Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG

„Gemeinschaftliche Kraftanstrengung begreifen“

von: Christoph A. Hagemeier
Nieder-Ofleiden. – Die steinexpo fand jüngst erneut im Steinbruch in Nieder-Ofleiden bei Marburg statt, der von der Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG betrieben wird. Vorstandssprecher Christoph A. Hagemeier warf anlässlich der Messe einen kritischen Blick auf die Herausforderungen für Unternehmen der Branche und die aktuellen politischen Rahmenbedingungen in Deutschland.
Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG Rohstoffwirtschaft steinexpo
Christoph A. Hagemeier ist Vorstandssprecher der Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG, hessischer Landesvorsitzender des Bau- und Rohstoffverbandes „vero“ und Vizepräsident des Deutschen Asphaltverbandes. Foto: Geoplan

In diesen Tagen überwiegen auch bei mir Nachdenklichkeit und Sorge im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen und die Zukunft unseres Landes. Unternehmer sind eigentlich Berufs-Optimisten und müssen doch immer realistisch auf die Rahmenbedingungen und in die Zukunft schauen. Viele der aktuell im Rhein-Main-Gebiet laufenden oder in der Planung befindlichen Schienenprojekte wie die Regionaltangente West, die Nordmainische S-Bahn, die Strecke Frankfurt–Fulda und nicht zuletzt ein neuer Fernbahnhof für Frankfurt sind unter anderem ohne die zuverlässigen Lieferungen aus hessischen Naturstein-Betrieben kaum denkbar. Dies ist nur beispielhaft für viele andere Betriebe der Rohstoff-Industrie in Deutschland und andere Bereiche wie den Wohnungs- und den Straßenbau.

Doch ist das den für die Zukunft dieses Landes Verantwortlichen klar? Gelingt es uns Unternehmern und Verbandsvertretern ausreichend, die Bedeutung solcher regionaler Basis-Rohstoffe für unsere Volkswirtschaft zu vermitteln? Werden wir vor allem auch von denjenigen gehört und verstanden, die in Regierungsverantwortung sitzen?

Ich muss zugeben, dass ich daran zweifle – auch manchmal verzweifle. Nach den Erfahrungen mit Lieferketten während der Pandemie, die nahtlos in die Nöte der Ukraine-Krise übergingen, durften wir eigentlich die Hoffnung haben, dass die Konsequenzen fehlender Grundstoffe jedem klar geworden sind. Aktuell funktioniert die Versorgung mit oberflächennahen Rohstoffen in Deutschland im Großen und Ganzen noch – wir profitieren von unseren, im wahrsten Sinne des Wortes, soliden Grundlagen. Aber wie lange hält dieses Fundament noch?

Dann brauchen wir auch langfristig regionale Rohstoffbetriebe in Deutschland.

Christoph A. Hagemeier

Wollen wir auch diesen Standortvorteil unseres Landes leichtfertig, teils aus ideologischem Wunschdenken, teils aus Unwissenheit und Bequemlichkeit verspielen? Noch kann sich die Gesellschaft auf unsere verantwortliche Nutzung der genehmigten Rohstoff-Vorkommen verlassen. Noch können wir uns an einigen Orten auf funktionierende Verwaltungen, handlungsfähige Behörden und einen partnerschaftlichen Umgang mit der Kommune und den Bürgern stützen.

Doch das, was wir insgesamt in diesem Land im Hinblick auf politische Nicht-Unterstützung, ausufernde Bürokratie und Umweltgesetzgebung, Komplexität verbunden mit teils absurder Dauer von Genehmigungsverfahren für viele unserer Projekte erleben, kann uns nur mit Sorge erfüllen. Auch bei der heimischen Rohstoffgewinnung laufen wir sehenden Auges "vor die Wand", wenn wir es nicht noch gemeinsam schaffen, aktiv gegenzusteuern.

Wir sollten uns nichts vormachen: Kinderbetreuung, Schulen, Verteidigung, Gesundheit, Infrastruktur und so weiter – sehr vieles in Deutschland funktioniert nicht mehr flächendeckend so, beziehungsweise in der Güte, wie man es von einem der wohlhabendsten Industrieländer der Welt erwarten dürfte.

Die dabei schlechte wie zugleich doch, noch, hoffnungsfroh stimmende Nachricht: Es hat wahrscheinlich in all diesen Feldern genauso begonnen wie jetzt mit der Rohstoffindustrie: Die Erkenntnis der strukturellen Herausforderungen gab es viele Jahre zuvor – passiert ist dann viel zu wenig und dann verwaltet man in Deutschland den Mangel und tut möglichst lange so, als ob man noch gut aufgestellt wäre. Doch wir steigen ab, auch wenn man uns mit noch mehr Schulden, unzähligen Subventionen und allerlei Bonbons bei Laune halten will. Der gesunde Menschenverstand gilt bei Teilen unserer Regierungsverantwortlichen leider sehr offensichtlich nur so lange, wie er sich mit der eigenen Ideologie verträgt. Dies muss sich in Fragen der Basisversorgung dieses Landes dringend ändern.

Betrachten wir diesbezüglich den mittlerweile inflationär gebrauchten Begriff einer "Wende": Im Auslandsstudium zu verschiedenen Kapitalismusmodellen erfuhr ich einst von der Bewunderung Anderer für das deutsche Modell des ständigen Verbesserns der Technik und der Produkte in der Industrie, ohne das Bewährte zu abrupt zu verwerfen oder zu gefährden – des sogenannten "incremental change". Diese Stärke scheint vielen politischen Entscheidungsträgern heute nicht mehr bewusst zu sein. Unsere Wenden sind zuallererst ideologisch geprägt.

Die "Energiewende": Wir wissen sehr genau, dass wir neben den Preisen mittelfristig ein Mengenproblem in der Stromversorgung bekommen. Trotz allem wünschenswerten Ausbau der Erneuerbaren brauchen wir eine Grundlast und insgesamt deutlich mehr Strom als vorher. Die Atomkraftwerke schalten wir europaweit als einzige überhastet ab. Wie die notwendigen neuen Gaskraftwerke in dem engen Zeitfenster noch geplant, genehmigt und gebaut werden sollen – ein Rätsel.

Die "Verkehrswende": Wer hat sich eigentlich diesen Begriff ausgedacht? Er mag dem großstädtischen Wähler aus der urbanen Altbauwohnung viel Hübsches suggerieren, ignoriert begrifflich aber die Tatsache, dass in jedem für uns absehbaren Zukunftsszenario der Straßenverkehr hauptverantwortlich für den Transport von Personen und Gütern in Deutschland bleibt. Das heißt, Widerstand gegen Erhalt und da, wo absolut sinnvoll, den Ausbau von Straßen, den Pulsadern unseres Landes oder die Gewinnung der dafür benötigten Rohstoffe, ist mit gesundem Menschenverstand eigentlich nicht nachzuvollziehen.

Von der "Energiewende" über die "Verkehrswende" zur "Rohstoffwende" – heißt es nicht eigentlich, aller guten Dinge sind drei? Das "Öko-Institut" belehrt uns in einem 200-Seiten-Papier, das im Nachgang der Tagung "Rohstoffwende 2049" veröffentlicht wurde, wie es sich nachhaltige Rohstoffwirtschaft vorstellt. Die Schilderung erinnert eher an eine Dystopie, denn an ein tragfähiges, die Gesellschaft nachhaltig und realistisch gestaltendes Zukunftsszenario.

Doch abseits der vertanen Chance sauberer Atomenergie- und Gasgewinnung in Deutschland, sieht es bei der Versorgung mit Basis-Rohstoffen für den Erhalt und den Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur, den Gewerbe- und Wohnungsbau womöglich bald ähnlich aus. Nun diskutiert und verfasst man vielerorts in regierenden Kreisen Papiere zur Rohstoffstrategie, die neben aktiver Angebots- und Nachfragevermeidung durch Überregulierung einen Schwerpunkt auf Recycling legen. Das Anstreben einer fast vollständigen Wiederverwendung von mineralischen Baustoffen und der prioritäre Einsatz von Recyclingprodukten sollte für alle Beteiligten eine Selbstverständlichkeit sein. Umso wichtiger ist es, dass alle an der Zukunftsentwicklung und -gestaltung Beteiligten jede Dimension der Realität im Blick haben. Es gilt, die immer gleichen Denk- und Kommunikationsfehler zu vermeiden.

Immer wieder wird auch bei der Rohstoffversorgung der Anschein erweckt, man könne die Grundrechenarten der Mathematik außer Kraft setzen. Dies suggeriert der Gesellschaft wiederum fatal Falsches. "Urban Mining" hört sich wunderbar an – jedoch ist nicht alles "urban" in diesem Land und selbst eine Recyclingquote von 100 Prozent reicht eben bei weitem nicht aus, um die Bedürfnisse eines Industrielandes an Basis-Rohstoffen zu befriedigen. Es kann also schon rein mathematisch keine wirkliche Rohstoff-Wende geben. Somit ist vollkommen unstrittig, dass auch in ferner Zukunft der Großteil der eingesetzten Baurohstoffe nur aus Primärrohstoffen bestehen kann, so wie ein Großteil dieser Güter weiter über daraus hergestellte Straßennetze transportiert werden muss.

Es geht um sehr viel: Wir müssen uns als Gesellschaft letztendlich die ehrliche Frage stellen, ob wir in Deutschland eine der führenden Industrienationen bleiben wollen. Dann brauchen wir auch langfristig regionale Rohstoffbetriebe in Deutschland. Wenn wir dagegen zulassen, dass die Sicherung des Zugriffs auf heimische Rohstoffe als gewinnorientiertes und womöglich umweltschädliches Individualbestreben von Unternehmen verteufelt wird, droht eine Entwicklung, die uns als Nation nicht nur um Jahrzehnte zurückwerfen, sondern völlig "aus dem Spiel" der Zukunftsgestalter nehmen wird. Wollen wir uns von unseren Enkelkindern vorhalten lassen, 2023 im 50. Jahr der Gründung der "Gruppe der Fünf", Vorläufer der "G7", unsere Gründungsidee verraten und uns langfristig von den "führenden Industrienationen der Welt" verabschieden?

Das Alternativszenario wäre eine – für uns alle in ihrer Ausgestaltung vermutlich gar nicht vorstellbare –Versorgung aus "externer" Hand: Wir wären dann selbst bei Basisrohstoffen auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nur kommen diese nicht durch Netze und Leitungen wie Strom oder Gas zu uns, sondern müssten über große Strecken unter horrenden Kosten und unvergleichbar viel CO2-Ausstoß per Schiff, Bahn und Lkw zu uns gelangen. Ein Szenario also, bei dem wirklich alle nur verlieren würden – allen voran unsere Umwelt und das Klima.

Auch wenn die Überzeugungsarbeit zu diesen und anderen eigentlichen Selbstverständlichkeiten zu unserem Wirtschaftsstandort derzeit leider erhebliches Frustrationspotential in Berlin, Wiesbaden und anderswo birgt. Nur wenn wir unser Wissen um den verantwortlichen Umgang mit den begrenzten Ressourcen unseres Landes als gemeinschaftliche Kraftanstrengung zwischen Unternehmen, Politik und Verwaltung begreifen, und auch die Bevölkerung überzeugen, dass diese ihren Teil der Verantwortung für eine angemessene Grundversorgung für die Gesellschaft mittragen muss, werden wir als Industrieland weiter erfolgreich sein können.

Wir müssen gemeinsam unsere Zukunft weiter auf dem für Deutschland so bekannten und vertrauten soliden Grund der Basisrohstoffen bauen, gepaart mit unseren Kernkompetenzen Innovationsfähigkeit, Schaffenskraft und Zielstrebigkeit. Es braucht aber auch den Mut zur Ehrlichkeit.

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Der Autor ist Vorstandssprecher der Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG, hessischer Landesvorsitzender des Bau- und Rohstoffverbandes „vero“ und Vizepräsident des Deutschen Asphaltverbandes.

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