Kommentar
Stillstand
von: Kai-Werner FajgaDass viele Mitmenschen über das aktuelle politische Geschehen die Stirn runzeln, ist heute Alltag. Dass sie sich in sozialen Medien erzürnen, auch. Aber Peter Hübner ist Präsident des Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), er vertritt tausende mittelständische Bauunternehmen und -konzerne, und er ist Vorstand des Strabag-Konzerns. Seine Stimme hat im deutschen Baugewerbe Gewicht.
Dass er nun dem amtierenden Wirtschaftsminister und auch den Finanzministerminister direkt angeht und ihnen Untätigkeit und Ignoranz in Bezug auf den Bau als einem der wichtigsten Wirtschaftsbereiche Deutschlands vorwirft, zeigt allzu deutlich auf, dass bisherige Appelle offensichtlich verpufft sind.
Seit Monaten reißen Warnmeldungen aus dem Baugewerbe nicht ab, werden immer neue Allzeit-Tiefs im Auftragseingang des Wohnungsbaus gemeldet. War die Ampel-Regierung noch mit hehren Zielen gestartet, muss Bauministerin Geywitz heute einräumen, dass nicht einmal die Hälfte der gesetzten Ziele erreicht werden. Immerhin schlug die Ministerin angesichts klammer Kassen für Fördergelder jüngst Steuererleichterungen in Form einer degressiven Afa vor, doch genau das sei nun vom Finanzministerium im geplanten Wachstumschancengesetz abgelehnt worden.
Nun stehen laut HDB zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe. Parallel nimmt die Anzahl von Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe zu. "Die Ampel steuert sehenden Auges in eine wirtschaftspolitische Sackgasse", sagte Hübner. Sie unternehme nichts, dass das Land wieder auf die Beine kommen könne. Als sei das nicht genug, provozierte Familienministerin Paus jüngst mit ihrem "Veto" zum geplanten Gesetz, dem ihr Parteikollege Habeck bereits zugestimmt hatte, einen neuen Koalitionsstreit quasi aus dem Nichts.
Jegliche Steuererleichterungen müssen nun noch einmal diskutiert werden - und das kostet erst einmal mehr Zeit, es sorgt für Stillstand. Das mag im politischen Berlin noch eine Option sein, in der Bauwirtschaft ist sie es nicht.