Baurecht
Neues Verjährungsrecht für Baumängel im selbstständigen Beweisverfahren
von: Rechtsanwalt & Notar A.D. Prof. Rudolf JochemBei VOB/B-Verträgen führt eine Mängelanzeige vor Ablauf der Verjährungsfrist zur Hemmung der Verjährung, wenn die Mängelanzeige schriftlich mit der Aufforderung an den Unternehmer erfolgt, den Mangel zu beseitigen. Mit Zugang dieses Schreibens beginnt eine zweijährige Verjährungsfrist hierfür.
Ist die VOB nicht vereinbart, so gilt diese Regelung nicht. Es bleibt in diesen Fällen bei den gesetzlichen Regelungen für die Mängelverjährung.
Abhilfe schafft hierfür der Gang zu Gericht und der Zustellung eines Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens. In sehr komplexen Mängelfällen werden dabei häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Mängel geltend gemacht. Nicht selten werden mehrere Sachverständige unterschiedlicher Qualifikationen vom Gericht beschäftigt, diese Mängel zu untersuchen. Hinsichtlich der Verjährung tritt nach § 204 Abs. 1 Ziff. 7 BGB für die gemeldeten Mängel eine Verjährungshemmung ein, die sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens endet. Nach Ablauf dieser Hemmungsfrist läuft die nicht verbrauchte Verjährungsfrist weiter; das heißt war die vertraglich vereinbarte Verjährungsfrist mit Zustellung des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zu 80 Prozent verbraucht, so läuft der nicht verbrauchte Zeitanteil ab Beendigung des Verfahrens weiter.
Bei umfassenden selbstständigen Beweisverfahren mit vielen Mängelpunkten führte dies dazu, dass das selbstständige Beweisverfahren zu einzelnen Beweispunkten schon beendet worden ist, während andere Beweisthemen gegebenenfalls noch über Jahre hinaus im Verfahren erörtert wurden. Die Frage also lautete: Führt die Beendigung eines einzelnen Beweisthemas bereits zur Beendigung der Verjährung für diesen Mangelpunkt oder kann man abwarten, bis das selbstständige Beweisverfahren nach Klärung aller, auch der allerletzten Mängelpunkte insgesamt im Verfahren beendet ist?
Mit seiner Entscheidung vom 22.06.2023, Az.: VII ZR 881/21, hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung aus dem Jahr 1993 aufgegeben. Seinerzeit hat der BGH festgestellt, dass die Hemmungswirkung auf jeden einzelnen Mangelpunkt beurteilt werden müsse. Mit seiner neuen Entscheidung endet die Hemmung für alle in das Verfahren eingeführten Mängel jedoch insgesamt mit der Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens einheitlich. Die Hemmung damit sechs Monate nach der vollständigen Beendigung des gesamten selbstständigen Beweisverfahrens. Früher musste man deshalb höllisch aufpassen, dass bei langer Verfahrensdauer nicht doch für einzelne Mängel Verjährung eintritt. Das ist vorbei.
Praxishinweis
Diese Entscheidung des BGH zeigt, dass es sehr sinnvoll sein kann, alle streitigen Mängel in einem selbstständigen Beweisverfahren zu klären. Es sind für die Mängel keine einzelnen Fristen nachzuhalten. Es kann das Ende des Verfahrens insgesamt abgewartet werden.
Aber: Verjährung droht dennoch, wenn der erst spät erkannte Mangel erst nach Ablauf der vertraglichen Verjährungsfrist in das Verfahren einbezogen wird. Dann kommt die gesetzliche Verjährungshemmung zu spät.
Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden