Neubauten entstehen über Schienengüterverkehr

Außergewöhnliches Bauprojekt in NRW schafft Wohnraum durch Nachverdichtung

Blick auf die Baustelle am Clarenbachplatz. Foto: Bruno

Köln (ABZ). – In Köln entsteht derzeit eines der außergewöhnlichsten Wohnungsbauprojekte in Deutschland: Über eine Länge von 160 m überbauen die Projektentwickler Friedrich Wassermann und WvM Immobilien erstmals einen Schienenweg. Basierend auf dem Entwurf des Kölner Architekten Matthias Dittmann entstehen so knapp 70 Wohnungen, rund 600 m² Gewerbefläche und etwa 100 Tiefgaragenstellplätze. Angesichts der immer knapper werdenden Flächen in den wachsenden deutschen Großstädten, zeigt das städtebauliche Pionierprojekt sinnvolle Perspektiven auf. Ungenutzte Verkehrsflächen entwickeln sich zu Chancen, die Wohnungsknappheit zu bekämpfen. Das Gesamtpotenzial durch Nachverdichtung beziffert eine im Februar 2019 veröffentlichte Studie der TU Darmstadt und des Pestel Instituts auf bis zu2,7 Millionen Wohnungen bundesweit. Der Clarenbachplatz im Kölner Stadtteil Braunsfeld, auf dem die Neubauten gerade gebaut werden, galt bislang ungeeignet als Baugrund. Denn eine eingleisige, vom Güterverkehr befahrene Gleisstrecke, teilt die Fläche. Auf der Brachfläche parkten überwiegend Autos. Ab 2020 soll die Bahnstrecke durch eine Art Tunnel unter den drei Häusern hindurch laufen.

Damit Anwohner und die neuen Bewohner den Bahnverkehr kaum spüren, werden die Wand- und Deckenflächen im überbauten Gleisbereich mit Dämmstoffen belegt. Eine schallabsorbierende,1,2 m hohe Lärmschutzwand, die parallel zum teilüberbauten Gleis verläuft, sorgt Experten zufolge zusätzlich für eine geringe Lärmbeeinträchtigung. Um die Erschütterungen des Güterzuges vom Boden und dem Gebäudetrakt bestmöglich zu reduzieren, wurden die Gleise vor Baustart mit einer 50 cm dicken Betonschicht und mit Gummipolstern unterfüttert. "Gemäß einer Lärmpegeluntersuchung reduziert sich dank der Teil-Überbauung der Bahntrasse sowohl die Lärmbelastung durch die Bahnfahrten als auch durch die angrenzende sechsspurige Aachener Straße für die Anwohner deutlich", erläutert Anton Bausinger, Geschäftsführer von Friedrich Wassermann.

In der Nähe von Gleisen oder gar über Gleisen zu wohnen, birgt auf den ersten Blick Risiken. Genau diese Gefahren zu minimieren, war den Bauherren von Anfang an ein wesentliches Ziel. "Wir wollten sicherstellen, dass nicht nur unsere Bewohner über den Gleisen sicher schlafen können, sondern auch die Anwohner besser geschützt sind als zuvor", betont Raphael Hüffelmann, Projektleiter der WvM Immobilien. So sichern, für den Fall einer Zugentgleisung, bis zu 1 m starke massive Betonwände als Poller an den Wandenden der Neubauten Gebäude und Nachbarschaft. Diese beziehen sich auf Züge, die bis zu 120 km/h fahren dürfen. In Braunsfeld fahren die Züge jedoch höchstens 25 km/h. Bei der Erstellung des Brandschutz- und Sicherheitskonzeptes orientierten sich die Bauträger an den Vorgaben des Eisenbahnbundesamtes für geschlossene Tunnel.

Mit seinem innovativen Baukonzept ermöglicht das Projekt am Clarenbachplatz etwas, was vorher undenkbar war: Bundesweit lassen sich Brachflächen im Gleisbereich in eine qualitative Wohnbebauung verwandeln. Jahrelang fuhr Anton Bausinger auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in Braunsfeld an den Bahngleisen des Clarenbachplatzes vorbei. Stets wunderte er sich über die ungenutzte Fläche. Er erkannte das städtebauliche Potenzial und startete im Jahr 2010 das Bauprojekt. 2012 erwarb er dann das Gelände von der Häfen und Güterverkehr Köln AG. Ein Jahr später rief die Bauunternehmung Wassermann einen umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess ins Leben, in dessen Verlauf sich der Entwurf des aktuellen Architekten Matthias Dittmann durchsetzte. Er entwickelte das moderne Gebäude in Ergänzung zur charakterbildenden, denkmalgeschützten Clarenbachkirche aus den 50er Jahren. Die WvM Immobilien stieg 2016 in die Projektentwicklung mit ein. Seit August 2017 verfügen die Bauherren über eine Baugenehmigung der Stadt Köln. Im August 2018 erteilte dann auch die Bezirksregierung die Genehmigung zum Umbau und Überbauung der Bahngleise der Güterverkehrslinie in Köln-Braunsfeld. Der Umbau des Gleisbetts startete Anfang September 2018. Seit Dezember laufen die Arbeiten am Rohbau. Auf dem Gelände entstehen Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, Penthouse-Wohnungen, 94 Tiefgaragenstellplätze sowie Kinderspielflächen. Die Grundsteinlegung fand am 16. Mai 2019 in Anwesenheit von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW, statt. Die Fertigstellung der Neubauten ist für Februar 2021 geplant. Mit Abschluss der Baumaßnahmen kann auch der beliebte Wochenmarkt auf seinen angestammten Platz zurückkehren.

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