Innovative Lösung

Stahlbetonfertigteile für Hochwasserschutzanlage installiert

Mietingen (ABZ). – Im Zeitraum von 2002 bis 2019 gab es in Deutschland 63,9 Starkregenereignisse pro 1000 km². Dabei entstanden an etwa 83 pro 1000 Wohngebäuden Schäden durch Starkregen. Bei den Bundesländern liegen Berlin und Sachsen mit 143,9 beziehungsweise 137,7 Schäden pro 1000 Wohngebäuden deutlich über dem Bundesdurchschnitt, während Baden-Württemberg die meisten Starkregenereignisse pro 1000 km² aufweist.
Betonfertigteile
Wegen der besonderen geologischen Verhältnisse wurde das komplette Bauwerk auf einer Pfahlgründung errichtet. Hierfür wurden die neun Elemente auf einer 30 cm starken Fertigteilplatte montiert. Foto: Baumeister Fritz Schwall Bauunternehmung

Planer im "Ländle" sehen sich daher in der Verantwortung, insbesondere in der Nähe von Gewässern, Hochwasserschutzmaßnahmen durchzuführen. Neben Dämmen werden häufig Regenrückhaltebecken errichtet, die bei Starkregen große Niederschlagsmengen aufnehmen können und diese dann gedrosselt in nahe liegende Gewässer abgeben können. Ein gutes Beispiel für eine innovative Hochwasserschutzanlage wurde im Frühjahr 2023 in der Gemeinde Mietingen im Landkreis Biberach aus Betonfertigteilen der Firma Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG errichtet.

In den vergangenen Jahren kam es infolge von Starkregenereignissen im Landkreis Biberach an vielen Gewässern immer wieder zu Hochwasser. Insbesondere in der Gemeinde Mietingen erlangt der normalerweise kaum 1 m breite "Aufhofer Bach" bei Starkregen durchaus kurzzeitig eine Breite von bis zu 30 m. Aus diesem Grund entschied sich die Gemeinde für den Ortsteil Aufhofen zu umfassenden Hochwasserschutzmaßnahmen am südwestlichen Ortsrand. Projektiert wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem Ingenieurbüro RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH aus Ummendorf und dem Betonwerk Rinninger ein Hochwasserrückhaltebecken mit einem circa 125 m langen und bis zu 5,5 m hohen Dammbauwerk mit einem integrierten Auslassbauwerk und einer überströmbaren Hochwasserentlastungsanlage.

Diese Anlage schließt den natürlichen Talraum ab. Durch die Realisierung des überströmbaren Damms ohne Freibord und flachen sich in die Umgebung gut einbindenden Böschungen konnte die Dammhöhe reduziert werden. Uwe Sturm von der Bauunternehmung Fritz Schwall aus Laupheim erläutert die Maßnahme: "Bei dem Auslassbauwerk handelt es sich um ein Stahlbetonbauwerk, in dem der Grund- und Betriebsauslass der Hochwasserschutzanlage angeordnet sind.

Das Bauwerk hat eine Länge von circa 11 m und eine Breite von circa 2,55 m. Durch die parallel zur Böschung geplanten Seitenwände, fügt sich das Bauwerk optisch in den Damm ein. Teil des Auslassbauwerks ist die erste Hochwasserentlastungsstufe in der Form eines Schachtes. Bei Erreichen eines Rückhaltevolumens von 67.000 m³ auf der Höhe von zv = 534,80 müNN kann weiter zufließendes Wasser zunächst über den Schacht zusammen mit dem Drosselabfluss abgeleitet werden. Für die Ableitung des Wassers wurde eine durch den Dammkörper geführte Ablaufleitung DN800 mit einer Länge von circa 18,5 m vorgesehen. Der Schacht hat eine lichte Breite von circa 2 m und eine lichte Länge von circa 1 m.

Die Dimensionen der Bauteile sind schon gewaltig. Die einzelnen Elemente wiegen bis zu 41,5 Tonnen und weisen auch keine Standard-Geometrien auf.

Niels Ullrich, Planungsbüro RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH

Betonfertigteile
Die Hochwasserentlastung des Rückhaltebeckens erfolgt in zwei Stufen. Nach Erreichen des Vollstaus bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis, springt die erste Entlastung am Auslassbauwerk über den rückwärtigen Schacht an. Foto: Hans Rinninger u. Sohn

Zum Einstieg in den Schacht ist die Öffnung mit einem aufklappbaren Gitterrost sowie einer Sicherheitssteigleiter mit Fallschutzschiene versehen", so Sturm. Für die Drosselung des Abflusses befindet sich im Bauwerk ein Abflussbegrenzer DN 500. Dieser mechanische, schwimmergesteuerte Schieber regelt den Abfluss aus dem Hochwasserrückhaltebecken, gemäß den hydrologischen und hydraulischen Bemessungen, auf einen konstanten Abfluss von 0,5 m³/s. Zusätzlich wird das Ablaufbauwerk mit einem Notentleerungsschieber DN250 an der vorderen Stauwand und einen Notverschlussschieber DN800 an der hinteren Stauwand des Schachtes ausgestattet. Über die gesamte Öffnungslänge des Bauwerks wurde ein Rechenrost mit einem Stababstand von 12 cm angebracht. Die Rechenfläche beträgt circa 22 m². Der Rechen wurde im unteren Bereich als Eintritt in das Auslassbauwerk, sowie im oberen Bereich zur Montage und Wartung des Abflussbegrenzers aufklappbar ausgebildet.

Was passiert nun bei Starkregen? Hierzu Uwe Sturm: "Die Hochwasserentlastung des Rückhaltebeckens erfolgt in zwei Stufen. Nach Erreichen des Vollstaus ZV = 534,80 müNN bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis, springt die erste Entlastung am Auslassbauwerk über den rückwärtigen Schacht an. Ab einer Einstauhöhe von 534,90 müNN, erfolgt dann die planmäßige Entlastung über die 25 Meter breite Dammscharte der Hochwasserentlastungsanlage im südöstlichen Teil des Dammbauwerks. Insbesondere im Falle einer Überströmung, muss die Hochwasserentlastungsanlage ausreichend sicher ausgebildet sein, sodass es infolge von auftretenden, hohen Fließgeschwindigkeiten zu keiner Zeit zu einer Gefährdung der Gesamtdammstandsicherheit infolge von Erosion kommt. Deshalb wurde ein festintegrierter Betonsporn angeordnet, der eine gleichmäßige Überlaufschwelle und somit gleichmäßige hydraulische Belastung der luftseitigen Dammböschung sicherstellt. Der Betonsporn erhält eine Aussparung in der Oberkante, in die ein Rabattenstein in Splitt eingestellt wird. Bei eintretenden späteren Dammsetzungen kann dieser nachträglich nachjustiert werden", so Sturm.

Betonfertigteile
Im Frühjahr 2023 wurde in der Gemeinde Mietingen im Landkreis Biberach eine innovative Hochwasserschutzanlage aus Betonfertigteilen der Firma Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG errichtet. Foto: Hans Rinninger u. Sohn

Die Betonfertigteile aus dem Betonwerk Rinninger, aus denen sich das Bauwerk zusammensetzt, sind in vielerlei Hinsicht besonders: Hierzu Niels Ullrich vom Planungsbüro RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH aus Ummendorf: "Die Dimensionen der Bauteile sind schon gewaltig. Die einzelnen Elemente wiegen bis zu 41,5 Tonnen und weisen auch keine Standard-Geometrien auf. Wegen der besonderen geologischen Verhältnisse wurde das komplette Bauwerk auf einer Pfahlgründung errichtet. Hierfür wurden die neun Elemente auf einer 30 Zentimeter starken Fertigteilplatte montiert", so Ullrich.

Geschäftsführender Gesellschafter Jörg Rinninger zu den Besonderheiten des Projektes: "Wir haben hier eine perfekte, quasi schlüsselfertige Fertigteillösung mit allen Einbauteilen (Stahlkonstruktion, Träger, Einlaufrechen, Abflussdrosselung) bis zum kleinsten Detail geliefert. Sämtliche Einbauteile wurden optimal aufeinander abgestimmt und größtenteils bei uns hergestellt. Dadurch erreichen wir eine hohe Passgenauigkeit und eine sehr hochwertige Ausführungsqualität. Auch das statische Konzept des Bauwerks, sowie die spezielle Gründung auf Pfählen, haben wir bereits von der Planung an mit begleitet. Die Bauteile wurden aus Hochleistungsbeton C 60/75 mit sehr geringer Wassereindringtiefe, hochwertigen Sichtbetonoberflächen und passend zu den speziellen Fußrohren DN 800 UHPC, welche ebenfalls auf eine Pfahlgründung aufgelagert wurden, gefertigt."

Uwe Sturm ergänzt: "Dank der guten Unterstützung durch den Hersteller schon in der Planungsphase und einer perfekt abgestimmten Just-In-Time-Anlieferung, verlief die Montage reibungslos an nur einem Tag." In Zukunft bietet die neue Hochwasserentlastungsanlage beste Voraussetzungen, um kommenden Starkregenereignissen rund um den "Aufhofer Bach" die gelbe Karte zu zeigen.

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