Turbo für Bauvorhaben

Umweltverbände fürchten um Naturschutz

Berlin (dpa). - Vieles ist in Deutschland zu kompliziert - und deshalb langsam und teuer. Das ist die Diagnose von Bund und Ländern. Sie wollen Tempo machen. Doch was so positiv klingt, treibt Umweltschützer auf die Barrikaden.

Bund und Länder wollen bei der Energiewende und beim Bauen den Turbo zünden - doch Umweltverbände fürchten, dass das auf Kosten der Natur geschieht. Die am Montagabend beschlossenen Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren versprächen Geschwindigkeit durch den einseitigen Abbau von Umweltstandards, kritisierte der Naturschutzbund Deutschland. „Damit werden viele Errungenschaften des Umweltschutzes der letzten Jahrzehnte aufs Spiel gesetzt.”

Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten hatten sich zuvor in Berlin auf ein Bündel von Gesetzesänderungen geeinigt, die dafür sorgen sollen, dass Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken und Wohnungen schneller gebaut werden. Bürokratische und rechtliche Hürden sollen abgebaut werden.

Das Paket soll nach dem Willen des Kanzleramts das Kernstück des von Scholz vorangetriebenen Deutschlandpakts sein. Vor zwei Monaten hatte der Kanzler den Ländern und der „demokratischen Opposition” eine solche Zusammenarbeit zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen. In den letzten Jahrzehnten hätten Bund und Länder „mit großer Liebe und Zuneigung” immer mehr bremsende Vorschriften erfunden, sagte Scholz. Jetzt gehe es darum, „dass nicht noch ein Politiker sagt, alles soll schneller werden, sondern dass es tatsächlich passiert”.

Das Paket umfasst laut Scholz an die 100 Einzelregelungen, unter anderem zu Autobahnen und Zugtrassen, zum Bau von Wohnungen, dem Ausbau von Dachgeschossen, zu Schwerlasttransporten und dem Aufstellen von Mobilfunkmasten und Windrädern. Weitere Vereinfachungen im Gesundheitswesen und der Wasserstoffindustrie sollten folgen, kündigte der Kanzler an.

Für mehr Wohnungsbau wollen Bund und Länder zum Beispiel die Bauordnungen vereinheitlichen. Wenn ein Haus in einem Land genehmigt wurde, sollen für baugleiche Gebäude woanders weniger umfangreiche Verfahren gelten. Ein Dachgeschoss als Wohnung auszubauen, soll unter bestimmten Bedingungen ohne Genehmigung möglich sein. Der Um- und Ausbau von Wohnungen werde zudem nicht mehr an Auto-Stellplätzen scheitern, betonte der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU). Außerdem könne ein Windrad ohne weitere Genehmigung an der gleichen Stelle durch ein anderes ersetzt werden.

„Ich freue mich sehr darüber, dass wir einig sind als Bund und Länder, und das ist im Föderalismus eben wichtig”, betonte Rhein. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fasste zusammen: „Wir sind in Deutschland zu kompliziert, deshalb dauert alles zu lange, und das macht es am Ende natürlich noch zusätzlich teurer.” Jetzt solle vieles einfacher und damit auch billiger werden.

Oppositionsführer Friedrich Merz lobte vor allem die Länder, bei dem Thema nicht locker gelassen zu haben. Jetzt müssten aber schnell Gesetze kommen, sagte der CDU-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Branchenverband der chemisch-pharmazeutischen Industrie bezeichnete die Pläne als großen Wurf. „Ein zweijähriges politisches Tauziehen ist damit endlich beendet”, erklärte er. Viel zu lange seien komplizierte Verfahren ein Nadelöhr zurTransformation der Wirtschaft gewesen.

Umwelt- und Naturschutzverbände dagegen haben große Bedenken. Das Paket schränke Beteiligungsmöglichkeiten ein und senke Umweltstandards, warnte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Dabei werde Geschwindigkeit aktuell „in unterbesetzten Verwaltungen und Gerichten verloren und nicht durch das Abholzen von Wäldern gewonnen”.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte ebenfalls eine Absenkung von Umweltstandards zugunsten von Wirtschaftsinteressen. „Die Vorschläge wirken zunehmend wie eine Wunschliste der Industrie: Mit dem Argument eines vermeintlichen Bürokratieabbaus wird die Beschleunigung klimaschädlicher Vorhaben gerechtfertigt”, erklärte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Öffentliche Erörterungstermine würden eingeschränkt und Rechtswege beschränkt. „Umweltstandards zu senken und demokratische Teilhabe zu erschweren, wird Deutschland bestimmt nicht für die Zukunft rüsten”, warnte er.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) gingen auf die Kritik der Verbände ein: „Wir werden daher in der nun anstehenden Umsetzung dieser Verabredungen weiterhin darauf achten, dass Transparenz und Rechtsschutz gewahrt sowie Umwelt- und Naturschutzstandards nicht gesenkt werden”, versprachen sie. Schnellere Verfahren und weniger Bürokratie seien aber nötig, um Deutschland zu modernisieren und klimafreundlicher zu machen. „Nur wenn Deutschland schneller wird, bleiben wir wettbewerbsfähig”, argumentierten Habeck und Lemke.

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