Für den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022“ nominiert

Rathaus Korbach gilt als Modellprojekt im Urban Mining

Düsseldorf (ABZ). – Am 1. und 2. Dezember 2022 fällt in Düsseldorf beim 15. Deutschen Nachhaltigkeitstag die Entscheidung: Vier deutsche Bauprojekte konnten sich bei der Bewerbung um den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2022“ durchsetzen.

Das Urban-Mining-Modellprojekt Rathaus Korbach ist eines davon: Mit dem Rück- und Neubau des Rathauses wurden erstmals die aktuellen Möglichkeiten des Urban Mining und des kreislaufgerechten Bauens für ein Bauwerk in Massivbauweise untersucht.

So konnte nicht nur der Bestand als Rohstoffquelle genutzt werden – aufgrund der sorgfältigen Planung der Arbeitsgemeinschaft agn-heimspielarchitekten steht das Bauwerk im Falle eines Rückbaus nachfolgenden Generationen als leicht erschließbares Materialdepot zur Verfügung. Die Erkenntnisse aus diesem Hochbauprojekt dienen als Grundlage für die Erstellung eines „Leitfadens für ressourcenschonendes Bauen im Land Hessen“.

Nachhaltige Stadtreparatur

Das mitten in der Altstadt von Korbach, einer Kreis- und Hansestadt des hessischen Landkreises Waldeck-Frankenberg, gelegene Rathaus ist seit Jahrzehnten ein Anlaufpunkt für Bürgerinnen und Bürger und ein prägendes Gebäude im Stadtbild. Da der vorhandene Anbau aus den 1970er-Jahren einige Mängel aufwies, entschied sich die Stadt Korbach nach Prüfung aller Optionen für den Rückbau und eine Neugestaltung. Geplant wurde der neue Rathauskomplex dann in drei Teilprojekten: Der Sanierung des historischen Rathauses, dem Neubau des Hauptgebäudes und des Nebengebäudes.

Der Gebäudeentwurf konzentrierte sich auf die identitätsstiftende Funktion der historischen Substanz. Mit einer modernen Giebelhaus-Architektur ergänzt der Neubau maßstabsgetreu den denkmalgeschützten Bestand von 1377. Der Baukörper bildet mit Rathausplatz und Bürgerforum einen neuen städtischen Kommunikationsraum und ermöglicht die qualitätsvolle Vernetzung des Rathauses mit den Wegebeziehungen der Stadtmitte.

Sachkundige Planung ist ein Muss

Für das Modellprojekt in Korbach wurden schon im Vorfeld die Massen der aus dem Rückbau zurückzugewinnenden Baustoffe ermittelt und auf ihre Recyclingfähigkeit hin untersucht. Proben der mineralischen Bausubstanz wurden dabei labortechnisch geprüft, um die Eignung für den Wiedereinsatz festzustellen. In einem beispielhaften Prozess konnten 6000 t Beton aus dem Rückbau in den Neubau überführt werden. Dafür wurden der Bestand selektiv zurückgebaut und die Materialien sorgfältig getrennt. Die mineralischen Abbruchmaterialien wurden ortsnah aufbereitet und im Anschluss zu ressourcenschonendem Beton (R-Beton) verarbeitet.

Auch das Ende des nächsten Lebenszyklus wurde mitgedacht, um das Kreislaufpotential zu erhalten und damit auch den Wert des Bauwerks zu erhöhen: Zugunsten eines recyclingfähigen Sichtbetons wurde beispielsweise auf Putz verzichtet. Anstelle von Verbundabdichtungen für die erdberührenden Bauteile kam wasserundurchlässiger Beton (WU-Beton) zum Einsatz. Die Konstruktion gewährleistet die unkomplizierte sortenreine Trennbarkeit der Wertstoffe für den Um- und Rückbaufall. „Anhand der einzelnen Bauteile ist erkennbar, dass wir den Fokus in der Detaillierung so gelegt haben, dass die Materialien wieder sortenrein getrennt und im Wertstoffkreislauf wiederverwertet werden können“, erklärt Marc Matzken, Architekt.

Moderne Hülle gestaltet

Der Neubau zeigt, dass das Bauen mit R-Beton eine hohe ästhetische Qualität aufweisen kann: Der aus dem Abbruch gewonnene und in den Betonfertigteilen eingesetzte Ziegelsplitt verleiht der Fassade eine spezielle Erscheinung und Farbgebung. Das schafft markante Akzente bei der Verbindung von Alt und Neu.

Bei dem Modellprojekt kam erstmals der Urban Mining Index zur Anwendung – ein Planungsinstrument für zirkuläres Bauen, mit dem die Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Planung bewertet und optimiert werden kann. Über den gesamten Lebenszyklus werden dabei alle eingesetzten Baustoffe und die daraus resultierenden Wertstoffe quantifiziert und hinsichtlich ihrer Nachnutzung bewertet. Unter Berücksichtigung der Rückbaufähigkeit ergibt sich für die Neubauten eine Zirkularitätsrate von 42 %.

„Natürlich sollte es erstes Ziel sein, Gebäude zu erhalten, aber wenn wie hier eine Stadtreparatur stattfindet, dann sollte man schauen, dass man das Beste aus dem Bestand herausholt. Es war das erste Mal in Deutschland, dass wir das so gemacht haben und das kann Strahlkraft auf andere Projekte haben“, sagt Anja Rosen, Honorarprofessorin für zirkuläres Bauen an der Bergischen Universität Wuppertal.

Parallel zu dem Planungsauftrag hat die Arbeitsgemeinschaft im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das Gutachten „Ressourcenschonendes Bauen am Beispiel Rathaus Korbach“ erstellt. Anhand des Projektes wurden die Möglichkeiten eines selektiven Rückbaus mit anschließendem ortsnahem Recycling der mineralischen Abbruchmaterialien und Wiedereinsatz für den Neubau untersucht und aufgezeigt. Zielsetzung war die Entwicklung eines „Leitfadens für ressourcenschonendes Bauen im Land Hessen“, daher wurde die Baumaßnahme auch mit öffentlichen Mitteln aus verschiedenen Programmen gefördert.

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