Bauaussichten 2024

In diesem Baujahr brauchen wir einen langen Atem

Von Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB)
Bauaussichten
Foto: HDB

Von Januar bis September 2023 lag der reale Umsatz im Bauhauptgewerbe um 3,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei den Auftragseingängen, die in den ersten neun Monaten das Vorjahresniveau preisbereinigt um 5,9 Prozent zurückgefallen sind.

Während der reale Umsatz im Tiefbau bis September auf dem Vorjahresniveau lag, war im Hochbau ein Rückgang von 6,6 Prozent zu verzeichnen.

Der Wohnungsbau ist dabei mit einem Rückgang von 10,6 Prozent unser Sorgenkind. Er leidet bereits das ganze Jahr 2023 unter zwei Problemen, die sich vermutlich auch noch 2024 auswirken werden:

  • Die Zinsentwicklung auf dem Kapitalmarkt. Der Durchschnittszinssatz für Hypothekarkredite im Wohnungsbau stieg von 1,4 im Januar 2022 auf 4,2 Prozent im September 2023. Einen solch steilen Anstieg in so kurzer Zeit hat es im wiedervereinigten Deutschland noch nie gegeben. Die Refinanzierung von Wohnungsbauprojekten wird dadurch erheblich verteuert, bezahlbare Mieten für die "Mitte der Gesellschaft" rücken in weite Ferne. Ich warne sehr eindringlich: Dieses Thema birgt sozialen Sprengstoff!
  • Im gleichen Zeitraum war ein deutlicher Anstieg der Erzeugerpreisindizes für alle Arten von Baumaterialien zu verzeichnen, die in der Konsequenz zu einem starken Preisanstieg im Wohnungsneubau geführt haben.

In der Folge sind die Genehmigungszahlen im Wohnungsneubau in den ersten drei Quartalen 2023 um ein Drittel eingebrochen. Gleichzeitig ist die Reichweite der Auftragsbestände in Produktionsmonaten ebenfalls dramatisch zurückgegangen. Kommt es nicht zu einer Kehrtwende bei Genehmigungen und Auftragseingängen, ist spätestens zur Jahresmitte 2024 damit zu rechnen, dass viele Wohnungsbauunternehmen in die Kurzarbeit gehen müssen.

Hier muss die Politik dringend reagieren: Eine langfristige und verlässliche Förderkulisse für den Wohnungsneubau, keine Einführung von EH 40 als verpflichtenden Gebäudestandard, ein Zinssenkungsprogramm und steuerliche Anreize durch eine Absenkung oder temporäre Aussetzung der Grunderwerbsteuer sind hier die wichtigsten Punkte, die wir immer wieder betonen. Im Vergleich dazu, hat sich der Wirtschaftsbau 2023 deutlich stabiler entwickelt, getragen wird dies vor allem vom Tiefbau, wo sich für das Gesamtjahr ein deutliches reales Umsatzplus abzeichnet. Hierzu dürften vor allem erhöhte Investitionen der Deutschen Bahn AG sowie für die digitale Infrastruktur beigetragen haben.

Im Öffentlichen Bau sind unsere Erwartungen vom Jahresbeginn 2023 übertroffen worden. Im Gesamtjahr ist hier nahezu mit einer Stabilisierung der realen Umsätze auf dem Niveau des Vorjahres zu rechnen. Problematisch sieht es dagegen für unsere Straßenbauer aus, wo im Jahresdurchschnitt mit einem Rückgang der realen Umsätze in der Größenordnung von 6 Prozent zu rechnen ist. Die anhaltend hohen Bitumenpreise haben die Straßenbaumaßnahmen deutlich verteuert, und viele öffentliche Auftraggeber haben ihre nominalen Budgets nicht nach oben angepasst. Die bittere Rechnung: Wenn die Preise um 20 Prozent steigen, die Budgets nicht angepasst werden, wird ein Fünftel weniger gebaut. Das können wir uns mit unseren maroden Straßen und Brücken nicht erlauben.

Insgesamt gesehen gehen wir davon aus, dass die realen Umsätze im deutschen Bauhauptgewerbe im abgelaufenen Jahr um etwa 4 Prozent zurückgegangen sind. Unsere Erwartungen an das neue Jahr bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau.

Angesichts der deutlich eingebrochenen Auftragseingänge dürfte sich der Wohnungsbau 2024 vermutlich noch schlechter entwickeln als 2023. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen, die 2023 bei etwa 250.000 gelegen haben dürfte, wird im neuen Jahr weiter deutlich rückläufig sein. Das Wohnungsbauziel der Bundesregierung mit 400.000 Fertigstellungen pro Jahr ist damit krachend gescheitert.

Angesichts des noch vorhandenen hohen Auftragsbestandes, dessen Reichweite auch bei weitem nicht so deutlich abgeschmolzen ist wie im Wohnungsbau, gehen wir von einer Stabilisierung der realen Umsätze im Wirtschaftsbau auf dem Niveau des Jahres 2023 aus.

Nicht so positiv sieht es 2024 im öffentlichen Bau aus. Hier bereitet uns der Straßenbau weiterhin große Sorgen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sorgt aktuell für eine deutliche Verzögerung bei der Verabschiedung des Bundeshaushaltes für das Jahr 2024. Bei den notwendigen Einsparmaßnahmen steht zu befürchten, dass vor allem die Investitionen des Bundes auf den Prüfstand gestellt und als erste gekürzt werden. Während aus klimapolitischen Gründen die Investitionszuschüsse an die Deutsche Bahn wohl nicht infrage gestellt werden, bleibt abzuwarten, was mit dem Straßenbau-Etat passiert. Auch die wohl leicht zunehmende Produktion im öffentlichen Hochbau wird hier das Ruder nicht herumreißen, so dass wir für den Gesamtbereich für das neue Jahr von einem realen Produktionsrückgang ausgehen.

Dies hat auch Auswirkungen auf unsere Baubelegschaften. 2023 dürften wir das Niveau des Jahres 2022 von insgesamt 927.000 Beschäftigten noch gehalten haben. 2024 wird dies voraussichtlich nicht mehr möglich sein; wir gehen von einem Rückgang von 10.000 Beschäftigten aus. Dass der Rückgang angesichts der konjunkturellen Situation nicht noch stärker ausfällt, ist auch dem Vor-sichtsprinzip zu verdanken.

Erhebliche Teile unserer Baubelegschaften werden in den kommenden Jahren in Rente gehen, ein Ersatz durch die Ausbildung oder noch vorhandene Arbeitslose ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb versuchen viele Baubetriebe, ihre Beschäftigten, soweit es nur geht, zu halten. Hier schließt sich die Paradoxie: Die Bauindustrie wird gebraucht und spätestens, wenn die Konjunktur wieder anspringt, müssen wir loslegen – das geht aber nur mit ausreichend Fachkräften, die wir jetzt nicht verlieren dürfen. Denn dann fehlen sie – und zwar uns allen!

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Seilbaggerfahrer (m/w/d), Jettingen-Scheppach  ansehen
Gerüstbauer mit Fahrerlaubnis C/CE, Sarstedt Heisede  ansehen
Gerüstbauer – auch als Quereinsteiger , Ochtendung  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen