Große Spannweiten umsetzen

Brückenschalung gilt als Königsdisziplin

Callenberg (ABZ). – Wenn "Normalos" Autobahnbrücken mit teilweise großen Spannweiten unterfahren, ahnen sie wahrscheinlich nicht, dass die einzelnen Schalungselemente, die gebraucht werden, um den Beton in Form zu gießen, relativ klein sind. Das liegt daran, dass bei Betonbrücken im Gegensatz zu Balkonen, Decken, Wänden oder Treppen sichtbare Stöße im Beton nicht stören.
Holz
Eine Widerlagerschalung auf einer Baustelle in Esslingen. Foto: Holzbau Reichel

Seit 1983 bildet die im sächsischen Callenberg ansässige Zimmerei Holzbau Reichel die ganze Bandbreite des klassischen Holzbaus ab. Nach Abflauen des Baubooms zur Jahrtausendwende spezialisierte sich die Firma nach Angaben des technischen Geschäftsführers Henrik Pilz auf den Bau von Dachstühlen und auf Schalungen mit Schwerpunkt Brückenbau – wobei Letzteres zwischenzeitlich rund 75 % des Auftragsvolumens ausmachte. Dafür verbaut die Firma rund 6000 m³ Fichtenholz im Jahr.

"Der Schalungsbau wird als solches in der Ausbildung zum Zimmerer nicht gelehrt und wir brauchten einige Zeit, um unseren Erfahrungsschatz auf das heutige hohe Level zu bringen", erklärt Henrik Pilz. "Diese komplexe Materie ist vom normalen Hoch-Tiefbau komplett abgekoppelt. Unsere Kunden sind mittelständische bis große Bauunternehmen, die dieses Fachwissen selbst nicht mehr vorhalten und externe Dienstleister damit beauftragen. Das, was wir bauen, ist eigentlich ein Baubehelf, eine Baudienstleistung und kein Bauwerk. Die Schalungsbinder dienen der Formgebung von Brückenschalungen und anderen Bauteilen aus Beton. Wie die Schalung aussieht oder gebaut wird, basiert allein auf unserem Know-how. Dasselbe gilt auch für Traggerüste, die teilweise mehr als 30 eter frei gespannt sind. Gerade im Brückenbau fließt vieles mit ein und man muss Kenntnisse von Trägerverformung, Bauwerksverformung oder Setzungen haben. Das ist das Spannende am Schalungsbau." Um die Fertigungstiefe zu intensivieren und von Zulieferern unabhängig zu werden, wurde der Maschinenpark sukzessive aufgebaut: Angefangen mit Binderpresse, Abbundanlage und Nagelplattenbinder wurde dieser 2021 mit dem Reichenbacher-Plattenbearbeitungszentrum OPUS mit HPL-Rastertisch komplettiert. Ziel der Investition war, neben Flexibilität und Schnelligkeit vor allem die Genauigkeit zu steigern, denn die ist Voraussetzung, wenn viele kleine Bauteile auf der Baustelle zusammengefügt werden müssen. Diese Kleinteiligkeit hat viele Vorteile, bezogen auf die Materialwirtschaft genauso wie auf die Logistikwege und die verbesserte Ergonomie für Beschäftigte in Produktion und Montage. Die Fertigung der Teile für die Schalungskörper ist für den Betrieb ein Glücksfall, denn mit der OPUS können die Platten mit Maßen von 2,5 x 1,25 m mit wenig Aufwand bearbeitet werden: Aussparungen, Ausklinkungen, Bohrungen, Anschlagflächen, Vertiefungen und notwendige Verbindungselemente bei sehr komplexen Bauteilgeometrien sind in kurzer Zeit realisierbar. "Falls mal ein Bauteil auf der Baustelle ausfällt, kann es jetzt in kürzester Zeit nachgeliefert werden", versichert Pilz.

KO-Kriterium bei der Entscheidung, welche CNC es werden soll, war die Aufstellgröße. "Und da punktet die OPUS, denn sie ist wohl mit Abstand die schmalste Fünf-Achs-Maschine auf dem Markt", erklärt Michael Aicher, Geschäftsführer der Firma Amyon, der diese Baureihe für Reichenbacher vermarktet. Pilz ergänzt: "Ein Maschinenbett muss stabil, die Kabelführungen geschlossen sein und ein kraftvolles Aggregat, dass die richtige Performance aufweist, runden ein Paket ab." Genauso vorteilhaft sei es, an keine hauseigene Software gebunden zu sein.

Bei OPUS ist NC-hops 7.0 vorinstalliert und das Tüpfelchen auf dem i ist die Industriesteuerung von Beckhoff, die als Standard inklusive ist. Gerade bei architektonisch anspruchsvollen Bauwerken brauchen die Teams vor Ort aufgrund der geometrischen Komplexität zumeist Freiformschalungen. Anhand eines dreidimensionalen Bauwerkmodells wird das Konzept erarbeitet, Schalungskörper computerunterstützt geplant, vorgefertigt und auf statisch tragende Grundelemente montiert. Auf der Baustelle werden die Einzelelemente dann zusammengefügt und mithilfe von Einmesspunkten, Hilfsachsen und Aufstelllehren positioniert. Der Anspruch an die Vielschichtigkeit der Schalungskörper ist an den Brückenkappen gut erkennbar, da diese Kappen unterschiedlichste Funktionen erfüllen: Neben dem Schutz der tragenden Brückenkonstruktion dienen sie der Verankerung passiver Schutzeinrichtungen wie Fahrrad-, Fußgängerweg und Geländer.

Holzbau Reichel liefert hierfür nicht nur Schalungsträger, Überhöhungsleisten oder Schalungsschablonen für Kappenschalungen, sondern auch montagefertige Einbaukästen für Systemschalungen bei runden oder ovalen Querschnitten. Das Fazit des Geschäftsführers: "Wir sind schnell und präzise. Benötigten wir mit einer Formatkreissäge früher 36 Stunden, um 400 Schablonen für eine Kappenschalung zu fertigen, wird heute eine Platte aufgelegt und die CNC fertigt dieselbe Anzahl auf Knopfdruck in 15 Stunden. Der Bedarf an Brücken in Deutschland ist enorm, denn viele sind jahrzehntealt und müssen saniert oder neu gebaut werden. Heute sind wir bei Projekten mit dabei, die wir bis vor einem Jahr nicht hätten umsetzen können."

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