Zukunftssicher planen und bauen

BIM als Schlüssel für kommunale Projekte

Hayingen (ABZ). – Eine Baustelle im Schwäbischen Karl-Truchsess-Weg ist ein deutschlandweit und vermutlich sogar weltweit erstes Projekt für BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau. Denn es wurde nach BIM geplant, nach BIM ausgeschrieben und nach BIM umgesetzt. Gedanklicher Ausgangspunkt dieses Pilotprojekts war eine vorangegangene Modellbaustelle im nahegelegenen Erbstetten, die von der MTS Schrode AG aus Hayingen begleitet wurde.
Bau digital
140 m lang war die Baustelle, bei der BIM eingesetzt wurde. Foto: MTS

Hayingen ist mit etwas mehr als 2000 Einwohnern eine kleine Stadt. Gelegen ist der Luftkurort am südlichen Rand des Landkreises Reutlingen auf der Schwäbischen Alb. Entsprechend klein sind die Verwaltungsstrukturen inklusive Bauamt. Ausgerechnet hier wurde die Sanierung des Karl-Truchsess-Weges mit Hilfe von BIM realisiert. Oder gerade deshalb.

Auf der Anwohnerstraße in einem Siedlungsgebiet aus den 1970er Jahren wurden alle Leitungen und Kanäle (für Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Breitband) sowie die Beleuchtung erneuert und abschließend die Asphaltfahrbahn mit Unterbau einschließlich der Gehweg auf beiden Seiten auf einer Länge von 140 m neu gebaut.

Ebenfalls in Hayingen ansässig ist die Rainer Schrode GmbH Tief- und Straßenbau, die als Tochterunternehmen von MTS alle neuen Produkte im Real-Einsatz testet. So wurden in Erbstetten, einem Stadtteil von Ehingen, Teile des BIM-Prozesses bereits erprobt (modellbasiertes Bauen und Abrechnung aus dem Modell). Ziel beider Baustellen war es, auszuloten und aufzuzeigen, ob und wie die BIM-Methode im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau unter realen Einsatzbedingungen überhaupt funktionieren kann. Denn BIM im kommunalen Verkehrswegebau gestaltet sich anders als bei Großprojekten. Einige Aspekte sind einfacher, andere schwieriger.

Ziele definieren

Die Entscheidung, mit der Methode BIM bauen zu wollen, muss der Auftraggeber treffen, und zwar von Anfang an, das heißt vor Beginn der Planung. Gleichzeitig muss der Auftraggeber federführend festlegen, was er durch die Anwendung der BIM-Methode erreichen will. Er muss die Ziele definieren, die er durch diese Herangehensweise an das Bauvorhaben erreichen will.

Gerade bei kleinen Verwaltungen und damit begrenzten Kapazitäten gilt es, überflüssigen Aufwand einzudämmen. In Hayingen wurden neun Arten dieser "Verschwendung" identifiziert und Maßnahmen definiert. Daraufhin wurden Ziele definiert, aus denen dann konkrete Anwendungsfälle entstanden. Wichtig war, dass sich diese Ziele mit angemessenem technischen Aufwand bewältigen lassen müssen.

Wie bei der konventionellen Ausführung auch, benötigt das ausführende Bauunternehmen detaillierte planerische Vorgaben für die Umsetzung der Baumaßnahme. Wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung mit BIM ist, dass ein digitales Geländemodell zur Verfügung steht.

In Hayingen musste der 2D-Plan um ein weiteres Attribut ergänzt werden, um die Höhenlagen. Hierfür wurden die im Plan in Textform angegebenen Höhenlagen den Linien im CAD direkt zugewiesen, wodurch 3D-Linien entstehen. Dieser Aufwand war überschaubar. Der Charme: schon während der Planung konnte geprüft werden, ob (trotz zuvor festgelegter Toleranzen) Kollisionen zwischen den verschiedenen Leitungen und Kanälen auftreten.

Exakte Ausschreibung

Aus diesem 3D-Plan resultiert eine sehr exakte Ausschreibung, da zu allen Leistungen Massen und konkrete Mengen bestimmbar sind. Zudem verhilft das Modell zu mehr Transparenz: Was wird wie lange zu welchen Kosten gemacht? Wenn dann nach Plan gebaut wird, ist die Abrechnung einfach. Auf der Baustelle ist nur noch die Qualitätskontrolle von Nöten, denn eine erneute Vermessung entfällt.

Ebenso lassen sich im Zuge der Bauausführung die vom Auftraggeber geforderten Daten erfassen und in das erweiterte digitale 3D-Modell (As-Built) zurückspielen. Für die spätere Bewirtschaftung kann das Modell genutzt werden, denn alles ist dokumentiert.

In Hayingen wurden deshalb Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) erarbeitet, in denen die Stadt Festlegungen für diese Baustelle traf. Es ist also das Leistungsverzeichnis für die digitalen Informationen, die der Auftragnehmer im Verlauf des Bauvorhabens zu liefern hat.

Hinzu kam ein BIM-Abwicklungs-Plan (BAP). Er ist quasi die Antwort darauf, wie der Auftragnehmer die geforderten Informationen in welcher Form bereitzustellen hat. Hier werden auch Toleranzen definiert. Erfolgt die Bauausführung innerhalb dieser Toleranzen, so müssen keine Aufmaße erbracht werden. Diese werden nur bei Abweichung von den Toleranzen oder bei ungeplanten Erweiterungen benötigt.

Da weder das gesetzliche Bauvertragsrecht noch die VOB/B auf das Bauen mit BIM ausgerichtet sind, mussten die Verträge der Baubeteiligten um spezielle BIM-Vertragsbedingungen ergänzt werden. Ein Muster für Besondere Vertragsbedingungen BIM (BIM-BVB) wurde von der Arbeitsgemeinschaft BIM4INFRA2020 für freiberufliche Leistungen im Straßen- und Brückenbau entworfen. Dieses Muster hat allerdings nicht die bauausführenden Unternehmen im Blick, sondern die bauvorbereitenden Planer, und ist zudem auf Bauvorhaben an Bundesfernstraßen zugeschnitten. Um auch hier das Rad nicht neu zu erfinden, wurde das Muster dennoch zur Grundlage für die Besonderen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen mit BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM-BVB K-VTB) genommen. Das Muster wurde entsprechend abgewandelt, so dass es einerseits für bauausführende Unternehmen passt und andererseits für den kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau.

Elektronische Kommunikation

So ist in ihnen geregelt, dass anstatt der Schriftform die Textform ausreicht. Dies ermöglicht eine elektronische Kommunikation. Wichtig ist nur, dass die Erklärungen auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben bzw. gespeichert werden. Ausreichend ist danach beispielsweise die Übermittlung einer Erklärung per E-Mail. Auch muss der Auftraggeber die für die Ausführung notwendigen Daten an den Auftragnehmer nur "übergeben". Auch zur Geländedefinition werden Regelungen getroffen.

Nach der Qualitätskontrolle entsteht aus dem 3D-Modell ein 3D-AsBuilt-Modell. Das kann für die Abrechnung der Baumaßnahme genutzt werden. Für die Kommune ergibt sich auf diese Art und Weise ein "digitaler Zwilling", der für den weiteren Betrieb genutzt werden kann. Die gründlichen Planungen führen in einer frühen Phase des Projektes zu Kosten-, Planungs- und Terminsicherheit. Der zeitliche Mehraufwand für die Erstellung des 3D-Modells war gering. Die Kosten dafür in Höhe von 4500 Euro schlagen mit einem Hundertstel der Bausumme zu Buche. Der Mehraufwand durch die Planung macht sich durch einen ungestörten Bauablauf, die Kostensicherheit und auch im späteren Betrieb also mehr als bezahlt. Hinzu kommt die Schnelligkeit der Abwicklung: Die Baumaßnahme wurde im April 2021 ausgeschrieben, im Sommer 2021 umgesetzt, im Dezember 2021 abgenommen und auch abgerechnet. Denn zur Bauabnahme war die Schlussrechnung bereits fertiggestellt.

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