HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel
Die Branche muss sich von innen heraus verändern
Dieter Babiel ist seit November vergangenen Jahres der neue Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Im Interview mit ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann erklärte er in Berlin, warum sich die Branche trotz aktuell blendender Konjunktur in wesentlichen Punkten verändern muss.ABZ: Herr Babiel, Sie sind seit November vergangenen Jahres der neue Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes. Können Sie uns einen kurzen Überblick darüber geben, woher Sie kommen und was Sie bisher gemacht haben?Babiel: Bevor ich zur Bauindustrie kam, gab es für mich zwei Stationen, die mich besonders geprägt haben. Zum einen war das die Unternehmensgruppe Würth, für die ich etwa zehn Jahre lang im Bereich Personal tätig war. Als ich dort anfing, hatte das Unternehmen etwa 12.000 Mitarbeiter. Als ich zehn Jahre später ging, waren es schon 36.000, heute sind es knapp 80.000. Ich finde es schlichtweg vorbildlich, dass Würth sich erfolgreich zu einem Großkonzern entwickelt hat, ohne dabei seine Seele als Mittelständler zu verlieren. Dass so etwas funktioniert, ist v. a. eine Frage der Unternehmerpersönlichkeit. Bis heute gibt es in diesem 80.000 Mitarbeiter starken Unternehmen bspw. keinen Personalchef auf der Ebene der Gruppe. Damals gefiel mir das gar nicht, weil ich Karriere machen und Geschäftsführer werden wollte. Heute finde ich das phänomenal, weil dahinter die Devise stand, dass für alle Fragen rund um das Personal zu aller erst die Führungskräfte verantwortlich sind.Schließlich bin ich zu Saint-Gobain gewechselt, wo ich bis zum vergangenen Jahr in verschiedenen Geschäftsbereichen als Geschäftsführer und Arbeitsdirektor tätig war. Eine große Herausforderung dort war, Arbeitskräfte für ein Unternehmen zu begeistern, das außerhalb der Branche doch sehr unbekannt ist. Mit erheblichem Aufwand, sowohl finanziell als auch durch großangelegte interne Veränderungen bzw. Modernisierungen, ist uns das auch gelungen, so dass wir zum Ende hin mehrfach als "Top Arbeitgeber" ausgezeichnet wurden.ABZ: Qualifiziert Sie dieser Hintergrund mit Blick auf den gravierenden Fachkräftemangel am Bau im besonderen Maße für Ihre neue Position im Verband?Babiel: Auch wenn es einen großen Unterschied zwischen der Führung eines Verbandes und eines Unternehmens gibt, so gibt es doch in der Ausrichtung viele Gemeinsamkeiten: Wir müssen uns permanent den Trends und Bedürfnissen unserer Kunden (Mitglieder) anpassen, darstellen, welche Wertschöpfung man für sein Geld bekommt. Wir wollen wachsen und für Mitglieder attraktiver werden. D. h., als Dienstleister kundenfreundlicher sein. Wir müssen viel deutlicher herausarbeiten, dass es sich lohnt, bei unseren Mitgliedsfirmen zu arbeiten, weil sie modern sind, sich heutigen und zukünftigen Erfordernissen permanent anpassen und tolle Jobs anbieten können.Mit dem Problem des Fachkräftemangels wurde ich zum ersten Mal ganz massiv bei Saint-Gobain konfrontiert. Damals haben wir einen Kundenbeirat gegründet, in dem wir uns einmal im Jahr getroffen haben. Dort wurde der Fachkräftemangel von Seiten der Kunden als eines der Hauptprobleme benannt, mit dem sich die Branche künftig auseinandersetzen muss. Zusammen mit dem ehemaligen Bauminister Tiefensee, dann mit Dr. Peter Ramsauer als Schirmher-ren habe ich daraufhin die Initiative "Deutschland baut!" ins Leben gerufen, mit der wir uns das Ziel gesetzt haben, das Image und die Attraktivität der gesamten Baubranche zu fördern. In kürzester Zeit konnten wir etwa 80 Unternehmen aus der kompletten Wertschöpfungskette Bau für diese Organisation gewinnen. Hier konnte ich viele Erfahrungen sammeln, von denen ich einige gern in meine heutige Aufgabe einbringen möchte.
ABZ-Stellenmarkt
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ABZ: Was kann die Branche aus Ihrer Sicht effektiv gegen den Fachkräftemangel tun?Babiel: Der Arbeitsmarkt hat sich grundlegend gewandelt. Mitarbeiter zu gewinnen, ist heute kein Selbstläufer mehr. Man muss heute bereit sein, massiv in die Nachwuchsgewinnung zu investieren und traditionelle Strukturen grundlegend neu auszurichten. Das bedeutet u. a. auch, nicht auf den perfekten Bewerber für die eine Stelle zu warten, sondern mitunter gezielt Stellen zu schaffen, die für Bewerber besonders interessant sind.Ganz zentral ist natürlich das Image der Branche. Gerade in der noch sehr traditionsverhafteten Bauindustrie gilt es, sich als moderne, zukunftsgerichtete Branche aufzustellen. Ein wesentlicher Punkt dabei ist natürlich die Digitalisierung. Hier stehen wir in der Bauindustrie noch am Anfang. Die Digitalisierung wird jedoch eine zentrale Rolle für die Gewinnung junger Menschen und die Schaffung moderner, neuer Arbeitsplätze spielen. Dazu gehört auch, dass Themen wie Qualitätsmanagement und Arbeitsergonomie, speziell im Bauhandwerk, mit Nachdruck intensiviert werden.Gleiches gilt für das Thema Führungskultur. Der berufliche Nachwuchs muss sich einbringen können und auch in unkonventionellen Herangehensweisen gefördert werden. Das alles bedarf großer Anstrengungen und eines unbedingten Willens, jetzt damit konsequent loszulegen. Nicht an Worten, sondern an Taten werden wir hier gemessen werden.ABZ: Sehen Sie diesbezüglich bereits Licht am Ende des Tunnels?Babiel: Immerhin ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe im vergangenen Jahr erstmals seit 2011 wieder gestiegen. Die Zahl der Auszubildenden im ersten Lehrjahr hat ebenfalls um 7,6 % zugelegt. Das mag für den einen oder anderen lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein sein, es zeigt aber, dass die Unternehmen nicht untätig sind und dass die Branche an der einen oder anderen Stelle schon anders wahrgenommen wird als in der Vergangenheit.ABZ: Die Bauindustrie hat kürzlich die ideelle Trägerschaft der bautec übernommen. Wie wird sich das Thema Nachwuchsgewinnung dort wiederfinden?Babiel: Speziell zum Thema Nachwuchsgewinnung hat die Messe Berlin auf der bautec das Karrierecenter Bau eingerichtet. In einer eigenen Halle präsentieren die Verbände zusammen mit einigen Unternehmen der Branche die vielfältigen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten am Bau. Gleichzeitig wird es dort eine Jobbörse geben sowie die Möglichkeit zu konkreten Gesprächen über Berufsentwicklungsmöglichkeiten in der Branche. Zudem werden speziell ausgerichtete Führungen für Schüler und Studenten angeboten, auf denen sich die jungen Leute zielgerichtet über die für sie relevanten Themen informieren können. Das Ganze ist durch verschiedene Aktivitäten sehr interaktiv gestaltet.
ABZ: Die konjunkturellen Rahmenbedingungen sind in diesem Jahr wie geschaffen für einen impulsgebendes Messeevent in direkter Nähe zur Politik. Welche Erwartungen haben Sie an die Messe?Babiel: Die Messe bietet in der Tat eine gute Plattform, um das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es in der Baubranche gerade richtig gut läuft. Auch für dieses Jahr erwarten wir wieder ein Umsatzplus von nominal 5 %. Das war viele Jahre ganz anders. Wie Sie wissen, hatte sich die Zahl der Beschäftigten am Bau zwischen 1995 und 2009 von 1,4 Mio. auf 705.000 halbiert, im vergangenen Jahr haben wir erstmals wieder die 800.000er-Marke überschritten. Wir rechnen damit, dass wir bis zum Jahresende wieder die Zahl von 820.000 Beschäftigten am Bau erreichen werden. Insofern haben wir nun allen Grund, aus der Deckung herauszukommen und zu zeigen, dass wir eine Wachstumsbranche sind, die gute und sichere Arbeitsplätze anbietet.ABZ: Neben der positiven Konjunktur warten 2018 auch zahlreiche Herausforderungen, speziell im Bereich bezahlbarer Wohnungsbau, auf die Branche. Welche Lösungen wird der Verband auf der Messe präsentieren?Babiel: Der Wohnungsbau wird ebenfalls ein Schwerpunktthema sein, dem wir uns auf der bautec widmen. Ganz konkret werden wir uns mit dem Thema 'Serielles Bauen' beschäftigen. Hier haben wir eine eigene Sonderschau auf die Beine gestellt, auf der Unternehmen zeigen werden, was sie in diesem Bereich anzubieten haben und was mit diesem Ansatz möglich ist. Hier wird sich v. a. zeigen, dass sich auch in der Bauindustrie neue Produktionsweisen etablieren, die das Bauen effizienter machen – sowohl was den Faktor Zeit anbelangt als auch die Kosten. (Lesen Sie zum Thema 'Serielles/Modulares Bauen' auch das Interview mit Markus Richthammer von Max Bögl auf der Seite 5.)ABZ: Mit Blick auf das jüngst beschlossene Maßnahmenpaket von Union und SPD: Leistet denn auch die Politik ihren Beitrag?Babiel: Die Bauindustrie kann die bestehenden Herausforderungen sicher nicht allein lösen. Damit wir unseren Beitrag, etwa zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, leisten können, müssen auch andere Faktoren stimmen. Dafür brauchen wir u. a. weniger Restriktionen durch ausufernde Regelwerke und vor allem mehr und günstigeres Bauland. In erster Linie muss die Politik dafür sorgen, dass schneller geplant werden kann. Darüber hinaus muss die Politik die Voraussetzungen schaffen, dass wir gerade im öffentlichen Bau mit verschiedenen Partnerschaftsmodellen an die Arbeit gehen können. Das ist ein dickes Brett, das die Politik da vor sich hat. Neben diesen konkreten Maßnahmen halten wir es auch für wichtig, den Dialog mit den Partnern des "Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen" aufrechtzuerhalten.Leider ist nicht alles Gold was glänzt, nämlich dass es trotz der Bekenntnisse aller relevanten Verbände und vieler Stimmen aus der Politik kein gemeinsames Bau- und Verkehrsministerium geben wird. Wir sind gezwungen, einen Weg zu finden, wie die Ineffizienz der vergangenen Jahre aufgelöst werden kann und die Ressortteilung nicht zum Nachteil für die Bauwirtschaft wird.
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