Bauindustriepräsident

Erfolgreiche Energiewende braucht einen Masterplan

Baupolitik
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Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes NRW, Beate Wiemann, und Verbandspräsident Martin Schlegel fordern mehr Geld nicht nur für die Instandhaltung, sondern auch für den Ausbau des Straßennetzes.

Nordrhein-Westfalen (NRW) als größtes Bundesland nimmt auch in der Baubranche eine bedeutende Rolle ein. Immerhin zählt die NRW-Bauwirtschaft zu den vier wichtigsten Wirtschaftszweigen. Über die Entwick-lung der Branche sprach Rainer Oschütz, Chefredakteur der Allgemeinen Bauzeitung, mit der Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes NRW, Beate Wiemann, und dem Verbandspräsidenten Martin Schlegel.ABZ: Frau Wiemann und Herr Schlegel, für Nordrhein-Westfalen ist der Ausbau und die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur eine der wichtigsten Aufgaben für die Bauwirtschaft. Wie sehen Sie die gegenwärtige Situation?Wiemann: Wir haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit der Landesregierung über die so wichtigen Verkehrsadern geführt. Die anfängliche Meinung der rot-grünen Regierung, dass Landes-, Bundes- sowie Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen nur noch erhalten und eine Neu- und Ausbauplanung gestoppt werden soll, hat sich geändert. Die Landesregierung hat die Notwendigkeit erkannt, dass es dringend erforderlich ist, für eine florierende Wirtschaft in NRW die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen und Geld nicht nur in die Erhaltung, sondern auch in den Ausbau unserer Straßen zu investieren, was von Fall zu Fall entschieden werden soll. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch der Ausbau der Bundes- und Bundesfernstraßen vorangetrieben werden muss.Schlegel: Das ist wichtig für unser Land. Bund, Länder und Kommunen sitzen hier in einem Boot. Fest steht, wegen knapper Finanzmittel ist seit Jahren schon ein bedarfsgerechter Erhalt und Ausbau des Bundesverkehrsnetzes nicht mehr möglich. Wir fahren bereits auf Verschleiß und nicht mehr auf Bestand. Nach ADAC-Angaben entfällt mehr als ein Drittel aller gemeldeten Staus auf Nordrhein-Westfalen – ein trauriger Rekord. Bis 2025 wird die Länge chronisch belasteter Autobahnabschnitte von 1600 auf mehr als 2000 Kilometer ansteigen, das ist eine Luftlinie von Düsseldorf nach Gibraltar.Wiemann: In den Gesprächen mit der Landesregierung wurde deutlich, dass NRW als Transitbundesland und damit als wichtige logistische Drehscheibe für den Güterverkehr quer durch Europa nicht zum "Stauland Nummer Eins" verkommen darf. Ich bin sicher, dass unsere Landesregierung diese Gefahr erkannt hat. Jetzt müssen entsprechende Taten folgen. Auch ideologische Vorbehalte gegenüber dem Individualverkehr sind fehl am Platz. Bisher wurde schlichtweg ignoriert, dass im Jahr drei Milliarden Liter Kraftstoff staubedingt nutzlos im Leerlauf die Atmosphäre verpesten. Allein schon unter dem Aspekt des Klimaschutzes besteht hier dringender Handlungsbedarf. Die parallel hierzu propagierte Verlagerung eines Teils des Verkehrs auf die Schiene oder die Abgasreduzierung und -vermeidung können immer nur ein Teil der Problemlösung sein. Deshalb bleibt der weitere, bedarfsgerechte Ausbau des Bundesfern- und Landestraßennetzes immer eine unverzichtbare Teiloption.ABZ: Ein besonderer Sanierungsschwerpunkt in NRW sind die Brücken. Wie ist hier der aktuelle Stand?Wiemann: Unser Verband weist seit Jahren darauf hin, dass dafür dringend Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Immerhin müssen 300 Brückenbauwerke an Autobahnen und Bundesstraßen schnellstens saniert werden. 7000 folgen in den kommenden Jahren. Hierfür sind in den nächsten zehn Jahren 3,5 Milliarden Euro erforderlich.ABZ: Welche Lösungswege sehen Sie?Schlegel: Leider müssen wir als Verband und Unternehmer feststellen, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel bei weitem nicht ausreichen, um diese von uns angesprochenen Probleme zu lösen. Allein für die Brückensanierung wäre bundesweit ein neuer Etat dringend notwendig. Über den normalen Verkehrshaushalt lassen sich die notwendigen Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen nicht realisieren.Öffentlich-Private-Partnerschaften wären eine alternative Projekt-Finanzierungsform, die vorurteilsfrei diskutiert werden sollte. ÖPP allein wird dieser enormen Aufgabe nicht gerecht. Sie kann immer nur eine Alternative sein. Wichtig ist vor allem, dass alle Mauteinnahmen künftig in den Straßenbau fließen.

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Die Bauindustrie NRW hat eigene Bildungszentren, in denen der Fachkräftenachwuchs gefördert wird. Fotos: Verband

ABZ: Der Wohnungsbau hat bundesweit wieder zugelegt. Dabei geht es nicht nur um Neubau, sondern auch Bauen im Bestand. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Baubranche in NRW?Schlegel: Die demografische Entwicklung spielt dabei eine wichtige Rolle. So werden nach den Prognosen im Jahr 2050 nur noch 54 Millionen Menschen in Deutschland leben. Das bedeutet für die Baubranche Risiken und Chancen zugleich. So werden immer mehr Menschen an der Peripherie der Städte leben. Gegenwärtig sind es bereits 75 Prozent der Gesamtbevölkerung. Hier steckt ein enormes Potenzial an Aufgaben für die Bauunternehmen. Es geht um Wohnraumverkleinerung. Weitere Themen sind Revitalisierung, Umnutzung, Ergänzung in bestehenden Gebäuden und das Füllen von Baulücken in den Städten. Auch Abriss statt Sanierung von alten Häusern wird künftig ein Thema sein. Der Gebäudebestand in und am Rande der Städte – auch die wenig geschätzten Gebäude der Nachkriegsmoderne – muss als wichtige energetische, kulturelle, soziale und architektonische Ressource für die Gestaltung unserer Zukunft erkannt werden. Dafür müssen die notwendigen Fördermittel von Bund, Ländern und Kommunen ausreichend und effektiver zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, auch die Quote für sozial geförderten Wohnraum zu erhöhen. Denn gerade in unseren Großstädten muss Wohnraum bezahlbar bleiben.Wiemann: Leider haben Bundesregierung und Länder die Förderung der energetischen Sanierung Ende des vergangenen Jahres nicht hinbekommen, um auch für den Hauseigentümer einen steuerlichen Anreiz zu schaffen. Immerhin entfallen 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf den Gebäudebestand. Daraus lässt sich durchaus ableiten, dass die Energiewende nicht so schnell vollzogen werden kann wie angedacht. So lag im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre die Sanierungsquote unter einem Prozent. Von der Bundesregierung ist jedoch eine Sanierungsquote von jährlich zwei Prozent geplant. Schlegel: Ohne entsprechende Investitionsanreize ist die Energiewende nicht umsetzbar. Das erfordert nun einmal Zuschüsse, Finanzierungsbeihilfen und auch zinsgünstige Kredite. Dazu gehören auch Abschreibungen von nicht nur zwei, sondern vier bis fünf Prozent, die sind überschaubar auch für den Lebenszyklus eines Gebäudes. Wiemann: Auch das Mietrecht sollte geändert werden. Es darf nicht sein, dass der Mieter bei Sanierungsarbeiten die Miete ändern kann, nur weil er Einschränkungen hinnehmen muss. Letztendlich profitiert er ja von den gemachten Arbeiten. Es müssen Anreize geschaffen werden, so dass die Eigentümer von Immobilien dann auch in die energetische Sanierung investieren.ABZ: Ohne die Bauindustrie ist eine Energiewende nicht zu schaffen. Die Branche entwickelt sich dabei immer mehr zur Umweltschutzindustrie. Würden Sie dem zustimmen?Schlegel: Das kann man so sehen. Jedenfalls glaube ich für die gesamte Baubranche zu sprechen, dass wir mit unserem Know-how für eine Energiewende bereit stehen. Was uns jedoch fehlt, ist ein Masterplan. Denn jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, braucht Planungssicherheit. Das betrifft den Endverbraucher genauso wie die Bauindustrie. Leider erkennt man das bisher noch nicht so richtig in der Politik. Es ist dringend notwendig, einen Masterplan zu schaffen, nach dem die Energiewende ablaufen soll. Bisher ist alles noch recht unstrukturiert. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Wie erzeugen wir künftig Energie? Wie kommt sie zum Verbraucher? Wie kann Energie gespeichert werden? Und nicht zuletzt die Frage: Wie erzeuge ich Energie in der Übergangszeit?ABZ: Worin sehen Sie künftig die Hauptmitwirkung für die Baubranche?Schlegel: Zu unserem Know-how gehört als eine nicht unwesentliche Komponente der Kraftwerksbau. Angesichts der diskontinuierlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist künftig der Bau von konventionellen Gas- und Kohlekraftwerken notwendig. Gleichzeitig sind erhebliche Investitionen in den Neu- und Ausbau fossiler Kraftwerke erforderlich. Als Puffer für schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien müssen Gasspeicherwerke und Pumpspeicherkraftwerke neu entstehen. Ebenso gehört es zu den Baumaßnahmen, den Stromtransport von den Erzeugern im Norden zu den Verbrauchern im Süden Deutschlands zu sichern.ABZ: Die Bauindustrie in Nordrhein-Westfalen steht für eine beispielhafte Ausbildung vom Facharbeiter bis zum Bauingenieur. Wie hat sich das in den vergangenen Jahren entwickelt?Wiemann: Die Bauindustrie NRW hat eigene Bildungszentren, in denen der Fachkräftenachwuchs gefördert wird. Das ist ein etabliertes System mit hochwertigen überbetrieblichen Lehrgängen für Auszubildende und Angebote für die Fort- und Weiterbildung. In den letzten zehn Jahren haben wir zudem weitere vorbildliche Konzepte entwickelt, um gute Fach- und Führungskräfte aufzubauen. Dazu gehören duale Studiengänge, das erste private Berufskolleg der Bauwirtschaft und ein Tagungs- und Seminarhotel gehobenen Anspruchs.Zurzeit entwickeln wir gemeinsam mit der FH Münster einen neuen Studiengang für die besonderen Anforderungen auf der Baustelle, den Bachelor Baustellenmanagement. Ab dem Wintersemester 2013 geht es los. Interessenten an diesem berufsbegleitenden Studium können sich jetzt schon bei unserem Berufsförderungswerk informieren.

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