Fehmarnbelt-Querung

Viel Streit um ein Jahrhundertprojekt

von: Eva-Maria Mester, dpa
Fehmarnbelt-Querung Tunnelbau
Baumaschinen heben hinter einem Schild mit der deutschen und der dänischen Aufschrift "Wir bereiten den Fehmarnbelt-Tunnel vor" einen Entwässerungsgraben auf dem zukünftigen Baugelände aus. Foto: Markus Scholz/dpa

Fehmarn. – Der geplante Ostseetunnel erhitzt seit Jahren die Gemüter. Dem Bundesverwaltungsgericht liegen sieben Klagen gegen die Baugenehmigung vor. Dauer und Ausgang des Verfahrens sind noch völlig ungewiss. Aber auch andere Gerichte müssen entscheiden. Für die einen ist die feste Fehmarnbeltquerung eines der wichtigsten europäischen Infrastruktur-Projekte. Für die anderen ist der geplante Ostseetunnel zwischen Deutschland und Dänemark die größte Umweltsünde im Ostseeraum. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wollen Gegner des Vorhabens den Bau des Tunnels verhindern oder zumindest eine Änderung der Pläne erreichen. Sieben Klagen liegen dem 9. Senat des obersten Verwaltungsgerichts zur Entscheidung vor. Start des Verhandlungsmarathons ist der 22. September.Der rund 18 Kilometer lange Eisenbahn- und Straßentunnel soll voraussichtlich von 2029 an die deutsche Insel Fehmarn mit Dänemark verbinden. Geplant sind eine vierspurige Autobahn und eine zweigleisige Bahnstrecke. "Der Fehmarnbelt-Tunnel wird der weltweit längste Absenktunnel für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr werden", sagt Denise Juchem von der dänischen Femern A/S, die für den Bau und den Betrieb des Tunnels zuständig ist."Der Bau des Tunnels wäre eine ökologische Katastrophe", warnt der Meeresschutz-Experte des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Kim Detloff. "Dadurch werden wertvolle Riffe direkt auf und an der Trasse zerstört, und der Baulärm wird die Schweinswale aus ihrem Schutzgebiet im Fehmarnbelt vertreiben."

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Fehmarnbelt-Querung Tunnelbau
So soll der Eingang des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark auf der dänischen Seite bei Rodbyhavn einmal aussehen. Abb.: ICONO A/S/Femern A/S/dpa

Der Leiter des Bereichs Umweltpolitik beim NABU Schleswig-Holstein, Malte Siegert, verweist auf den aus Sicht der Tunnelgegner mangelnden Bedarf. "Im Planfeststellungsbeschluss ist von gerade mal 12.000 Fahrzeugen täglich die Rede, die sich der Vorhabenträger auch noch mit dem Fährbetreiber Scandlines wird teilen müssen", sagt Siegert. Dafür würde in Deutschland nicht mal eine Ortsumgehung gebaut. Auch das Aktionsbündnis gegen eine feste Beltquerung klagt gegen die Baugenehmigung, die Schleswig-Holsteins Verkehrsministerium im Januar 2019 erteilt hat. "Wir halten den Planfeststellungsbeschluss in weiten Teilen für rechtswidrig, weil das Land mit seinem Beschluss weitgehend den teilweise auf Täuschungen basierenden Angaben der Vorhabenträger gefolgt ist", sagt der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Hendrick Kerlen.Das dänische Parlament hatte bereits im April 2015 auf der Basis einer Umweltverträglichkeitsstudie ein Baugesetz verabschiedet. Im Rahmen der Anhörung waren in Dänemark nach Angaben des Kieler Verkehrsministeriums 41 Stellungnahmen von Behörden, Interessensverbänden, Unternehmen und Bürgern eingegangen. Zum Vergleich: In Deutschland gab es mehr als 12.000 Einwendungen.Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der vorläufige Höhepunkt eines zum Teil schon Jahrzehnte langen Kampfes der Menschen im Kreis Ostholstein, aber auch darüber hinaus, gegen das Verkehrsprojekt mit europäischer Bedeutung. Die EU-Kommission stuft die feste Beltquerung als prioritäres Projekt und Teil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes ein. Das Programm soll den Binnenmarkt stärken, unter anderem durch bessere Transportkorridore in Europa.Für die überwiegend aus den Reihen der Wirtschaft kommenden Befürworter ist die feste Fehmarnbeltquerung mehr als ein reines Infrastrukturprojekt. "Sie ist ein Baustein für die weitere europäische Integration in derzeit für Europa herausfordernden Zeiten", sagt Arno Probst, Vorsitzender des Fehmarnbelt Business Council (FBBC). Es ist ein Zusammenschluss von elf Wirtschaftsverbänden aus Norddeutschland, Dänemark und Südschweden, der nach eigenen Angaben mehr als 400.000 Unternehmen repräsentiert. "Wir sehen in der Verbindung einen Katalysator für die regionale Entwicklung auf der Achse Hamburg, Lübeck, Kopenhagen, Malmö", sagt Probst.Gegen das Vorhaben klagen neben dem NABU und dem Aktionsbündnis auch zwei Fähr-Reedereien, ein Landwirt und mehrere Kommunen. Die Stadt Fehmarn wendet sich dagegen, dass sie von Beginn der Bauarbeiten an für den Brandschutz im deutschen Teil des Tunnels zuständig sein soll. Sie wehrt sich gegen eine im März 2019 in Kraft getretene gesetzliche Regelung über die Erweiterung der behördlichen Bezirke. Diese hat zur Folge, dass die Freiwillige Feuerwehr der Stadt in der Bauphase und später beim Betrieb des Tunnels auf deutscher Seite für Einsätze im Brandschutz und zur Hilfeleistung bei Not- und Unglücksfällen zuständig sein wird. Fehmarn dadurch rechnet mit jährlich rund 3 Millionen Euro zusätzlichen Kosten und sah sich in seinem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt. "Das Land hat uns das auferlegt, ohne die Finanzierung verbindlich zu regeln", sagt Fehmarns Bürgermeister Jörg Weber (SPD). "Gegen diese Regelung haben wir vor dem Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgericht und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt", sagt er. Das Landesverfassungsgericht hat nun sein Urteil verkündet. Demnach hat das Land Schleswig-Holstein die Zuständigkeit der Stadt Fehmarn auf den Brandschutz im geplanten Fehmarnbelttunnel erweitern dürfen, muss aber die Kosten dafür übernehmen. Grundlage für den Bau der Verbindung ist der im September 2008 unterzeichnete Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark. Doch die Idee ist viel älter. Bereits 1940 gab es erste Überlegungen, sowohl den Fehmarnsund – die Meerenge zwischen Fehmarn und dem schleswig-holsteinischen Festland – als auch den Fehmarnbelt zwischen Fehmarn und Lolland mit Brücken für Eisenbahn und Autobahn zu überqueren. Nach Ansicht des Fehmarnbelt-Komitees – eines deutsch-dänischen Koordinationsgremiums – könnten von dem Projekt mehr als 1,3 Millionen Menschen zwischen Lübeck und der dänischen Region Sjælland profitieren. Man erwarte, dass durch die Verbindung die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Branchen intensiviert werde, argumentiert das Fehmarnbelt-Komitee. Das gelte beispielsweise für den Arbeitsmarkt, den Bildungssektor und den Tourismus.Die Gegner des Tunnels befürchten dagegen gerade im Tourismus herbe Einbußen. "Der Tunnelbau hat für den Ostsee-Tourismus gravierende Folgen", sagt Karin Neumann, Sprecherin der Initiative Beltretter. "Fehmarn wird für viele Jahre eine Großbaustelle sein, wo kein Mensch mehr Urlaub machen möchte."Wann es ein Urteil geben wird, ist noch offen. Der NABU rechnet mit einer Urteilsverkündung frühestens Ende 2020. "Wir haben sehr gute Gründe zu glauben, dass es erhebliche ökologische Hindernisse für die Verwirklichung der Pläne in der gegenwärtigen Form gibt", sagt Siegert.

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