Bauindustrie-Hauptgeschäftsführer

Patient "Versorgungsinfrastruktur" hängt in Deutschland am Tropf

Bauwirtschaft
Hauptgeschäftsführer Michael Knipper: "2010 war für die Leitungsbauer ein schwieriges Jahr." Foto: HDB

Die Leitungsinfrastruktur ist in vielen Kommunen in die Jahre gekommen. Folgen sind Baustellen an Strom-, Gas-, Wasser- und Abwasserleitungen, die nicht nur für Straßensperrungen und andere Unannehmlichkeiten für die Anwohner sorgen, sondern auch auf den Gebührenhaushalt drücken. Deshalb versuchen manche Netzbetreiber zu sparen, wo es geht. Über diese Problematik sowie die Situation der Leitungsbauunternehmen sprach die Allgemeine Bauzeitung mit dem Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), Michael Knipper.ABZ: Vertritt Ihr Verband auch Spezialunternehmen, zum Beispiel Leitungsbauer?Knipper: Ja, diese Unternehmen haben sich in so genannten Bundesfachabteilungen (BFA) zusammengeschlossen und wirken direkt an den maßgeblichen technischen und technisch-politischen Forderungen des Verbandes mit. Für den Leitungsbau ist dies die Bundesfachabteilung Leitungsbau. Sie ist die bundesweite politische Spartenvertretung hochqualifizierter Bauindustriefirmen aus den Bereichen Bau und Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen, Versorgungsleitungen – hierzu gehören Gas, Wasser, Fernwärme – sowie Kabel- und Telekommunikationsleitungen.ABZ: Wofür setzen Sie sich im Leitungsbau ein?Knipper: Die BFA Leitungsbau versteht sich als Sprachrohr der Leitungsbauunternehmen gegenüber Bundesorganisationen und Bundespolitik. Den Interessen der Mitglieder soll verstärkt Nachdruck verliehen werden. Deshalb zählen die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Leitungsbauunternehmen und eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, die sich für die Belange der Branche stark macht, zu den vorrangigen Zielen der BFA LTB. Der Bildungsbereich zählt ebenso zu einem der Schwerpunkte. So wird das Bildungsangebot für den Leitungsbau permanent überarbeitet und erweitert. Unter anderem mit einer Aufwertung und Stärkung der Rolle der Ausbildungszentren der Bauindustrie, mit deren Unterstützung das Konzept "Bildung aus einer Hand" erfolgreich umgesetzt werden soll. Damit setzen wir weiterhin verstärkt auf eine hohe Qualifikation der Beschäftigten im Leitungsbau.ABZ: Was kennzeichnet fachgerechten und nachhaltigen Leitungsbau?Knipper: Im Leitungsbau sind Qualität und Zuverlässigkeit die Grundlage für fachgerechte Ausführung und für langlebige und damit wirtschaftliche Netze. Das gilt beim Bau und der Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen ebenso wie beim Bau von Gas-, Wasser- und Fernwärmeleitungen oder beim Bau von Strom- und Telekommunikationsleitungen. Eine qualitativ hochwertige Ausführung im Leitungsbau ist nur mit qualifiziertem Personal zu erreichen, das über das nötige technische Know-how verfügt.ABZ: Welche Anforderungen werden heute an ein Leitungsbauunternehmen gestellt?Knipper: Die Spielregeln der Branche haben sich grundlegend geändert. Bau und Sanierung von Abwasserkanälen, Druckrohrleitungen für Gas und Wasser, Kabelleitungen und Fernwärmeleitungen werden mittlerweile durch ein und dasselbe Unternehmen geleistet. Und der Bedarf an solchen Allroundern wächst. Fachleute gehen davon aus, dass die Funktionsfähigkeit der deutschen Abwasserkanäle mittelfristig nur mit jährlichen Investitionen in zweistelliger Milliarden-Höhe erhalten werden kann. Im Bereich der Strom- und Gasnetze ist der Investitionsbedarf ebenfalls hoch. Die Branche rechnet damit, dass für den Ausbau und die Erneuerung der Verteilernetze durch die Energiewirtschaft in den nächsten zehn Jahren rund 50 Milliarden Euro an Investitionen getätigt werden. Davon entfallen 40 Milliarden Euro auf das Strom- und 10 Milliarden Euro auf das Gasnetz.ABZ: Seit Jahren warnen Sie vor zu geringen Investitionen in die Netze. Hat sich die Situation gebessert?Knipper: Der Nachholbedarf zur Erneuerung der unterirdischen Infrastruktur ist nach wie vor gewaltig. Viele Netzbetreiber arbeiten mit Verweis auf die meist leeren Kassen nach dem Feuerwehrprinzip. Ist ein Schaden aufgetreten, wird er repariert. Andere investieren die Mittel, die zur Verfügung stehen, alles andere bleibt dann liegen. Mit einer langfristigen und vorausschauenden Planung hat das wenig zu tun. Viele Netzbetreiber wissen scheinbar gar nicht, in welchem Zustand sich ihre Leitungsnetze befinden. Das ist allerdings eine Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Prognose und eine vernünftige Planung. Wir fordern eine geplante Instandhaltung und eine stetige Investition in unsere Leitungsinfrastruktur. Auch mit dem Motto "Hauptsache billig" muss Schluss sein. Wirtschaftlicher und nachhaltiger Leitungsbau und eine fachgerechte Ausführung sind nicht im Sonderangebot zu haben. Aufträge sollten deshalb nur an Unternehmen vergeben werden, die über das nötige fachliche Know-how verfügen. Qualität kostet eben erst einmal Geld und eine gute Bauausführung muss kalkuliert und bezahlt werden. Langfristig ist das eine Investition, die sich rechnet.ABZ: 2010 war das so genannte Basis- oder Fotojahr für Gas, das bedeutet, dass die Investitionen dieses Jahres bei der Regulierung als Basis für die nächsten vier Jahre gelten. Wir hörten, dass die Leitungsbauer viele Aufträge nicht ausführen konnten. Wie kann das sein?Knipper: 2010 war für die Leitungsbauer ein schwieriges Jahr. Aufgrund des strengen Winters konnte fast drei Monate lang nicht gearbeitet werden. Im zweiten Quartal waren die Aufträge knapp. Die Auftraggeber hatten die ausführungsfreie Zeit nicht genutzt, um ihre Ausschreibungen auf den Markt zu bringen. Im dritten Quartal trat das so genannte "Fotojahr Gas" ins Bewusstsein der Verantwortlichen und überrollte die Leitungsbaubranche. Die Folge: Die Leitungsbauunternehmen mussten die letzten Reserven mobilisieren, um der Nachfrage gerecht zu werden. Es zeigte sich überdeutlich, wie weit die Leitungsbaubranche ihren Personalstand in den letzten Jahren abschmelzen musste. Personal und Gerätereserven sind für solche Nachfragespitzen nicht mehr vorhanden. So bleiben dann Aufgaben unerledigt, die im Frühsommer mühelos hätten bearbeitet werden können.ABZ: Wenn es bei den Leitungsbauern zu Ausführungsengpässen kommen kann, wie sollen dann die neuen Aufgaben bewältigt werden? Etwa der Ausbau der Stromnetze bis 2020, die Breitbandverkabelung im ganzen Land bis 2014, die Sanierung der Kanalhausanschlüsse bis 2015?Knipper: Die auch von politischem Willen unterstützten zukünftigen Aufgaben des Leitungsbaus können nur in einer gemeinsamen Anstrengung erledigt werden. Während der Bau von Kraftwerken, Windparks und Solarkraftwerken in den Aufgabenbereich von großen mittelständischen und Großfirmen fällt, fordert der Ausbau erdverlegter Verteilernetze für Energie, Wärme und Kommunikation den gesamten Mittelstand. Allerdings müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierzu gehören akzeptable Verträge und eine Verteilung der zu vergebenden Aufgaben auf die im Kalenderjahr vorgesehenen zwölf Monate. Die Vertragsdauer muss so gestaltet werden, dass der mittelständische Unternehmer wieder investieren und seinem noch verbleibenden Personal eine Perspektive bieten kann. Unter solchen Voraussetzungen können wir gemeinsam auch solche nationalen Aufgaben bewältigen.ABZ: Können Sie das an einem Beispiel deutlich machen?Knipper: Die Breitbandvernetzung ist zurzeit ein hochaktuelles Thema. Die Bauindustrie unterstützt den verstärkten Breitbandnetzausbau, weil davon zum einen Tiefbauunternehmen in der Phase des Baus profitieren können, und zum anderen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland geschaffen werden können. Deshalb machen wir uns für dieses Thema stark. Unter anderem gab es Mitte des Jahres Gespräche mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) über Regulierung, Breitbandnetzausbau und Arbeitsmarkt.

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