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Keine originäre Architektenvollmacht für Nachträge
von: Rechtsanwalt & Notar Johannes JochemDarum geht's: Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Architekt ohne ausdrückliche Bevollmächtigung durch seinen Auftraggeber (Bauherr) für diesen nicht vertretungsberechtigt in den Bauvertragsangelegenheiten ist. Deswegen kann er keine geänderten oder zusätzlichen Leistungen anordnen und somit den Auftraggeber wirtschaftlich verpflichten. So ist die vertragliche Rechtslage. In der tatsächlichen Baustellenkommunikation hingegen ist der bauüberwachende Architekt der Hauptansprechpartner für die Baufirmen und meist der einzige Ansprechpartner.
Gerade wenn es zu Bauablaufstörungen kommt und/oder die Einhaltung des Bauzeitenplans in Verzug zu drohen kommt, ordnet nicht selten der Architekt Stundenlohnarbeiten an, nicht selten um eigenes pflichtwidriges Verhalten aus der Planungs-, Koordinierungs- oder Überwachungsphase "nachzubessern". Der Bauleiter ist jedoch ohne besondere Beauftragung des Auftraggebers grundsätzlich nicht zum Abschluss von Stundenlohnvereinbarungen berechtigt. Eine solche Berechtigung ergibt sich selbst dann nicht, wenn der Auftraggeber eine Vertragsbedingung vorformuliert hat, wonach Stundenlohnarbeiten vergütet werden, wenn sie vorher schriftlich angeordnet worden sind. Eine solche Klausel berechtigt den Architekten bereits sprachlich nicht, den Auftraggeber rechtsgeschäftlich zu vertreten (OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2012, Az.: 21 U 85/11). Dies wird gerne in der regen Betriebsamkeit des Bauablaufes übersehen.
Der im wohlgemeinten Interesse des Bauherrn agierende Bauunternehmer wird nicht selten um seinen Vergütungsanspruch streiten müssen, eventuell sogar leer ausgehen.
Folgen für die Praxis: Sofern der Bauunternehmer tatsächlich nicht wissen kann, ob dem Architekten die erforderliche Vertretungsmacht fehlt, greifen gegebenenfalls zu seinen Gunsten die Regeln der sogenannten Anscheins- und Duldungsvollmacht. Dies sind von der Rechtsprechung entwickelte und allgemein anerkannte Formen der Vertretungsmacht. Hierauf darf und soll sich der Bauunternehmer jedoch nicht verlassen. Er ist daher gut beraten, den Bauherrn formell direkt anzuschreiben und über die Anordnungen des Architekten informieren. Danach sollte er die Beauftragung oder Zustimmung durch den Bauherrn nachfassen. Auf diesem Wege können zudem Detailstreitigkeiten über Einzelheiten der Vergütung vermieden werden.
Die Rechtsprechung macht nur eine Ausnahme, wenn die zusätzlichen oder geänderten Leistungen von völlig untergeordneter Bedeutung sind, oder es ist Gefahr in Verzug. Als Faustregel gilt: "Da wo der Geldbeutel des Auftraggebers anfängt, hört die Vertretungsmacht des Architekten auf."
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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden