Jürgen Streeck, Vorstandsmitglied der ÖPP Deutschland AG

ÖPP kann Möglichkeit für Abbau von Investitionsstaus sein

ÖPP Baupolitik
Für die bauliche Sanierung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), die der Rechtsaufsicht durch das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein unterliegt, mit dem Campus Kiel und dem Campus Lübeck (Abb.) hat die ÖPP Deutschland AG die öffentliche Hand beraten. Abb.: Rendertaxi

Zur Förderung Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) wurde 2008 die ÖPP Deutschland AG als Beratungsunternehmen gegründet. Der wirtschaftliche Nutzen für die öffentliche Hand wird allerdings z. T. in Frage gestellt. Über das Partnerschaftsmodell und den öffentlichen Auftrag der ÖPP Deutschland AG, sprach die ABZ-Redaktion mit Jürgen Streeck, Vorstandsmitglied der ÖPP Deutschland AG.ABZ: Herr Streeck, der Investitionsstau in Deutschland wächst, immer mehr Straßen und Brücken sind marode, und Schulen müssten saniert werden. Ist ÖPP eine Möglichkeit, diesen Rückstand aufzuholen?Streeck: Mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften hat die öffentliche Hand eine strategische Handlungsoption, ein Vorhaben kosten- und terminsicher umzusetzen. Das Besondere dabei ist, dass die Verwaltung in jedem Einzelfall prüfen muss, ob ein Projekt als ÖPP effizienter ist, als wenn die Verwaltung es selbst erledigen würde oder in Teilaufträgen, so genannten Losen, vergeben würde. Diese Vorabprüfung erfolgt durch eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, bei der alle späteren Kosten der Planung, des Baus und der Betriebsphase miteinander verglichen werden. Wenn die ÖPP-Realisierung günstiger ist, kann der öffentliche Auftraggeber auf einen langfristigen Vertrag mit einem privaten Partner bauen, der ein Bauwerk in vereinbarter Qualität und zu einem Festpreis erstellt sowie danach über 15 oder 20 Jahre betreibt. Wir beraten die öffentliche Hand in jedem Fall ergebnisoffen, ob diese Option für das geplante Vorhaben geeignet ist. Insofern kann ÖPP eine Möglichkeit sein, den Investitionsstau abzubauen.ABZ: Aber die Projektzahlen fallen doch seit 2009 bzw. bleiben auf einem sehr geringen Niveau. Laut der von Ihnen veröffentlichten Statistik aus der PPP-Projektdatenbank wurden im ersten Halbjahr 2014 lediglich vier ÖPP-Projekte im Hoch- und Tiefbau abgeschlossen. Kann ÖPP also wirklich Abhilfe leisten?Streek: In dieser Datenbank werden derzeit nur die Projekte gelistet, die sich auf die klassischen vier Phasen im Projektlebenszyklus – also Planen, Finanzieren, Beschaffen und Betreiben – beziehen. Bei etlichen ÖPP-Vorhaben verzichtet die öffentliche Hand gegenwärtig ganz oder zum Teil auf die Endfinanzierung durch den privaten Partner, weil sie die günstigen Kapitalbeschaffungskosten selbst nutzt. Insofern gibt es viele weitere ÖPP-Projekte, die nur nicht in der Statistik aufgeführt werden.

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Jürgen Streeck, Vorstandsmitglied der ÖPP Deutschland AG: In Deutschland sind bisher 198 ÖPP-Projekte im Hoch- und Tiefbau vertraglich vereinbart. Davon haben gut zwei Drittel ein Investitionsvolumen von unter 25Mio. Euro und sind somit für den Mittelstand geeignet. Foto: ÖPP Deutschland

ABZ: Der Bundesrechnungshof hat kürzlich geäußert, dass einige ÖPP-Projekte nicht die vorab errechneten Vorteile bringen. Der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, lehnt die private Finanzierung im Fernstraßenbau gar ab. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?Streeck: Der Bundesrechungshof prüft immer einzelne Projekte, genauso wie bei konventionellen Vorhaben. Hier zeigte sich bspw. in einem Bericht 2013, dass bei 85% der konventionellen Projekte keine hinreichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, also die beschriebene Kostenbetrachtung in die Zukunft, durchgeführt wurde. Wenn ein Projekt daher in der einen oder anderen Variante erledigt wurde, sollte man für einen Vergleich im Nachhinein immer nach dem Vergleichsmaßstab fragen – erst dann zeigt sich, ob ein zutreffendes Urteil über die jeweilige Beschaffungsvariante getroffen werden kann. Dies gilt für alle Branchen und Sektoren und sicher auch für den Bundesfernstraßenbau. Dies kann die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die eigens hierfür vom Bund geführt wird, sicher noch besser begründen.ABZ: Warum sollte die öffentliche Hand bei den derzeit günstigen Finanzkonditionen überhaupt auf ÖPP zurückgreifen?Streeck: Die Vorteile von ÖPP-Projekten liegen, soweit sie nachgewiesen wirtschaftlicher sind als die getrennte Beschaffung, im Know-how-Transfer, einer Risikoverteilung zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft sowie der langfristigen Planungssicherheit auf beiden Seiten. Ausschlaggebend ist, dass Qualität und Leistungserbringung planbar sind.

ABZ: Immer wieder wird auch der Vorwurf erhoben, dass bei der Vergabe als ÖPP-Modell der Mittelstand benachteiligt würde – weil die Projekte zu groß seien und/oder die Vergabe zu komplex sei. Haben die Kritiker Recht?

Streeck: In Deutschland sind bisher 198 ÖPP-Projekte im Hoch- und Tiefbau vertraglich vereinbart. Davon haben gut zwei Drittel ein Investitionsvolumen von unter 25Mio. Euro und sind somit für den Mittelstand geeignet. Und dies ist auch bei zwei Dritteln dieser kleinen und mittleren Projekte geschehen: Der Mittelstand wurde bei über 90 Projekten beauftragt. Insgesamt sind seit 2002 bei mehr als der Hälfte der Projekte kleine und mittelständische Unternehmen zum Zuge gekommen. Für die Verwaltung sind die örtliche Nähe, die kurze Reaktionszeiten ermöglicht, und die Kenntnis der lokalen Gegebenheiten ein großer Vorteil bei der Beauftragung des regionalen Handwerks.

Wir unterstützen eine höhere Beteiligung des Mittelstands z. B. mit Musterunterlagen für ÖPP-Mittelstandsprojekte oder mit einem standardisierten Finanzierungsprozess für ÖPP im kommunalen Raum, den wir derzeit gemeinsam mit der KfW entwickeln. Ziel ist es, den Aufwand für die Angebotserstellung für die Bieter zu reduzieren.

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