Kommentar
Fauler Kompromiss
Eine harmonisierte Normenlandschaft für sämtliche Bauprodukte im europäischen Warenverkehr... Was hinsichtlich eines fairen internationalen Wettbewerbs zwischen den Mitgliedsstaaten der EU zunächst sinnvoll und richtig erscheint, hat innerhalb der deutschen Baubranche zuletzt für tiefe Sorgenfalten gesorgt. Mit dem Verbot eines gesonderten innerdeutschen Regelsystems für Bauprodukte infolge eines EuGH-Urteils von 2014 gilt seit Ende des vergangenen Jahres nur noch die CE-Kennzeichnung. Darüber hinausgehende Sicherheitsanforderungen, wie in Deutschland bislang üblich, werden als Vertragsverletzung gewertet und sind damit unzulässig. In der Folge muss das deutsche Bauordnungsrecht entsprechend der Vorgaben der EU-Kommission angepasst werden. Das Problem: In den harmonisierten EU-Normen fehlen wesentliche Leistungsmerkmale, u. a. den Schutz von Umwelt und Gesundheit betreffend, insbesondere aber in puncto Bauwerkssicherheit. Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in London erscheint v. a. die Tatsache, dass die Brennbarkeit und das Glimmverhalten von Mineralfaserdämmstoffen in den EU-Bauproduktnormen nicht geregelt sind, geradezu fahrlässig. Im Zuge der Umgestaltung des Bauordnungsrechts hat die Bauministerkonferenz nun tief in die Trickkiste gegriffen. Die Anforderungen an Bauprodukte sollen fortan indirekt durch einen Anforderungskatalog geregelt werden. Hierzu hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die sogenannte Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) erstellt. Der dazu veröffentlichte Entwurf hat zu immenser Kritik seitens der Branche und ihrer Verbände geführt. Nicht nur bleibt das eigentliche Problem mangelhafter Bauproduktnormen weiterhin bestehen, auch wird die Verantwortung für die Prüfung und Bewertung von Bauprodukten damit auf das verarbeitende Gewerbe abgeschoben. Es drohen Wettbewerbsausschluss für Kleinunternehmen, Preisexplosionen, Planungsverzögerungen, Sicherheitsmängel und enorme Haftungsrisiken für Handwerker. Ein fauler Kompromiss. Fair geht anders.
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