Hoch belastete Zylinder

Neuartiges Führungsband mit diagonalem Nutmuster entwickelt

Hydraulik Ausstattung & Zubehör
Die neuen Führungsbänder wurden mit einem diagonalen Nutmuster versehen. Der Abstand und die Tiefe der Nuten wurden an die Aufgabe angepasst. Foto: Hoven

STOLBERG (ABZ). -Wie im Leben ist es auch bei Hydraulikzylindern: Manche haben es einfach schwerer. Das gilt besonders für Arbeitszylinder im Anlagenbau, die bei großen Kräften kleine, pulsierende Bewegungen ausführen, um für eine kontinuierliche Anpresskraft zu sorgen. Durch unvermeidliche Verlagerungen der Bauteile entstehen zusätzliche Querbewegungen, die auf den Kolben wirken und von den Führungsbändern aufgenommen werden müssen. Der Konstrukteur dieser Zylinder kämpft an mehreren Fronten: Einerseits soll der Zylinder klein und kompakt gebaut werden, andererseits sind für die Übertragung der Querkräfte breite Führungsbänder und große Abstände zwischen denselben sinnvoll. Dazu wird bei sehr kurzhubigen Bewegungen die Schmierung der Gleitflächen problematisch, da der dünne Ölfilm zwischen Kolben und Band kaum ausgetauscht wird.

Anlass für die Eigenentwicklung waren Schadensfälle nach "rauem Betrieb" während einer längeren Inbetriebnahmephase. Die Demontage der Zylinder zeigte Führungsbänder mit Rissen und Brüchen, bei denen das Gewebe vollständig durchtrennt war. Die hinzugezogenen Spezialisten im Werk konstatierten die korrekte Auslegung der Bänder und waren daher hinsichtlich der Schadensursache zunächst ratlos.

Untersuchungen im Hause Hoven Hydraulik zur Schadensursache zeigten dann ein klareres Bild: Die üblichen gewebeverstärkten Bänder sind in der Harzmasse zwangsläufig von Mikrorissen durchzogen. Wird der Kolben nun schnell auf das Band zu bewegt, baut der verdrängte Ölfilm ein Druckfeld auf, das auch in diesen Rissen wirksam wird und allmählich die Struktur des Werkstoffs zermürbt. Zum Leidwesen der Anwender setzte dieser Effekt schon weit unterhalb der Flächenpressungen ein, die von den Herstellern der Bänder für den statischen Lastfall zugelassen werden. Zusätzlich zeigten die Führungsbänder eine auffällige Schwarzfärbung, die zur Bandmitte hin zunahm.

Diese Schwarzfärbung beruht auf der Bildung von Ölkohle. Durch die kleinen axialen Bewegungen wird das Öl nur in den Randbereichen durch Schleppströmungen ausgetauscht. Im Mittelbereich wird der Ölfilm durch Reibungswärme überhitzt und damit soweit geschädigt, dass chemische Zersetzungen zur Kohlebildung führen. Zur Lösung dieser Probleme müssen an die Führungsbänder folgende Anforderungen gestellt werden:

  • ? rissfreies, geschlossenes Gefüge,
  • ? hohe Belastbarkeit auch bei hohen Betriebstemperaturen,
  • ? hoher Widerstand gegen Rissbildung und Risswachstum,
  • ? gute Gleiteigenschaften,
  • ? geringer Abrieb und Verschleiß,
  • ? hohe Schlagfestigkeit,
  • ? ausreichender Ölaustausch im Schmierfilm zwischen Band und Kolben.

In den Vorversuchen hatte nur ein einziger technischer Kunststoff diese Bedingungen erfüllen können: Polyetheretherketon, bekannt als Peek. Gerade der Basiswerkstoff ohne Additive zeigt eine unglaubliche Kombination von Festigkeit und Zähigkeit. Erst oberhalb von 180 Grad Celsius wird er spürbar weicher, bleibt aber bis über 280 Grad Celsius formbeständig. In den Zerrüttungsversuchen, in denen Proben der bekannten Bandwerkstoffe bis zum Versagen pulsierend gepresst wurden, hat Peek mehr als die zehnfache Lastspielzahl schadensfrei ertragen. Für die Versuchszylinder wurden daher Führungsbänder aus Peek hergestellt und im praktischen Einsatz über drei Monate getestet. Bei der Demontage waren die Bänder frei von Rissen oder Brüchen. Der Verschleiß der Bänder war gering.

Um auch bei kleinen Zylinderhüben den Austausch des Schmierfilms sicher zu stellen, sollen Dichtungen und Bänder in der axialen Breite vorzugsweise so bemessen werden, dass der kleinste typische Hub mindestens die Hälfte der Dichtungs- oder Bandbreite beträgt. Diese Bedingung ist bei den hier benötigten großflächigen Führungsbändern nicht erfüllbar. Die neuen Führungsbänder wurden daher mit einem diagonalen Nutmuster versehen. Der Abstand und die Tiefe der Nuten wurden an die Aufgabe angepasst.

Die tragenden Flächen zwischen den Nuten werden bei dieser Bauart durch die Schleppströmung ständig mit frischem Öl aus den Nuten geschmiert. In den Nuten selbst entsteht durch die Kolbenbewegungen ebenfalls ein Ölaustausch mit der Umgebung. Bei geeigneter Gestaltung der Oberfläche wird der gleiche Effekt erzielt, der von Keilspaltlagern bekannt ist: Bei Bewegung sind die Gleitpartner vollständig von einander getrennt.

Für die Herstellung der Bänder wurde zunächst ein geeignetes Fertigungsverfahren entwickelt. In mehreren Schritten wurde die Fertigung durch Fräsen, Hobeln, Warmformen und Kalibrieren so verfeinert, dass die Führungsbänder in sehr engen Dickentoleranzen prozesssicher und innerhalb weniger Tage produziert werden können. Hoven Hydraulik ist damit in der Lage, die Bänder ohne großen Lagerbestand "just in time" in die Zylinderfertigung einzusteuern.

Auch wenn die Bänder kostenintensiver sind als die marktgängigen Typen: Die Gesamtwirtschaftlichkeit wird durch die überragende Standzeit der Zylinder bestimmt. Seit der Umrüstung der Arbeitszylinder auf die genuteten Peek-Führungsbänder läuft die Anlage ohne Störung. Für Neukonstruktionen kann der Konstrukteur die Bandbelastung nun sicherer berechnen und die Baugröße der Zylinder optimieren und damit sicher sein, dass er alles für die Verfügbarkeit der Anlage getan hat.

Die Führungsbänder aus Peek mit dem diagonalen Nutmuster sind nach eigenen Angaben als Gebrauchsmuster Nr. 20 2008 012376.3 geschützt.

Die Wilhelm Hoven Maschinenfabrik GmbH & Co. aus Stolberg entwickelt und fertigt seit den Anfängen der Ölhydraulik Hydraulikkomponenten und -anlagen. Das 1929 gegründete Familienunternehmen um die beiden Geschäftsführer Dietmar und Rolf Hoven hat sich dabei auf die Realisierung maßgeschneiderter kundenspezifischer Lösungen spezialisiert. Von den Sonderanfertigungen des führenden Systemanbieters profitieren zum Beispiel Kunden aus den Bereichen Anlagenbau, Baumaschinen, Mobilhydraulik oder Verfahrenstechnik.

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