Bauaussichten 2024

2024 muss der Auftakt für eine neue Wohnbauoffensive werden

Von Roland Meißner, Geschäftsführer Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.
Bauaussichten
Foto: Bundesverband Kalksandsteinindustrie

Nachdem wir bereits das Jahr 2023 im Krisenmodus begonnen haben, schauen wir Anfang 2024 auf eine Multikrise unerwarteten Ausmaßes. Die Bau- und Wohnungswirtschaft befindet sich auf rapider Talfahrt. Gleichzeitig gibt es einen Riesenbedarf an Wohnraum. Mehr als 600.000 Menschen suchen aktuell in Deutschland eine bezahlbare Wohnung. Hierdurch wird zunehmend auch der soziale Frieden in unserem Land gefährdet.

Steigende Materialpreise, explodierende Bauzinsen und weiterhin hohe Energie- und Grundstückskosten, kaum verlässliche Förderbedingungen sowie immer höhere, teils staatlich verordnete Gebäudeanforderungen haben in 2023 deutliche Spuren hinterlassen. Vielen Investoren geht die Puste aus, weshalb auch den Wohnungsbauunternehmen bald die wirtschaftliche Perspektive fehlen wird. Die Bauwirtschaft und mit ihr die Kalksandsteinindustrie sind von einer erheblichen Rezession bedroht. Die aktuelle Situation wird dabei von einem Mix der Extreme bestimmt: Steigerungen auf der einen und Knappheit auf der anderen Seite. Dreht sich dieses Rad weiter, drohen Insolvenzen in vielen Wirtschaftszweigen. Der Mittelstand, die Stütze der deutschen Wirtschaft, könnte erheblich ins Wanken geraten. Kurzarbeit, Werksstillegungen und erste Werksschließungen sind im Jahr 2023 leider auch in der Kalksandsteinindustrie bereits zur Realität geworden. Absatzrückgänge von weit über 30 Prozent sind das traurige Ergebnis. Regional sind die Zahlen zum Teil noch dramatischer. Es läuft also alles andere als rund.

Was ist jetzt zu tun? Um das Rad wieder in Schwung zu bringen, brauchen Wohnungswirtschaft, private Bauinteressierte, das Baugewerbe und wir als Baustoffproduzenten vor allem stabile Rahmenbedingungen. Es fehlt vor allem an einem umfassenden Konzept seitens der Politik und es braucht politische Ehrlichkeit. Gute Beschlüsse, wie sie noch Ende des Jahres 2023 auf dem Bund-Länder-Gipfel gefasst wurden, sind wertlos, wenn diese nicht umgesetzt werden. Dafür braucht es jedoch zuallererst politische Ehrlichkeit und ein deutliches Bekenntnis zum Neubau sowie schnelle Entscheidungen der Politik, damit der eingeschlagene Weg nicht in einer Sackgasse endet.

Hierzu gehören unter anderem bedarfsgerechte Förderprogramme für den Wohnungsneu- und Wohnungsumbau, aber auch wettbewerbsfähige Energiepreise, um die energieintensiven Industrien, zu denen auch die Kalksandsteinindustrie gehört, zu entlasten. Ebenso müssen Investitionsförderungen auf den Weg gebracht werden, damit die Produktion auf emissionsfreie Prozesse umgestellt werden kann. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wie grüner Wasserstoff ist dringend zu beschleunigen. Nur so sind die notwendigen Transformationen der Baubranche zur Klimaneutralität zu erreichen und der Mittelstand gleichzeitig zu sichern.

Steuerliche Erleichterungen helfen spürbar bei der Schaffung von Wohnraum. Die besten Ansätze sind ein Aussetzen der Grunderwerbsteuer sowie Zinsverbilligungsprogramme der Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW). Mit der Einführung einer degressiven AfA wird politisch der richtige Weg beschritten. Im Interesse der gesamten Gesellschaft ist es von höchster Bedeutung, die Baukosten zu reduzieren. Eine zentrale Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels liegt in der Vereinfachung des Bauprozesses. Initiativen wie die Baukostensenkungskommission und das Bündnis für bezahlbares Wohnen haben zahlreiche Vorschläge für eine umfassende Entrümpelung des Vorschriftendschungels vorgelegt. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich das angestrebte Ziel einer umfassenden Novelle des Bauordnungsrechts, vorausgesetzt, sie erfolgt praxisnah und unideologisch.

Im Hinblick auf die steigende Migration spitzt sich die Situation darüber hinaus weiter zu. Schon Mitte des Jahres 2023 haben die Zahlen der Zuwanderung das doppelte Niveau des Wertes aus dem Jahr der Flüchtlingskrise 2015 erreicht. Wie sollen in Anbetracht der gesamtpolitischen Lage die ambitionierten und nach wie vor geltenden Wohnbauziele der Bundesregierung, jährlich 400.000 bezahlbare und klimaneutrale Wohnungen zu errichten, erreicht werden? Im Dialog zwischen Wirtschaft und Politik müssen schnellstmöglich Lösungen gefunden werden.

Sicher ist, dass die Kalksandsteinindustrie dabei eine bedeutende Rolle einnehmen wird. Wir waren auch im vergangenen Jahr, gemäß der aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts von Juni 2023, weiterhin unangefochtener Marktführer im mehrgeschossigen Wohnungsbau und sicherten das zehnte Jahr in Folge unseren hohen Marktanteil von fast 41 Prozent – vor Stahlbeton und Ziegel. Ohne unseren modularen Systembaustoff kann der nach wie vor so dringend benötigte Wohnraum nicht realisiert werden.

Unser vorrangiges Ziel ist es, durch die Bereitstellung langlebiger und wohngesunder Produkte einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Gezielte Investitionen in unsere Produktionsstandorte leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Gemeinsame Forschungsprojekte zielen darauf ab, den Energieeinsatz in der Produktion zu minimieren und die Recyclinganteile weiter zu erhöhen, um den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden. Unsere Industrie will bauen, jedoch fehlt uns mangels ausbleibender oder stark zurückgegangener Aufträge, die Planungsgrundlage. Der Blick in die Zukunft ist daher aus heutiger Sicht besonders schwierig. Die Entwicklungen der letzten Monate lassen keine belastbaren Aussagen zu. Auf absehbare Zeit werden wir daher nur auf Sicht fahren können. Gebaut werden muss auch weiterhin, um den hohen Bedarf an benötigtem Wohnraum decken zu können. Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, denn Unsicherheit ist der Feind von Investitionen, und Planungsunsicherheit ist Gift für die Baukonjunktur.

Auch wenn manches in der Zukunft ungewiss ist, wir werden und müssen – trotz der aktuell dramatischen Situation – weiter an der Einhaltung der Transformationspfade festhalten und den Klimaschutz voranbringen. Uns ist bewusst, dass nachhaltiges Bauen vor all den aktuellen Herausforderungen nicht an Aufmerksamkeit verlieren darf. Hier ist ein gesundes Augenmaß notwendig, um die Balance zwischen dem dringlichen Bedürfnis nach Wohnraum sowie Nachhaltigkeit zu halten. Unseren Weg in die klimaneutrale Produktion setzen wir fort. Wichtige erste Schritte wurden bereits erfolgreich getätigt: Angefangen von der Rohstoffsicherung über die Produktion bis zur Verarbeitung. Unsere Industrie setzt weiterhin alles daran, die bereits gute Ökobilanz unserer Kalksandsteinprodukte in den nächsten Jahren weiter zu optimieren.

Die aktuellen Entwicklungen sollten alle Beteiligten dazu bewegen, mit kritischem Blick und mutigen Entscheidungen Neuerungen in Angriff zu nehmen, um diese Krise gemeinsam, schnellstmöglich zu bewältigen.

Mein Wunsch ist es, dass 2024 zum echten Aufbruch in der Wohnungsbaupolitik wird. Wenn wir jetzt nicht anpacken, laufen wir sehenden Auges in eine sozialpolitische Krise!

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