Sachverstand contra Dachschaden

Regensicherheit wird nicht nur durch die Deckungsart gewährleistet

von:

Jürgen Lech

Dachbaustoffe
Dichte Dächer entstehen nicht durch vielversprechende Produkte, sondern durch Sachverstand und die Einhaltung der entsprechenden Fachregeln bei der Konstruktion, Deckung bzw. Sanierung eines Daches. In 26 Jahren Berufserfahrung als Sachverständiger musste Jürgen Lech feststellen, dass dies nicht immer selbstverständlich ist. Foto: Jürgen Lech

Wie lange hält eigentlich ein Dach? Keine einfache Frage, auf die es auch keine einfache Antwort gibt, weiß Jürgen Lech, zertifizierter Sachverständiger für Bau- und Versicherungsschäden. Leider, so der Experte, kommt der Sachverstand häufig erst dann ins Spiel, wenn der Schaden bereits da ist. Im Folgenden erklärt Lech, warum sichBauherren nicht allein auf die Werbeversprechen der Industrie verlassen sollten.Essen/Coswig. – Wie lange hält eigentlich ein Dach? Als Dachdecker, Sachverständiger, Fachplaner, Autor, Herausgeber und Dozent in Sachen Dach und Abdichtung wird mir diese Frage immer wieder gestellt. Im Rahmen von Gutachtenaufträgen seitens der Gerichte wird zudem häufig gefragt, ob das Dach bzw. die daran ausgeführten Leistungen den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik entspricht. Standardfragen, die ich trotz 43-jähriger Tätigkeit auf dem Dach nicht aus dem Stehgreif beantworten kann und will.Zu viele Stolpersteine liegen auf dem Weg vom Ist- zum Soll-Zustand; vom mangelhaften, altersbedingt eingeschränkten, vielleicht noch als Basis dienenden Dach zum funktionsgerechten Dach.

Optik contra Funktion?
Planer, Bauherren und Investoren entscheiden sich vielfach, ggf. auf der Grundlage einer nicht ausreichenden Information und mangelhaften Beratungen, für risikoreiche Dachkonstruktionen, Dachdeckungen und Dachabdichtungen. So wird eine Unterschreitung der Regeldachneigung von so manchem Dachziegel- und Dachbahnhersteller frei nach dem Motto "Yes we can" propagiert.Oft verbunden mit "ungenannten" Risiken, ggf. durch die Dachdeckung/Abdichtung dringenden Niederschlags, ohne auf die dadurch entstehenden erhöhten Belastungen hinzuweisen. Nicht selten scheint die Ansicht vorzuherrschen: Wo kein Wasser steht, da läuft auch keins hinein. Und: Umso steiler das Dach, umso regensicherer. Wenn da nicht die vielzähligen Verfallungen, Durchbrüche, Einbauteile und Detailansprüche wären. Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass Dächer mit Dachdeckungen automatisch wasserdicht sind. Die allgemein anerkannten Regeln – u. a. die Fachregeln des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Fachregeln für Dachdeckungen mit Dachziegeln und Dachsteinen etc. – fordern von gedeckten Dächern eine Regensicherheit. Diese wird jedoch nicht durch die Art der Deckung allein gewährleistet – ganz gleich, ob es sich um groß- oder kleinformatige Teile handelt oder ob die Deckung aus Ziegeln, Wellplatten oder Ähnlichem besteht. Entscheidend für ein regensicheres Dach ist vor allem, dass die Regeldachneigung eingehalten wird und ob Zusatzmaßnahmen wie Unterspannungen bzw. Unterdeckungen vorgesehen und fachgerecht eingebaut wurden. Die Regensicherheit ist aber auch von der Ausstattung des Dachbaustoffs (z. B. Kopf- und Fußverfalzung) und dem Vorhandensein systemgerechter Detaillö-sungen abhängig. Generell gilt hierbei: Umso flacher das Dach, desto höher sind die Anforderungen an die sich unter der Dachdeckung befindlichen Schichten.Ein weiterer Irrglaube: Wasser auf der Abdichtung ist generell zu tolerieren. Mit Verwunderung habe ich erst kürzlich ein Gutachten gelesen, in der ein Sachverständiger zu dieser Erkenntnis kam und sich auf die Normen bezüglich Toleranzen im Hochbau berief. Meines Erachtens ist diese Schlussfolgerung grundlegend falsch. Die Fachregeln für Abdichtungen sowie die DIN 18531 und weitere Normen für Abdichtungen – ganz gleich, ob genutzt oder ungenutzt – sehen eine Gefällegebung vor und lassen eine Abweichung von dieser nur in Ausnahmefällen zu, auch hier allerdings nur in Verbindung mit Zusatzmaßnahmen.Dachabläufe sollten sich stets an den tiefsten Punkten der Abdichtungsebene befinden, zu Wartungszwecken gut erreichbar sein und schließlich und endlich auch gewartet werden. Dachabläufe gehören zur Gebäudeentwässerung und sind auf der Grundlage der dafür gültigen Normen mindestens zwei Mal jährlich zu warten.Jede Pfütze, besonders dann, wenn Sie (eigene Interpretation) mehr als 1 cm tief ist, bewirkt konträre Spannungen an der Abdichtung – im Besonderen an den Übergangsbereichen, den Randbereichen der Pfützen, verstärkt durch Ablagerungen. Dabei können bio- und fotochemische Prozesse die Alterung der Abdichtung in diesen Bereichen beschleunigen, u. a. durch das Entweichen der Weichmacher aus den weich gemachten Kunststoffbahnen. Eine erhöhte Belastung, die das Risiko, dass Wasser eindringt, erhöht. Aus diesen Gründen sollten Pfützen auf der Abdichtung im Rahmen der Wartung regelmäßig entfernt werden.
Vom Ist zum Soll
Grundsätzlich kann (fast) jeder Ihr Dach planen, wobei die alleinige Kenntnis einer Fachregel bzw. der entsprechenden Normen noch lange nicht den Erfolg verspricht. Häufig vertrauen Planer und Bauherren auf die scheinbar kostenlosen Dienstleistungen einiger Dachdeckerbetriebe, ein Angebot zu erstellen.Viele Dachdecker nutzen wiederum das scheinbar kostenlose Angebot der Beratung durch einen Bedachungshersteller. Dass hier in der Regel wirtschaftliche Interessen über dem Interesse einer fachgerechten Ausführung und Materialwahl stehen, versteht sich von selbst. Aus der Praxis kenne ich Objekte, an denen das Dachschichtenpaket noch weitestgehend funktionierte und dennoch abgerissen und entsorgt wurde. Manch Altbewährtes wurde dabei durch Materialien und Systeme ersetzt, die in Qualität und Langlebigkeit minderwertiger waren. An einigen Objekten führte die beratene Lösung schon nach wenigen Jahren zum Funktionsausfall. Die Folge sind oft langjährige Bauprozesse.Nicht selten werden dem aktuellen Trend folgend auch "besonders ökologische" Lösungen verkauft. So klingt bspw. der aktuell kursierende Begriff der "selbstkompostierenden Flachdächer" zunächst gut und umweltgerecht. Letztendlich verbirgt sich dahinter aber eine zweischalige, unbelüftete Bauart von Flachdächern, bei denen es, wie in einem von mir kürzlich begutachteten Fall, zu einem erhöhten Feuchteeintrag kommen kann. Im mir bekannten Fall führte dies dazu, dass es nach nur 13 Jahren zum Verlust der Tragfähigkeit durch den Verfall der Tragschale unter der Abdichtung gekommen ist. Ursache: Kondensat!
Mit Sachverstand
Die Aufgabenstellung an einen Sachverständigen ist vielfältig. Leider wird dieser noch viel zu oft erst dann beauftragt, wenn der Schaden innen sichtbar ist. In meiner mittlerweile 26-jährigen Beratungstätigkeit – sowohl im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen als auch der Sanierungsberatung – hat sich immer wieder gezeigt, dass Sachverständige mehr leisten können, als Schäden festzustellen.Die dabei gewonnen Erkenntnisse/Erfahrungen aus den letzte 26 Jahren habe ich in mittlerweile ca. 300 Fachveröffentlichungen in nationalen und internationalen Publikationen, Fachbüchern und einem Nachschlagewerk sowie in hunderten Gutachten und Stellungnahmen dokumentiert. Eine Erfahrung, die sich dabei immer wieder ergeben hat: Wer den Sachverstand erst annimmt, wenn er einen Dachschaden hat, fragt meist nicht mehr, ob Geiz geil ist. Wer vom Ist zum Soll will, kann viele Wege beschreiten, insofern ausreichender Sachverstand in dieser komplizierten Materie nicht vorhanden ist, sollte dabei jedoch der neutralen Sachverstands eines Experten herangezogen werden.Der Autor ist zertifizierter Sachverständiger im Fachgebiet Bau- und Versicherungsschäden am Dach.

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