Baurecht

Kann die Nachbesserung eines Mangels verweigert werden, wenn sie nur mit "unverhältnismäßigen Kosten" möglich ist?

von: RA Sophia Noll
In dem zugrundeliegenden Fall war die Auftragnehmerin mit der Reparatur von Sicherheitsventilen der Kälteanlage der Bestellerin beauftragt. Bei der Abdichtung der Verschraubungen verwendete die Auftragnehmerin ein Teflonband, welches für die Ausführungen der Arbeiten nicht geeignet war, da das in der Anlage verwendete Kältemittel langfristig das Teflonband zersetzen und in der Folge eine Undichtigkeit entstehen würde.
Rechteck Baurecht
Das Oberlandesgericht (OLG) im Justitzzentrum in Jena. Das OLG Jena entschied in einem Urteil zur Nacherfüllung bei Mängeln. Ein Auftragnehmer darf trotz bestehender Mängel die Nachbesserung des Mangels verweigern, wenn die Nachbesserung nur mit ,,unverhältnismäßigen Kosten“ möglich ist. Foto: picture alliance / dpa | Martin Schutt

Die Auftragnehmerin verweigerte die Nacherfüllung. Die Kosten zur Mangelbeseitigung seien höher als die Auftragssumme. Die Kosten der Selbstvornahme, die tatsächlich höher als die Auftragssumme waren, beanspruchte die Bestellerin klageweise von der Auftragnehmerin. Das OLG Jena entschied mit Urteil vom 11.07.2023 (7 U 328/20), dass die Auftragnehmerin die Nacherfüllung nicht verweigern durfte und daher die Kosten der Selbstvornahme trägt. Zu Recht!

Der Auftragnehmer darf trotz bestehender Mängel die Nachbesserung des Mangels verweigern, wenn die Nachbesserung nur mit ,,unverhältnismäßigen Kosten" möglich ist (§ 635 Abs. 3 BGB). Die Frage der "Verhältnismäßigkeit" kann jedoch nicht durch die Relation der Mängelbeseitigungskosten zu den Herstellungskosten des mangelhaften Werks entschieden werden. Es kommt vielmehr auf die Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall an.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Unverhältnismäßigkeitseinwand nur dann gerechtfertigt, "wenn das Bestehen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung mit Rücksicht auf das objektive Interesse des Bestellers an der ordnungsgemäßen Erfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist". Nur bei objektiv geringen Interessen des Bestellers und unangemessen hohem Kostenaufwand kann eine Verweigerung des Auftragnehmers in Betracht kommen. Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik können in der Regel keine Unverhältnismäßigkeit rechtfertigen. Auch in dem vorliegenden Fall war das Interesse der Bestellerin an der Funktionsfähigkeit der Klimaanlage, als wichtige Anlage für die gesamte Immobilie und ihren Wert, höher zu gewichten. Eine wirksame Leistungsverweigerung wegen unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungskosten kommt in der Regel nur bei geringfügigen Messdifferenzen an Bauteilen, die ohne technischen Nachteil bleiben, oder auch Schönheitsfehlern beziehungsweise optischen Mängeln, wenn dem äußeren Erscheinungsbild nicht eine bedeutsame Rolle zukommt, in Frage.

Praxishinweis

Sollte im Einzelfall der Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung greifen, ist zu beachten, dass dies nicht zur Folge hat, dass die Leistung als mangelfrei gilt. Der Einwand führt nur dazu, dass der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung verweigern kann und der Besteller daher keinen Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten hat. Der Besteller kann ohne Fristsetzung Schadensersatz oder Minderung verlangen, oder von dem Vertrag zurücktreten.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autorin

RA Sophia Noll

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

RJ-Anwälte ist eine überregional tätige Rechtsanwaltskanzlei mit Notariat spezialisiert auf Fragen des Bau- und Immobilienrechts.

https://www.rj-anwaelte.de

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