Ausschreibungsplattform

Angebot zu spät eingegangen – aber trotzdem wirksam

von: RA Susanne Corinth
Darum geht's: Grundsätzlich ist ein Angebot, das nach Ablauf der Angebotsfrist eingeht von dem weiteren Vergabeverfahren auszuschließen. Wenn die Ursache für die Verspätung an der besonderen Bedienung der Vergabeplattform liegt und der öffentliche Auftraggeber über die besonderen Anforderungen nicht belehrt hat, ist das verspätet eingereichte Angebot dennoch zuzulassen. (Vergabeprüfstelle Rheinland-Pfalz, Entscheidung vom 25. Mai 2023, VPS 12/23)
Rechteck Vergaberecht
Das Abfragefenster für Username und «Password» auf einer Internetseite sind auf dem Monitor eines Laptops zu sehen. Auftraggeber sollten prüfen, ob die von Ihnen für die Durchführung der Vergabe ausgewählte Ausschreibungsplattform spezielle Anforderungen vorsieht und in den eigenen Vergabeunterlagen ausreichende Hinweise für die Bedienung vorgesehen sind. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

Die Auftraggeberin hatte eine Bauleistung über ein deutsches Vergabeportal öffentlich ausgeschrieben. Die Angebote sollten mithilfe einer weiteren Software eingereicht werden. Die Technik machte der Bieterin von Anfang an Probleme. Sie vertritt mehrere Gesellschaften, die jeweils einen eigenen Account bei der Vergabeplattform hatten. Mit dem jeweiligen Account in der nachgelagerten Software sollten vorher heruntergeladene Vergabeunterlagen eingesehen und Angebote eingereicht werden. Das Angebot sollte nur für eine bestimmte Gesellschaft abgegeben werden. Trotz Anmeldung mit dem Account der einen Gesellschaft wurden die Vergabeverfahren unter dem Account der anderen Gesellschaft angezeigt. Nachdem die Bieterin das Problem nicht selbst lösen konnte kontaktierte sie den technischen Support der Vergabeplattform. Nur mit dessen Hilfe war es möglich, sich im richtigen Account anzumelden. Die Frist zur Angebotsabgabe näherte sich jedoch immer weiter. Einer telefonischen Anfrage zur Verlängerung der Angebotsabgabefrist aufgrund der technischen Probleme stimmte die Vergabestelle nicht zu.

Sodann kam es zur nächsten technischen Schwierigkeit. Die Bieterin loggte sich auf dem Vergabeportal zunächst unter ihrer Info@... Adresse ein. Bei der zwingend erforderlichen zweiten Anmeldung für die nachgelagerte Software zur Abgabe der Angebote funktionierte der Login mit Info@ […] jedoch nicht. Erst durch nach Ausprobieren stellte die Bieterin fest, dass sie sich mit "info@..." anmelden musste. Diese weitere Verzögerung führte schließlich zu einer verspäteten Abgabe um zwei Minuten über das Fristende hinaus. Die Auftraggeberin schloss die Bieterin daraufhin wegen Verspätung von der Vergabe aus.

Dagegen legte die Bieterin Beschwerde ein und bekam Recht: Die Verspätung sei durch die ungewöhnliche Bedienung der Vergabeplattform bedingt gewesen und habe somit ihre Ursache beim Auftraggeber. Auf eine solche Besonderheit hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung müsse der Auftraggeber deutlich hinweisen, etwa in den Vergabeunterlagen mit Verweis auf die Support-Webseite oder eine Supporttelefonnummer. Die Vergabeprüfstelle stufte das Groß-Klein-Problem als Besonderheit bei der Bedienung der Vergabeplattform ein: "Nach § 11a Abs. 3 VOB/A ist der öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, alle notwendigen Informationen über die in einem Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel (Nr. 1), die technischen Parameter zur Einreichung von Teilnahmeanträgen, Angeboten mithilfe elektronischer Mittel (Nr. 2) und die verwendete Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren (Nr. 3) zur Verfügung zu stellen. Zu diesen notwendigen Informationen zählen Anleitungen.

Praxistipp

Auftraggeber sollten prüfen, ob die von Ihnen für die Durchführung der Vergabe ausgewählte Ausschreibungsplattform spezielle Anforderungen vorsieht und in den eigenen Vergabeunterlagen ausreichende Hinweise für die Bedienung vorgesehen sind.

Bieter haben grundsätzlich selbst dafür zu sorgen, dass sie ihre Angebote rechtzeitig einreichen. Sollte dies jedoch aufgrund technischer Probleme nicht möglich gewesen sein, lohnt ein genauer Blick auf die technischen Probleme und die Prüfung, ob diese ausnahmsweise dem Auftraggeber zuzurechnen sind. Wenn ja, muss unverzüglich gerügt werden.

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