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Kalkulationsirrtum berechtigtnicht zur Anfechtung
von: RA Sophia NollDarum geht's: Wer den Preis ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, trägt auch das Risiko, dass die Kalkulation stimmt.In dem durch das OLG Stuttgart mit Urteil vom 16. Mai 2024 (2 U 146/22) entschiedenen Fall kalkulierte der Unternehmer die Preise für Betonstahl und Betonstahlmatten für Unterstützungskörbe versehentlich nach dem Kilopreis, obwohl die Ausschreibung der Gemeinde auf Grundlage der VOB/A und VOB/B nach dem Tonnenpreis erfolgte. Der Unternehmer unterbreitete darauf ein Angebot, das rund 2 % unter dem Angebot des Zweit- und 8 % unter dem Angebot des Drittplatzierten lag.
Der Gemeinde fielen die verhältnismäßig günstigen Preise auf und sie bat um Aufklärung. Dadurch fiel dem Unternehmer sein Kalkulationsirrtum auf. Da das Angebot trotzdem auskömmlich war, hielt er an seinen Preisen fest. Die Gemeinde schloss den Unternehmer von dem Vergabeverfahren aus, da sie meinte, der Unternehmer sei wegen des Kalkulationsirrtums zur Anfechtung berechtigt. Der Unternehmer verlangte daraufhin Schadensersatz von der Gemeinde u.a. wegen entgangenen Gewinns. Zu Recht entschied das OLG Stuttgart.
Die § 119 ff. BGB ermöglichen die Anfechtung einer Willenserklärung mit der Rechtsfolge, dass ein dadurch geschlossener Vertrag rückwirkend von Anfang an nichtig ist. Anfechtungsgründe bestehen in Bausachen regelmäßig, in dem Irren über wesentliche Eigenschaften einer Person (zum Beispiel vermeintliche Fachkunde des Vertragspartners) oder dem Irren bei Abgabe der Erklärung (zum Beispiel durch Versprechen oder Verschreiben).
Kein Irrtum, der zur Anfechtung der abgegebenen Willenserklärung berechtigt, ist der (verdeckte oder interne) Kalkulationsirrtum. Grund dafür ist, dass der Kalkulationsirrtum auf einem Irrtum in der eigenen Willensbildung beruht und nicht auf einem Irren bei Abgabe der Willenserklärung. Es handelt sich um einen schon im Stadium der Willensbildung unterlaufenden Irrtum im Beweggrund (unbeachtlicher Motivirrtum). Der Unternehmer hatte zur Preiskalkulation vorgefertigte Bausteine verwendet, wodurch sich der Fehler bereits in seiner vorgelagerten Kalkulation und nicht erst bei Übertragung der Preise in das Angebot eingeschlichen hatte.
Praxishinweis: Wer aufgrund einer für richtig gehaltenen, tatsächlich aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen Preis/eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, trägt das Risiko dafür, dass die Kalkulation zutrifft. Selbst wenn der Auftraggeber den Kalkulationsirrtum erkannt hat, ist eine Anfechtung nicht möglich. Den Auftraggeber trifft jedoch eine Hinweispflicht. Verletzt der Auftraggeber die Hinweispflicht kann er zum Schadensersatz verpflichtet sein.
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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden
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Praxishinweis: Wer aufgrund einer für richtig gehaltenen, tatsächlich aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen Preis/eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, trägt das Risiko dafür, dass die Kalkulation zutrifft. Selbst wenn der Auftraggeber den Kalkulationsirrtum erkannt hat, ist eine Anfechtung nicht möglich. Den Auftraggeber trifft jedoch eine Hinweispflicht. Verletzt der Auftraggeber die Hinweispflicht kann er zum Schadensersatz verpflichtet sein.
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