Bepflanzte Versickerungsmulden
Hilfe beim Umbau zu Schwammstädten
Farblich ist es eine Augenweide – die weißblühende Wilde Möhre neben dem blauen Mannstreu, die bronzefarbene Steppen-Iris neben dem lilafarbenen Steppen-Salbei und dem silbrig schimmernden Silberährengras. Harmonie pur. „Aber wie lange die Harmonie zwischen den Stauden und Gräsern halten wird – wir wissen es nicht“, sagt Daniela Corduan. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung hat diese Pflanzengemeinschaft aus 17 heimischen und exotischen Arten entworfen. In der Natur gibt es sie so nicht. Die Pflanzen stehen in zwei circa 14 mal drei Meter großen sogenannten Versickerungsmulden auf dem Versuchsgelände der TU Berlin in Berlin-Dahlem und sind die Hauptakteure in einem gemeinsamen Projekt von TU Berlin, Berliner Wasserbetriebe und Berliner Regenwasseragentur. In ihm wird erforscht, welche ausdauernden Stauden und Gräser sich für die Bepflanzung von innerstädtischen Versickerungsmulden eignen und die biologische Vielfalt fördern. Daniela Corduan betreut es. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert es.
Bepflanzte Versickerungsmulden sind neben der Entsiegelung von Parkflächen sowie der Begrünung von Dächern und Fassaden ein Instrument beim Umbau der Städte zu Schwammstädten. Mit diesem Konzept der Schwammstadt sollen die Städte gewappnet werden gegen Hitzewellen, Trockenheit und Starkregen, die mit dem Klimawandel einhergehen. „Die Versickerungsmulden dienen in erster Linie zur Entlastung der Kanalisation bei Starkregenereignissen. Vorteilhaft ist, dass sie dabei das Regenwasser zwischenspeichern und den Pflanzen außerdem zur Verdunstung und somit zur Kühlung des Mikroklimas zur Verfügung stehen. Sie sind Wasserspeicher und Wasserspender, Orte also, wo der natürliche Wasserkreislauf wiederhergestellt ist, der in unseren versiegelten Städten fehlt. Ihn wieder zu stärken – das ist die Idee der Schwammstadt“, sagt Daniela Corduan.
Widerstandsfähigkeit ist ein Muss
Doch welche Pflanzen sind robust genug, um diesen Gegensätzen gewachsen zu sein – sowohl mit extremer Nässe zurechtzukommen als auch Trockenheit und Hitze zu trotzen? Zudem sollen die Stauden und Gräser langlebig sein, um den Pflegeaufwand der Versickerungsmulden gering zu halten. „Und angesichts des Insektensterbens dokumentieren drei Expert*innen, welche Blüten Wildbienen, Schwebfliegen, Tagfalter und tagaktive Nachtfalter präferieren, um einen Überblick zu bekommen, welche Pflanzenmischung sich als Nahrungsquelle eignet“, so Daniela Corduan.
Im Herbst 2021 wurden die Versickerungsmulden bepflanzt unter anderem mit Steppen-Wolfsmilch, Steppen-Salbei und Wilde Möhre, weil sie tiefgehende Wurzelsysteme ausbilden, um Wasser aus tieferen Bodenschichten beziehen zu können. Aufgrund der Trockenheit werden besonders trockenheitsverträgliche Arten benötigt. Ein tief durchwurzelter Boden kann zudem viel Wasser speichern. Neben den beiden Forschungsflächen in Dahlem gibt es noch eine Vergleichsfläche in der Rummelsburger Bucht inmitten eines Wohngebietes. Anders als in Dahlem, ist diese Mulde viel stärker den realen städtischen Bedingungen ausgesetzt – so zum Beispiel dem schadstoffbelasteten Regenwasserabfluss von der Straße und Hundekot.
Vitalität auf dem Prüfstand
Seit dem Frühjahr 2022 nun untersucht Daniela Corduan die Vitalität jeder einzelnen Pflanze. Diese wird durch vegetative und generative Merkmale bestimmt. Das vegetative Merkmal zeigt die Wachstumsrate der Pflanze an der Basis an beziehungsweise wie üppig sie sich am Boden entwickelt; das generative Merkmal, wie üppig sie blühen und dementsprechend wie stark sie sich reproduzieren. Um die Vitalität zu bestimmen, bedient sie sich altmodischer Mittel – dem Zählen der Blüten oder Blütentriebe, dem Messen des Durchmessers der Gräser, aber auch moderner Methoden wie der Fluoreszenzspektroskopie. Diese liefert Hinweise darauf, inwiefern die Pflanze physiologisch gestresst ist. Temperatur und Bodenfeuchte sind für die Bestimmung des Stresses wichtige Parameter. Sie werden in den Versickerungsmulden regelmäßig gemessen.
Aber nicht die einzelne Pflanze an sich ist für das Projekt entscheidend, sondern wie die 17 Pflanzenarten in dieser Gemeinschaft miteinander „koexistieren“. Daher wird in den kommenden zwei Jahren genau dokumentiert werden, welche Pflanzen überdauern, welche andere verdrängen und das kleine Biotop dominieren. Das gewonnene Wissen soll helfen, solche begrünten Muldensysteme anzulegen und ein die Biodiversität förderndes Biotopnetzwerk in Städten zu entwickeln.