Oldenburger Rohrleitungsforum

Klimawandel macht Rohren Stress

von: Sonja Weiße
Oldenburger Rohrleitungsforum
Diskutierten im Rahmen einer Pressekonferenz über den Klimawandel und die Folgen: Prof. Dr. Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany, Prof. Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule, Moderator Thomas Martin (Thomas Martin Kommunikation), Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau, Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und Vizepräsident der Jade Hochschule sowie Ingo Hannemann, Technischer Geschäftsführer von Hamburg Wasser (v. l.). Fotos: Weiße

Oldenburg. – Extreme Wetterereignisse werden häufiger. Zur Umsetzung geeigneter Anpassungsmaßnahmen bei Rohrleitungssystemen müssen Vertreter von Politik und Gesellschaft, Wissenschaftler, Stadtplaner und Netzbetreiber an einem Strang ziehen. Dies zeigten Vorträge und Diskussionen auf dem Oldenburger Rohrleitungsforum. Einen großen Zulauf konnte kürzlich erneut das Oldenburger Rohrleitungsforum des Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V. verzeichnen. Rd. 3500 Besucher waren nach Angaben des Instituts in die Jade Hochschule gekommen, um sich an Ständen von rd. 400 Ausstellern und bei Vorträgen der knapp 150 Referenten und Moderatoren über Neuigkeiten rund ums Rohr zu informieren. Einer davon war Thomas Preuss von der Firma Ontras Gastransport. "Für uns ist das Rohrleitungsforum eine Pflichtveranstaltung", sagt er. Man erhalte einen guten Überblick über Innovationen – und eine gute Gelegenheit, Kontakte zu pflegen. Da bei Ontras ein Molchsystem von Siegfried Kempe Apparate- und Maschinenbau (kempe) im Einsatz ist, stattete Preuss auch kempe-Vertriebsmitarbeiter Theo Patakakis einen Besuch ab. Auch der lobt den Branchentreff: "Es gibt hier viele Austeller auf kleinem Raum, da sind die Wege nicht so lang." Das Unternehmen kempe sei daher bereits das sechste Mal in Folge auf dem Forum vertreten."Das Rohrleitungsforum ist Kult" bringt es Thomas Martin auf den Punkt, der die Öffentlichkeitsarbeit für das Institut für Rohrleitungsbau übernimmt. In diesem Jahr stand das Forum unter dem Leitthema "Rohrleitungen – Transportmedium für Trinkwasser und Abwasser". Dementsprechend handelten viele der Referate von Trinkwasser und Abwasser bzw. den entsprechenden Netzen und deren Beeinflussung durch einen globalen Klimawandel. Dies bildete den inhaltlichen roten Faden einer Diskussion, die durch die Wetterentwicklung in Mitteleuropa und in Deutschland im vergangenen Jahr besonders aktuell geworden ist. Über den Klimawandel und seine Folgen diskutierten bei einer Pressekonferenz unter der Moderation von Thomas Martin auch Prof. Dr. Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany, Prof. Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule, Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau, Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und Vizepräsident der Jade Hochschule sowie Ingo Hannemann, Technischer Geschäftsführer von Hamburg Wasser.

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Fachsimpeln: Thomas Preuss von der Firma Ontras Gastransport (links) ist Anwender der Maschinen von kempe Apparate- und Maschinenbau und nutze die Gelegenheit zum Gespräch mit Theo Patakakis am Stand des Unternehmens kempe.

"Das Leitthema des 33. Oldenburger Rohrleitungsforums ist brandaktuell, hinterfragt es doch die langfristigen Auswirkungen der Wetterentwicklung in Mitteleuropa auf unsere Infrastruktur", so Prof. Thomas Wegener. Extreme Wetterlagen werden häufiger, warnte Klimawissenschaftlerin Prof. Dr. Jacob. Das habe Auswirkungen auch auf Rohrleitungssysteme. Städtische Entwässerungskanalnetze seien in der Regel nicht auf so große Abflussmengen ausgelegt, wie sie bei Starkregen anfallen. Überflutungen seien die Folge. Und während längerer Hitzeperioden könne die Trinkwassertemperatur in den Leitungen deutlich ansteigen. Zudem entstünden in langanhaltenden Trockenperioden mehr Kanalsedimente. "Mögliche Folgen dieser Ablagerungen sind eine verminderte hydraulische Leistungsfähigkeit des Abwasserkanals, die Entstehung von Korrosion bei zementgebundenen Kanalrohrmaterialien und Frachtstoßbelastungen für nachgeschaltete Abwasserbehandlungsanlagen", erläutert sie.Es brauche Innovationen, um den Klimawandel einzudämmen, fordert Prof. Dr. Jacob. Nach dem Sonderbericht des Intergovernmental Panel On Climate Change (IPCC), an dem sie beteiligt war, wird es nur bei einer Beschränkung der Erderwärmung um 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau möglich sein, Menschen vor Extremwetterlagen wie Sturm- und Wasserkatastrophen sowie Dürre- und Trockenheitsszenarien zu schützen. Zum Erreichen dieses Zieles, aber auch für die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen sei deutsche Intelligenz gefragt – und mehr Mut, sagt sie.Ver- und Entsorgungsbetriebe sollten sich frühzeitig auf Veränderungen durch den Klimawandel einstellen, rät auch Prof. Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule. Netze sollten aus- und umgebaut und ihr Betrieb optimiert werden. Durch die zunehmende Vernetzung von Verbundsystemen könnten lokale Überlastungen des Netzes besser abgepuffert werden. Die Digitalisierung könne helfen, solche Netzwerke optimal zu steuern. "Wir könnten ruhig kreativer und offener für Lösungen sein", meint auch er. In den Niederlanden, wo große Gebiete unter dem Meeresspiegel liegen, sei der Druck noch größer als hierzulande, Lösungen zu finden. Dort würde mehr ausprobiert.Als eines der größten Hindernisse dabei sieht Prof. Dr. Jacobs die Vielzahl von Gesetzen und deren Verflechtungen in Deutschland. Sie kritisiert z. B. Vorschriften zur Barrierefreiheit, die teilweise dem Einbau von Bordsteinen mit integrierten Regenrinnen, die Wasser zurückhalten können, entgegenstehen. Doch die Änderung oder Abschaffung von Vorschriften sei zu teuer, erhalte sie oft als Antwort auf entsprechende Anregungen. Der Grund: Zuvor müssten Juristen erst Szenarien ausarbeiten, was die Abschaffung der Regel für Folgen haben würde. "Es gibt viele gute Ideen, die nicht in die Breite kommen", bedauert sie.

Oldenburger Rohrleitungsforum
Werner Schneid (Bildmitte) und Markus Kauling (re.) waren für die Firma mall Umweltsysteme vor Ort.

Trotz solcher Hindernisse gibt es aber auch in Deutschland interessante Projekte, von denen Ingo Hannemann, Technischer Geschäftsführer von Hamburgs kommunalem Trinkwasserversorger und Abwasserentsorger Hamburg Wasser, einige aus Hamburg vorstellte. So berücksichtige das Entwässerungskonzept des neuen Stadtteils Oberbillwerder Starkregenereignisse mit einer 100-jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit – ohne dass Regenwasser in die Kanalisation eingeleitet werde.Ein anderes Konzept wird bei einem Gebiet für 835 Wohnungen eingesetzt, das im Hamburger Stadteil Wandsbek unter dem Namen "Jenfelder Au" entsteht. Unter dem Titel "Hamburg Water Cycle" wird in der Stadt eine Kombination aus Abwasserbeseitigung und Energieerzeugung umgesetzt. Toilettenabwasser (Schwarzwasser) und sonstiges häusliches Abwasser (Grauwasser) werden getrennt voneinander abgeleitet. Das Schwarzwasser wird mit Vakuumtoiletten konzentriert erfasst und in einer Biogasanlage gemeinsam mit weiteren organischen Abfällen behandelt. Das produzierte Biogas wird in einem Block-Heizkraftwerk in Elektrizität und Wärme umgewandelt. Grauwasser aus Dusche oder Waschmaschine kann, da es nicht gemeinsam mit Schwarzwasser abgeleitet wird, energieschonender gereinigt und dann in die Umwelt zurückgeführt werden. Auch eine Nutzung als Brauchwasser ist möglich. Das Regenwasser schließlich soll nicht in die Kanalisation fließen, sondern durch offene Gerinne, Bachläufe und Kaskaden in Rückhaltebecken, die Teichen ähneln. Diese bieten bei Starkregenfällen Speicherpotenzial. Des weiteren habe Hamburg Wasser das Netz zu großen Teilen ausgebaut, sagt Hannemann. Seit den 1980er-Jahren seien für 670 Mio. Euro Rückhaltebecken, Sammler, Speichersiele und Transportsiele ergänzt worden. Mischwasserüberläufe hätten seitdem erheblich reduziert werden können. Für die Projekte sei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig, erläutert Hannemann. Denn für Rückhaltespeicher braucht man Grünflächen – und Fläche ist in einer Großstadt begehrt. In Hamburg hat Hamburg Wasser entsprechende Ansätze daher gemeinsam mit der früheren Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in einem Projekt namens RISA (RegenInfraStrukturAnpassung) initiiert. Vertreter von Politik und Gesellschaft, Wissenschaftler vieler Fachrichtungen, Stadtplaner und Netzbetreiber müssen an einem Strang ziehen, um den Herausforderungen begegnen zu können, zieht denn auch Thomas Martin ein Fazit des Rohrleitungsforums. Dies sei Voraussetzung dafür, sich auf die unterschiedlichen Szenarien vorzubereiten. Vorträge und Diskussionen auf dem Oldenburger Rohrleitungsforum hätten viele Impulse geliefert, wie mögliche interdisziplinäre Lösungen aussehen könnten.

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