HDB- Hauptgeschäftsführer: Michael Knipper

Stopp der Ausschreibungen bringen Straßenbauer in Bedrängnis

Baupolitik
Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie: " Für uns gilt, dass wir als Bauverbände künftig mit einer starken Stimme die Interessen der Bauwirtschaft vertreten." Foto: Bauindustrie

Das Versprechen der schwarz-roten Koalition, die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland auszubauen und zu modernisieren, spiegelt sich im jüngsten Entwurf des Bundeshaushaltes nicht mehr in vollem Umfang wider. Dazu gab Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), dem Chefredakteur der Allgemeinen Bauzeitung (ABZ), Rainer Oschütz, und ABZ-Redakteurin Ebba Stoffregen ein Interview.

ABZ: Herr Knipper, Sie haben kürzlich die voraussichtlich erst für Mitte Juli angesetzte Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2014 und den deutlichen Rückgang der Straßenbauinvestitionen scharf kritisiert. Nimmt die schwarz-rote Bundesregierung ihren eigenen Koalitionsvertrag und damit ihr Wahlversprechen nicht mehr ernst?

Knipper: Den Eindruck könnte man gegenwärtig haben. Tatsächlich ist es uns noch nie so gut gelungen, das Thema Infrastruktur in die Köpfe der Politik und in die Medien zu bringen wie im vergangenen Jahr vor der Bundestagswahl. Es wurde noch nie soviel geschrieben, wie marode unsere Infrastruktur ist. Wir hatten Signale von allen Parteien, dass man künftig mehr für intakte Verkehrswege tun würde. In den Koalitionsverhandlungen sicherte man uns deshalb 11 Mrd. Euro zu. Damit hatten wir in der letzten Legislatur erreicht, dass nicht nur die Verkehrspolitiker die Dringlichkeit von Infrastruktur so prioritär bewertet haben, sondern auch die Finanzpolitiker und nicht zuletzt der Bundesfinanzminister – das gab es noch nie.

ABZ: Was passierte dann?

Knipper: Leider kam dann für die Bauwirtschaft die "Nacht der langen Messer". Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stellte fest, dass man einen verfassungswidrigen Landeshaushalt habe. Für Themen wie Hochschulförderung, Bildung oder Forschung fehlten die entsprechenden Finanzen. Kraft forderte dann den Bund auf zu helfen. Das war der Anstoß für die anderen Bundesländer ebenfalls einen "Schluck aus der Pulle" für die Sanierung der Landeshaushalte einzufordern. Deshalb wurden 6 Mrd. Euro, die zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur vorgesehen waren, wieder gekürzt – für die Bauindustrie eine große Enttäuschung. Bei der dramatischen Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist dies ein völlig falsches Signal. Dann kam der nächste Schock. Dadurch, dass der Bundeshaushalt für das laufende Jahr erst im Sommer beschlossen wird, hat der Bund nur zusätzlich 500 Mio. Euro für die Verkehrswege bereitgestellt, davon gehen noch 60 Mio. Euro für die Bundeswasserstraßen wie für die neue Schleuse Brunsbüttel weg, wofür ich Verständnis habe. Wenn ich das Ist vergleiche, so hatten wir im vergangenen Jahr 5,425 Mrd. Euro an Investitionen und 2014 werden wir nur 5,091 Mrd. bekommen. Von einer angemessenen Dotierung der Straßenbauinvestitionen sind wir meilenweit entfernt. Es wird viel zu wenig gegen die marode Infrastruktur getan. Ich muss es so hart sagen, die Kapitalvernichtung geht leider weiter.

ABZ: Das Jahr 2014 ist mit vollen Auftragsbüchern und bedingt durch den milden Bauwinter für die meisten Bauunternehmen sehr gut gestartet. Jedoch befürchten viele Firmen durch die unklare Haushaltslage einen Auftragseinbruch für das zweite Halbjahr. Welchen Ausweg sehen Sie aus diesem Dilemma?

Knipper: Solange die Große Koalition keinen Haushalt beschließt, dürfen keine neuen Projekte in Auftrag gegeben werden. Deshalb müssen alle Bundesländer aufgefordert werden, Vergaben für alle Arten von Sanierungs-, Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen an Bundesfernstraßen durchzuführen, auf die im laufenden Jahr drei Viertel der geplanten Ausgaben entfallen sollen. Dieses ist haushaltsrechtlich zulässig und möglich, wird aber in einigen Bundesländern leider so nicht praktiziert. Zum anderen haben die Bundesländer die Möglichkeit Bauten fortzusetzen, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Verpflichtungsermächtigungen bewilligt worden sind. Dies dürfte gerade bei länger laufenden Neubau- und Ausbaumaßnahmen der Fall sein. Darauf haben wir als Hauptverband der Bauindustrie die verantwortlichen Politiker hingewiesen. Für mich erscheint es fast schon wie ein Ritual, dass die Auftragsvergabestellen der Länder wie Straßenbauämter erst arbeiten, wenn der Haushalt verabschiedet ist. So z. B. in Brandenburg, dort waren die Ausschreibungen im Februar um fast 70 % geringer als im vergangenen Jahr, in Bayern 53 %. Große Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verzeichneten ein Minus von 30 %.

ABZ: Ist die Bauindustrie mit dem gegenwärtigen Mautsystem auf den deutschen Autobahnen zufrieden?

Knipper: Mit der Lkw-Maut hat man von Anfang an viel zu viel gewollt und den Fehler begangen, Umweltziele zu koppeln – schadstoffarme Lkw wurden viel zu hoch rabattiert. Aktuell ergeben sich Änderungen bei der Kalkulationsgrundlage für die Mautsätze – und in die Staatskasse dürfte spürbar weniger Geld fließen als erhofft. Um schrumpfende Einnahmen wenigstens teilweise auszugleichen, will nach meiner Kenntnis Verkehrsminister Alexander Dobrindt an anderer Stelle mehr Geld herein-holen. Bis zum 1. Juli 2015 sollen weitere 1000 km Bundesstraße mautpflichtig werden, die ähnlich gut wie die Autobahnen ausgebaut sind.

Erwartete Mehreinnahmen bis 2017: 500 Mio. Nutzungsgebühr zahlen sollen zudem nicht mehr allein schwere Lkw ab 12 t, sondern auch schon kleinere ab 7,5 t. Erwartete Mehreinnahmen bis 2017: 200 Mio. Beide Maßnahmen reichten mit zusammen 700 Mio. Euro also nicht aus, um die Zwei-Milliarden-Euro-Lücke zu schließen. Wie mir versichert wurde, sind die von der Koalition für diese Wahlperiode fest versprochenen 5 Mrd. Euro extra für die Verkehrswege nicht in Gefahr. Dobrindt und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben sich verständigt, dass alles, was nicht mit weiteren Mehreinnahmen aufgebracht werden kann, aus dem allgemeinen Haushalt gedeckt wird. Unsere Forderung ist, dass alle Mauteinnahmen zweckgebunden den Verkehrsinvestitionen zugute kommen.

ABZ: "Marode Brücken warten nicht, bis die Politik den Ernst der Lage erkannt hat". Ist sich die Große Koalition ihrer verkehrspolitischen Verantwortung nicht mehr bewusst?

Knipper: In den vergangenen zwei Jahren ist das Thema Infrastruktur so stark in das Bewusstsein der Menschen gerückt, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Es gibt Initiativen der großen Verkehrsunternehmen, damit Deutschland vorn bleibt. Auch Journalisten haben immer öfters das Thema auf ihrer Agenda. Mittlerweile ist es auch in den Köpfen der politisch Verantwortlichen angekommen. Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel erkennt zunehmend, dass man in Deutschland in die Realwirtschaft investieren muss, um die Binnenkonjunktur zu stabilisieren und damit Arbeitsplätze zu sichern. Für uns gilt, dass wir als Bauverbände künftig mit einer starken Stimme die Interessen der Bauwirtschaft vertreten.

Wir haben kleine, mittlere und große Firmen. Es gibt die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle. Deshalb müssen wir endlich die Kraft aufbringen aus einem gemeinsamen "Haus der Bauwirtschaft" heraus nach außen zu artikulieren und zu zeigen: Hier ist ein ganz zentraler Sektor, der 10 % des Bruttoinlandsproduktes generiert und auch faire, vernünftige Regeln braucht. Betrachtet man die Große Koalition, so ist es schade, dass man ein funktionierendes Ministerium Bauen zerschlagen und neue Strukturen nur aus politischen Gründen geschaffen hat. Wir hoffen, dass wir mit dem neuen von uns geforderten Staatssekretär Gunther Adler, der nach Ostern sein Amt antritt, wieder einen Ansprechpartner auf Augenhöhe bekommen, der die Interessen der Bauwirtschaft vertritt.

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