Liesegang-Geschäftsführer Marcel Schröder

Sprengen bietet Vielzahl von unschlagbaren Vorteilen

Längst sind die Zeiten vorbei, als Abbruch noch etwas für Grobmotoriker war, die mit der Abrissbirne dem Gebäude zu Leibe rückten. Heute sind Spezialisten gefragt, um ein Bauwerk fachgeregt zu zerlegen oder durch die gezielte Anbringung von Sprengladungen punktgenau zu Fall zu bringen. Ein solches Unternehmen, was Sprengungen aus dem Effeff beherrscht, ist die Richard Liesegang GmbH & Co. KG, Hürth. Die ABZ sprach mit Geschäftsführer Marcel Schröder über die Abbruchsprengung heute und die Entwicklung dieser speziellen Branche.

ABZ: Drei Monate nach der Sprengung des 116 m hohen AfE-Hochhauses in Frankfurt, dem in Europa bislang höchsten gesprengten Gebäude, hat das Thema des innerstädtischen Sprengabbruchs von Gebäuden sicher an Aktualität zugenommen, oder?

Schröder: Natürlich. Immer, wenn positive Beispiele auch vor der Haustür passieren und nicht nur komplizierte Bauwerkssprengungen in den Staaten auf Youtube oder im Fernsehen zu sehen sind, ziehen Auftraggeber das Verfahren des sprengtechnischen Abbruchs eines Bauwerkes sicher eher in Betracht. Und dabei ist Sprengen sicher, vorausgesetzt, man weiß was man tut und es wird sorgfältig gearbeitet.

ABZ: Sie sind neben Ihrer Tätigkeit in Ihrem Abbruch- und Sprengunternehmen ebenso im Vorstand des Deutschen Abbruchverbands und sogar auch des Europäischen Abbruchverbands aktiv. Wie groß ist der Anteil der Sprengtechnik bei Abbruchprojekten?

Schröder: Das ist schwierig zu sagen, da es keine verlässlichen Statistiken gibt und es auch entscheidend ist, was man als Abbruchprojekt definiert. Gefühlt würde ich sagen, dass das Sprengen etwa zu 2 bis 3 % als Abbruchverfahren Anwendung findet. Jedoch ist dieses nicht immer das Niederlegen von Bauwerken, sondern kann auch als Lockerungssprengung von Stahlbeton oder als Reinigungssprengung z. B. in Müllverbrennungsanlagen oder vor allem im Bereich Natursteingewinnung seine Anwendung haben.

Das Bauwerkssprengen ist in Europa – speziell in Deutschland – sicher von kleinerer Bedeutung, da Verantwortliche meistens ein potentielles Risiko und den vorlaufenden Aufwand mit Behörden- und Anwohnerabstimmung scheuen. Die Sensibilität der Menschen gerät bei dem Wort Sprengen in Aufruhr! Dabei bietet gerade das Sprengen eine Vielzahl von unschlagbaren Vorteilen: verkürzte Bauzeit mit Lärm, Staub und sonstigen Beeinträchtigungen, geringeres Gefährdungspotential aus Arbeitsschutzsicht, größere Kontrollmöglichkeiten der Behörden, etc.

ABZ: Für welche Bauwerke ist denn heute die Sprengtechnik als Abbruchverfahren besonders wirtschaftlich?

Schröder: In erster Linie natürlich bei allen hohen, schlanken Gebäuden, Türmen, Schornsteinen, Masten, Windrädern, etc., aber auch bei kompakten und sehr stark armierten Stahlbetonkonstruktionen ist das Sprengen äußerst leistungsfähig und effizient. Häufig ist auch ein schonendes Sprengen als Lockerungssprengung von Stahlbetonbauteilen oder -massen sehr sinnvoll, um den nachlaufenden Geräteabbruch zu vereinfachen und zu optimieren.

ABZ: Wie sind heute denn Sprengunternehmen strukturiert und gibt es Qualitätssiegel für diese Spezialunternehmen?

Schröder: Die Sprengbranche hat sich in den vergangenen 15 Jahren stark verändert. Noch vor 25 Jahren war die Sprengtechnik ein häufig angewendetes Verfahren, da die Maschinentechnik im Abbruchgewerbe noch nicht so hochtechnisiert war wie heute. Der Abbruch ist heute, vielleicht gemeinsam mit dem Spezialtiefbau der investitionsintensivste Zweig im Baugewerbe.

Die Größe der Sprengunternehmen heute hat sich deutlich verkleinert. Die meisten, reinen Sprengunternehmen haben heute 1 bis 5 Mitarbeiter, bis auf wenige Ausnahmen. Hatten früher die größeren Abbruchunternehmer ebenfalls Sprengberechtigte in ihren Reihen, ist dieses heute eine absolute Ausnahme.

ABZ: Ihr Unternehmen ist eine solche Ausnahme?

Schröder: Ja, wir bei Liesegang sind innerhalb der Abbruchbranche wahrscheinlich ein Exot und ein sehr spezialisiertes Unternehmen. Wir decken nicht nur die Bereiche Abbruch und Industriedemontage sowie die Schadstoffsanierung ab, sondern sind ebenso spezialisiert in den Bereichen Sprengtechnik, Bohr- und Sägetechnik sowie Kleingeräteabbruch z. B. mit ferngesteuerten Abbruchmaschinen, ugs. Abbruchroboter.

Noch zum zweiten Teil Ihrer vorherigen Frage zum Qualitätssiegel: Ja, in der Abbruchbranche gibt es das RAL-Gütezeichen "Abbrucharbeiten", ein gewerkspezifisches Qualitätssiegel mit großem Einfluss der Arbeitssicherheit, welches eine wirksame Möglichkeit für Auftraggeber und Ausschreiber darstellt, Unternehmen mit einer qualitativ hohen Leistungserbringung zu finden.

Speziell für Sprengunternehmen gibt es das Gütezeichen HA3*Abbruchsprengen. Aus meiner Sicht ist die Anforderungsliste, passend zu diesem sensiblen Geschäftsfeld, auch deutlich schärfer als bei der normalen Hochbauabbruch-Güteklasse HA3. Wichtiger Eckpunkt hierbei ist die Notwendigkeit von ausreichendem Personal, von eigenem Equipment, entsprechenden Referenzen und vor allem ein eindeutiger Versicherungsschutz mit einer 0-m-Radiusklausel. In Deutschland haben z. Zt. vier Unternehmen das RAL-Gütezeichen Abbruchsprengen, eines davon ist Liesegang!

ABZ: Die Sprengung des AfE-Hochhauses in Frankfurt hat sicher über die Grenzen hinaus für Aufsehen gesorgt?

Schröder: Ja, auf jeden Fall. Das Projekt hat gezeigt, dass wir in Deutschland ein sehr hohes Niveau in der Sprengtechnik haben, sicherlich zwar nur auf wenige Unternehmen beschränkt. Die Umsetzung eines so komplexen und anspruchsvollen Sprengobjekts sollte nur von Unternehmen mit entsprechender Leistungsfähigkeit und vor allem Erfahrungsschatz ausgeführt werden.

In unserem Unternehmen verfügen wir über neun, demnächst zehn Sprengberechtigte und etwa 15 Sprenghelfer mit entsprechender Erfahrung von gesamt 65 Mitarbeitern. Unser Abteilungsleiter Sprengtechnik, Herr Michael Schneider, ist verantwortlicher Sprengberechtigter von fast allen großen Sprengobjekten in Deutschland gewesen, wie die Sprengung der Sinntalbrücke 2013, die Teilsprengung des Aalhofbunkers in Lübeck 2010 – 2011, dem 300 m Schornstein im Kraftwerk Westerholt 2006, des Wohnblocks "Goliath" in Marl 2006 und dem Langen Oskar in Hagen 2004 (als Stellvertreter). Ich selber war verantwortlich bei allen Sprengungen von Tagebaugroßgeräten bei der RWE Power im Westen der Republik.

ABZ: Nun haben Sie erwähnt, dass sie mit Ihrem Unternehmen nicht nur in der Sprengtechnik, sondern auch im Abbruch und Rückbau aktiv sind. Sie erwähnten, dass Ihr Unternehmen ein Exot der Branche ist. Woher kommt das?

Schröder: Liesegang ist schon immer ein Spezialist innerhalb der Branche gewesen. Wir sind seit nunmehr 76 Jahren aktiv in der Großindustrie, vor allem aber der chemischen und petrochemischen Industrie und dem Bergbau. Sie können sich sicher vorstellen, dass dort andere Anforderungen an ein Abbruchunternehmen bestehen, als auf der grünen Wiese oder im normalen Baugewerbe.

Die Vielfältigkeit unseres Unternehmens und der große Erfahrungsschatz unserer Mitarbeiter gibt uns die Möglichkeit, mit verschiedenen Brillen auf Problemstellungen zu schauen.

ABZ: Wie sieht es mit dem Nachwuchs, also der Ausbildung in Ihrer Branche, aus?

Schröder: Wie in jeder Branche fehlt es auch in der Abbruchbranche an qualifiziertem Personal und Nachwuchs. So hat der Deutsche Abbruchverband schon 2003 den "Bauwerksmechaniker für Abbruch und Betontrenntechnik" als gewerkspezifischen Ausbildungsberuf ins Leben rufen können, einer der wahrscheinlich abwechslungsreichsten und interessantesten Berufsbilder.

Aber auch die Weiterbildung ist in unserem Verband ein Kernziel. Bspw. haben wir gemeinsam mit der BG Bau, der ZUM-Bau und der Bayrischen Bauakademie den Führerschein zum Abbruchbaggerfahrer und zum Longfront-Baggerfahrer entwickelt – ein wichtiger Schritt auf Grund der hochtechnischen Geräteentwicklung in unserem Metier.

Die Sprengtechnik in Deutschland ist, was die Ausbildung betrifft, aus meiner Sicht weltweit führend. So ist es nicht verwunderlich, dass deutsche Lizenzen (teilw. nach formaler zusätzlicher Wissenskontrolle in dem jeweiligen Land) in den meisten europäischen Ländern akzeptiert werden. Der europäische Sprengverband ist derzeit in der Harmonisierung der Gesetzesgrundlagen aktiv, so dass es künftig noch einfacher sein dürfte, als deutscher Berechtigungsinhaber in Europa aktiv zu werden.

ABZ: Sie erwähnten schon, dass Sie neben Ihrer Geschäftsführertätigkeit ebenso in zwei Verbänden aktiv sind, was sicherlich ein Ehrenamt ist. Bleibt für sowas Zeit?

Schröder: Mhm ... Zeit hat man eh nie! Spaß bei Seite, die Verbandsarbeit liegt mir sehr am Herzen. Die Themen wie Aus- und Weiterbildung, das Mitwirken an branchenrelevanten Standards oder dem Branchen-Fachbuch sowie die Imageverbesserung unserer Branche sind nur auf Vorstandsebene zu bewältigen.

In den meisten Köpfen von Laien bedeutet Abbruch entweder Sprengen oder Abrissbirne! Diese Einschätzung ist heute gleich zu setzen, als würde man sagen: Zum Telefonieren musst Du in die Telefonzelle mit Telefon mit Wählscheibe gehen! Die Abbruchbranche ist heute sehr anspruchsvoll und alles andere als ein einfaches Gewerk.

Speziell die Sprengbranche entwickelt sich immer mehr zu einer absoluten Spezialistenbranche, also genau das, was unser Unternehmen seit Jahrzehnten ausmacht.

Sprengarbeiten

Sprengung eines 4000-t-Braunkohlebaggers.
Sprengung AfE-Hochhaus in Frankfurt/Main im Februar dieses Jahres.
Sprengung eines Kraftwerk-Kesselhauses. Fotos: Liesegang, Hürth
Marcel Schröder: \"Der Abbruch ist heute, vielleicht gemeinsam mit dem Spezialtiefbau der investitionsintensivste Zweig im Baugewerbe.\"

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Geschäftsführer, Bauleiter, Sprengberechtigte,..., Peißenberg  ansehen
Servicetechniker m/w/d im bundesweiten Außendienst..., Weißenfells  ansehen
Service-Techniker / Mechatroniker (m/w/d) für..., Düsseldorf, Herne,...  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen