Rechteck

Das Anordnungsrecht des Bauherrn – ein gut gemeintes Rechtsinstitut

von:

Rechtsanwalt Prof. Dr.Ulrich Rommelfanger

Rechteck Recht und Normen

Darum geht´s: Bereits in der Ausgabe vom 21.07.2017 hatte an gleicher StelleJohannes Jochem sowohl die neugeschaffene Möglichkeit, einen Bauvertrag zukünftig einseitig ändern zu können, als auch den gegenwärtigen Rechtszustand davor erläutert. In der Tat ist das so genannte Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650 b BGB n.F. ein "Kernstück" der Neuregelung zum Bauvertragsrecht. Es sei deshalb im Folgenden noch tiefergehend beleuchtet.

Bedeutung für die Praxis:

1. Nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmung des mit "Bauvertrag" überschriebenen Kapitels 2 der Normierungen setzt das Anordnungsrecht begrifflich einen wirksamen Bauvertrag (a), den Änderungswunsch des Bestellers (b) sowie – für den Fall, dass Besteller und Unternehmer sich nicht einigen können (c), das Abwarten einer Frist von 30 Tagen nach in Textform angegebener schriftlicher Anordnung (d) voraus.

a) Ausgehend von der Legaldefinition in § 650 a Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB n. F. muss es sich grundsätzlich um ein Bauvertrag handeln. Ob das Anordnungsrecht auch für Verbraucherbauverträge gemäß § 650 i BGB n. F. gilt, hängt davon ab, ob die Herstellung, Wiederherstellung, die Beseitigung oder der Umbau eines Bauwerks einer Außenanlage oder eines Teils davon geschuldet ist; für Architekten- und Ingenieurverträge gilt es gemäß § 650 q BGB n. F. ebenfalls, nicht aber für Bauträgerverträge (vgl. § 650 u. Abs. 2 BGB n. F.) oder sonstigen, gewissermaßen "einfachen" Werkverträgen mit nur Bauwerkbezug (dazu BR–Drs., 123/16, S. 55) ohne dass es zu substantiellen baulichen Arbeiten kommt (die Wirksamkeit des Vertrages seinerseits richtet sich nach allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen).

b) Notwendigerweise muss sich der Besteller zusätzlich gegenüber dem Unternehmer unmissverständlich dahingehend äußern, dass er entweder den vereinbarten Werkerfolg oder nur die hierzu vereinbarten Leistungen ändern will (s. dazu die Differenzierung in § 650 b Abs. 1 S. 1, Nr. 1 und Nr. 2 BGB n. F.). Dazu, ob dem Anordnungsrecht "auch Änderungen zur Bauzeit bzw. anderen Bauumständen" unterfallen, äußern sich die § 650 a ff. BGB n. F. nicht (die Frage ist streitig und durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden; ein reiner Umkehrschluss aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens bzw. des Abgleichs des Referentenentwurfs zum Vorschlag des federführenden Ausschusses, wird der Thematik nicht gerecht ).

c) Erst wenn sich die Vertragsparteien über die gewünschten Änderungen und die dafür zu leistende Mehr- oder Mindervergütung nicht "binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens" einigen können, kommt die Anordnung gemäß § 650 b Abs. 2 BGB n. F. und danach in der Folge die Vergütungsanpassung gemäß § 650 c BGB n. F. zum Zuge. Dem Unternehmer muss allerdings "die Ausfüh-rung der Änderung zumutbar" sein,s. § 650 b Abs. 1 S. 2 BGB n. F. Der Gesetzgeber ist der Auffassung, dass die Schwelle für die Unzumutbarkeit einer Anordnung "unterhalb des allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wegen Unzumutbarkeit, § 275 Abs. 2 u. Abs. 3 BGB liegen soll" (BR-Drs., a. a. O., S. 57).

d) Unter formalen Aspekten muss es sich bei der Anordnung gemäß § 650 b Abs. 2 BGB n. F. um eine Änderungsanordnung in Textform handeln.

Mündliche Anordnungen sind also unerheblich. Die Anordnung ihrerseits muss "binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Un-terzeichner" erfolgen, § 650 b Abs. 2, S. 1 BGB n. F.).

2. Die Frage der Vergütungsanpassung bei einer erfolgten Anordnung, insbesondere nach § 650 b Abs. 2 BGB n. F. (also für den Fall fehlender Einigung), richtet sich nach § 650 c BGB n. F. Insoweit sei erneut verwiesen auf den bereits zuvor zitierten Beitrag von Johannes Jochem in dieser Zeitung.

3. Waren bislang einstweilige Verfügungen in diesem Teil des Baurechts eher selten, dürfte sich diese Praxis zukünftig ändern. Durch § 650 b BGB n. F. wird der Erlass Einstweiliger Verfügungen in Fällen des § 650 b BGB n. F. jetzt erleichtert.

Zukünftig ist es nach Beginn der Bauausführung nicht mehr erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird. Explizit enthebt die Norm den Antragsteller von einer Darlegung eines Verfügungsgrundes, der vielmehr widerlegbar vermutet wird, nicht aber von der Darlegung bzw. Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs.

Ob, wie teilweise behauptet wird, auch das Kriterium des Ausschlusses jeglicher Vorwegnahme der Hauptsache entfällt, muss bezweifelt werden. Der "Run" in das Einstweilige Verfügungsverfahren dürfte diesen Rechtsbehelf ansonsten schon bald zum Regelverfahren werden lassen, was den Grundgedanken des (nur) vorläufi-gen Rechtsschutzes ad absurdum führen wür-de. Im Gesetzentwurf und der Begründung fehlt dazu im Übrigen jeder Hin-weis darauf. Unklar bleibt auch, wieso in§ 650 q Abs. 1 n. F. nicht auf die Vorschrift des §650 n. F. Bezug genommen wurde; soll die einstweilige Verfügung etwa bei Anordnungen und Vergütungsproblemen in Architekten -und Ingenieurverträgen nicht möglich sein oder liegt nur ein Redaktionsversehen vor?

Letztlich scheint uns insgesamt die Prognose von Scholtissek richtig zu sein, der zum Anordnungsrecht kürzlich vom "gut gemeinten, aber konfliktträchtigen Bauherrnrecht" sprach (F.A.Z. vom 26.05.2017, S. 13).

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB, Wiesbaden.

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