Klimaneutrales Wohnen

Senat stellt Fahrplan vor

Hamburg (dpa). - Zum Erreichen der Klimaziele im Wohnbereich sind in Hamburg bis 2045 Sanierungen im Umfang von mindestens 32 Milliarden Euro nötig.

Das geht aus einer Machbarkeitsstudie hervor, die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) Anfang 2020 in Auftrag gegeben und kürzlich vorgestellt hat. Sie biete erstmals einen repräsentativen Überblick über die energetische Ausgangssituation im gesamten Gebäudebestand der Stadt - etwa zu Gebäudetyp, Alter, Energieverbrauch und Sanierungszustand. Hamburg sei damit bundesweit Vorreiter. „So etwas gibt es sonst nirgendwo.”

Die Investitionskostenschätzung beruht allerdings auf dem Stand von Ende vergangenen Jahres. Aktuell dürfte sie wegen der Preissteigerungen bei 40 Milliarden liegen, sagte Dietmar Wahlberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, ARGE-SH, der die Studie, in die fünf Gutachten einflossen, erläuterte.

Sanierungsrate soll gesteigert werden

Um bis 2045 Klimaneutralität herzustellen, wolle der Senat die Sanierungsrate - das ist der Anteil der pro Jahr als vollsaniert eingestuften Gebäude - von derzeit ein Prozent auf 1,7 bis 1,8 Prozent steigern, sagte Stapelfeldt. „Die dafür notwendigen Maßnahmen leiten sich aus der vorliegenden Machbarkeitsstudie ab.” Bislang hatte der Senat eine Sanierungsrate von zwei Prozent als Ziel formuliert.

In Hamburg verursachen Mehrfamilienhäuser laut Studie zwei Drittel aller CO2-Emissionen im Wohnsektor, ebenso hoch liegt ihr Anteil am Energieverbrauch. Ein Drittel dieser Gebäude ist noch gar nicht oder nur gering saniert. Damit müssten 87.000 Wohngebäude in jedem Fall bis 2045 energetisch saniert werden. Ein weiteres Drittel ist nur teilweise saniert. Wahlberg sprach von der größten „Herausforderung, die wir nach dem Krieg erlebt haben”.

Die Maßnahmen müssten wirtschaftlich sein, damit das Wohnen bezahlbar bleibt, betonte Stapelfeldt. Der Senat wolle deshalb die Fördermittel für energetische Sanierungen in den kommenden vier Jahren um zusätzlich 210 Millionen Euro aufstocken. Klimaneutralität beim Wohnen sei nur zur erreichen, „wenn wir gemeinsam mit allen verantwortlichen Kräften, insbesondere den Partnern im Bündnis für das Wohnen in Hamburg und den Mietervereinen an einem Strang ziehen.” Eine Einschätzung, welchen Anteil die privaten Haushalte und insbesondere die Mieterinnen und Mietern an den Investitionskosten tragen müssen, wurde nicht abgegeben.

Modernisieren nach dem Motto "Worst first"

Die größte „Hebelwirkung” sei mit der Sanierung der nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1978 gebauten Wohngebäude zu erreichen, die vielerorts das Stadtbild prägten, aber eine schlechte Energiebilanz aufwiesen, sagte Stapelfeldt. Beim Sanieren solle deshalb gelten: „Worst first”. Schon mit „geringinvestiven Maßnahmen” wie einem hydraulischen Abgleich der Heizungsanlagen oder dem Einsatz von Hocheffizienzpumpen könnten bereits bis zu 20 Prozent Heizenergie eingespart werden und damit eine große Wirkung mit vergleichsweise geringem Aufwand liefern.

Für solche Maßnahmen kündigte Stapelfeldt ein neues Förderprogramm an, dass Anfang nächsten Jahres starten soll. Unter anderem ist auch ein Förderprogramm zur Erstellung von Sanierungsfahrplänen für ganze Wohngebäudeportfolios geplant sowie ein weiteres zur Modernisierung von Mietwohnungen mit höherer Einkommens- und Mietpreiskappungsgrenze.

Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU, Anke Frieling, nannte die in der Studie entwickelten Szenarien „umsetzbar, aber sehr ehrgeizig – gerade aufgrund massiver Kostensteigerungen im Baugewerbe und allgemein steigender Kosten für Energie”. Völlig unklar bleibe zudem, ob es genügend Arbeits- und Fachkräfte gebe, um die Sanierungen umzusetzen.

Kernfrage bleibt unbeantwortet

Obwohl erheblich mehr Zeit für die Studie aufgewandt wurde als geplant, lasse sie eine Kernfrage unbeantwortet, monierte die wohnungspolitische Sprecherin der Linken, Heike Sudmann. „Was heißt das für die Mieter:innen? Klimaneutrale Wohnungen, die sich die Mieter:innen aber nicht mehr leisten können, wären sozialpolitisch verheerend”, warnte sie.

Alexander Wolf, Stadtentwicklungsexperte der AfD, verwies ebenfalls auf die hohen Kosten. „Die Bürger wissen heute schon nicht, wie sie die Mieten bezahlen sollen. Sie bezahlen für die Studie selbst, die Förderprogramme und sollen jetzt noch die Milliarden-Kosten der energetischen Sanierungen schultern.”

Anna von Treuenfels-Frowein von der FDP bezweifelte, dass die von Stapelfeldt angekündigten 210 Milliarden Euro zusätzlich für neue Förderprogramme in den kommenden vier Jahren genügend Anreize bilden. „Das dürfte hinten und vorn nicht reichen, um die geringe Quote der Sanierungen in den kommenden Jahren deutlich zu steigern.”

Ein „Tropfen auf den heißen Stein”

Beim Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen war angesichts der erwarteten Gesamtinvestitionen von mindestens 32 Millionen Euro von einem „Tropfen auf den heißen Stein” die Rede. VNW-Direktor Andreas Breitner begrüßte aber, „dass die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele an die Wirtschaftlichkeit und die Sozialverträglichkeit der resultierenden Wohnkosten geknüpft werden.”

Kritik kam von BUND und Fridays for Future (FFF). „Die Machbarkeitsstudie liefert mäßig ambitionierte Wünsche für Sanierungsraten”, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer. Beide Umweltorganisationen kritisierten, dass der Senat auf Freiwilligkeit setze. „Indem die SPD ausschließt, Sanierungen vorzuschreiben, nimmt sie bewusst in Kauf, dass Mieter:innen sich in den kommenden Jahren weiter Sorgen vor immensen Heizkostenrechnungen machen müssen”, sagte FFF-Sprecherin Annika Rittmann.

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