräftemangel ein Schnippchen schlagen. Berufe werden ja nicht vollständig ersetzt, nur die Aufgabenbereiche für Personen werden sich ändern.

ABZ: Wenn KI und ChatGPT schon jetzt so gut arbeiten – Wo gibt es denn dann aus Ihrer Sicht noch Verbesserungsbedarf?

Dr. Christ: Dazu muss ich erst einmal vorausschicken, dass eine KI bislang als 'trainiert' gilt, wenn sie auf einen etwa ein Jahr alten Datensatz – also 'Wissen' – zugreifen kann. Derzeit wird meines Wissens auch daran gearbeitet, dass die KI auch in Echtzeit mit Daten aus dem Internet arbeiten kann.

ABZ: Wo kommen denn KI und ChatGPT an ihre Grenzen? Was können Sie nicht leisten?

Dr. Christ: Menschlicher Austausch und fachliche Expertise sind etwas, das ChatGPT natürlich nicht kann. Das System muss mit Informationen 'gefüttert' werden – aber wie gesagt, wenn das passiert ist, kann es eine tolle Hilfe für die alltägliche Arbeit sein.

ABZ: Wie begegnen Sie Skeptikern, die von alledem nichts halten?

Dr. Christ: Das Wichtigste ist, dass Softwarelösungen, und dementsprechend auch KI-Systeme, einfach und intuitiv zu bedienen und zu verstehen sind. Zeigt man Zweiflern, wie einfach und zeitsparend die Arbeit mit ChatGPT abläuft, kann man oft schon eine Menge Hemmnisse abbauen. Es hilft, Neuem gegenüber offen zu sein. Wer sich neuen Technologien – die sich definitiv etablieren werden – auf lange Sicht verschließt, wird es zukünftig schwer haben und im Zweifel auf der Strecke bleiben. Diese Entwicklung wird schnell vorangehen. Diejenigen, die nicht mit der Zeit gehen, wird es überrollen.

ABZ: Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für die Arbeit mit KI in der Zukunft?

Dr. Christ: Ich wünsche mir, dass die Baubranche diese Systeme und neuen Technologien als Möglichkeit begreift. Eben dafür, die eigene Arbeit zu unterstützen und zu verbessern – und dass es nicht darum geht, Menschen 'grundsätzlich zu ersetzen'. Deutschland gilt im Segment Algorithmen und KI als Vorreiter. Es gibt viele schlaue Köpfe, die wirklich etwas bewegen können und wollen – nur die Politik darf das jetzt nicht verschlafen oder verbieten. Schön wäre es, das Ganze als die tolle Chance zu sehen, die es ist.

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