Wacker Neuson Group-Vertriebsvorstand Alexander Greschner
Die Kunden sind in der Krise offener geworden
ABZ: Herr Greschner, spätestens seit März dieses Jahres gelten für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in der gesamten Welt andere Regeln. Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Greschner: Der Warnschuss kam für uns sehr früh, nicht zuletzt durch die Auswirkungen auf unsere Produktion in China. Bereits Ende Januar haben wir entsprechende Vorbereitungen getroffen. Von Tag eins an haben wir dabei darauf geachtet, den Kontakt zu unseren Kunden zu halten. Vor allem um zu signalisieren, dass wir weiter da sind, um uns um ihre An-liegen zu kümmern.
Was uns natürlich stark getroffen hat, war das Thema Lieferketten. Auch wenn wir hierfür frühzeitig sensibilisiert waren, mussten wir, wie alle anderen auch, Ausfälle und Verzögerungen hinnehmen. Hinzu kamen die teils großen Unsicherheiten, die sich zeitweise in vielen Märkten breit gemacht haben. In Deutschland, wo die Baustellen fast ohne Einschränkungen weitergelaufen sind, war dies glücklicherweise nicht so ausgeprägt.
ABZ: Welche Maßnahmen hat die Wacker Neuson Group an ihren Produktions- und Entwicklungsstandorten umgesetzt?
Greschner: Auch bei uns hat natürlich das Thema Homeoffice stark an Bedeutung gewonnen. Teilweise haben bei uns bis zu 2500 Mitarbeiter von zuhause aus gearbeitet. In der Produktion, die zeitweise durch stockende Lieferketten blockiert war, haben wir zunächst Urlaubstage vorgezogen. Anschließend sind wir teilweise in Kurzarbeit gegangen. Mit Ausnahme der USA sind wir jedoch in allen anderen Werken wieder im Regel-betrieb.
Interessant ist, dass die zu Beginn auch in den Vertriebsgesellschaften eher improvisierten Schichtmodelle durchaus Anklang gefunden haben. Während unsere Mitarbeiter die Schichtarbeit zum Beispiel nutzen konnten, um in den Sommermonaten früher oder später zu arbeiten, haben unsere Kunden unter anderem davon profitiert, dass die Werkstätten unserer Vertriebsfirmen über einen längeren Zeitraum am Tag besetzt waren. Vieles von dem, was wir in der Krise behelfsmäßig eingeführt haben, werden wir in der einen oder anderen Form sicherlich weiterführen.
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ABZ: Wie hat sich unter diesen Voraussetzungen das Geschäft entwickelt?
Greschner: Wir sind ins erste Quartal sehr positiv gestartet. Dann kam China und daraufhin der Rest der Welt. Am Ende liegen wir beim Umsatz im ersten Halbjahr rund 16 Prozent unter dem Vorjahreswert. Dabei ist die Entwicklung regional jedoch sehr unterschiedlich. Entscheidend war vor allem die Baustellenaktivität in den einzelnen Ländern. Sehr positiv ist die Entwicklung in der DACH-Region. In Deutschland und der Schweiz liegen wir sogar über dem Vorjahreswert – und das trotz einer bauma im vergangenen Jahr. Stärker getroffen hat es uns in den umliegenden Ländern wie Frankreich und England.
Maßgeblich für den Umsatzrückgang waren jedoch die amerikanischen Märkte. Besonders dramatisch sieht es dabei in Südamerika aus. In Ländern wie Peru oder Chile verzeichnen wir derzeit so gut wie keine Aktivität mehr. In Nordamerika ist die Situation zwiegespalten. Während sich Kanada schneller erholt, sieht es in den USA eher kritisch aus. Aufgrund der aktuellen Situation herrscht hier große Unsicherheit, die zu starker Zurückhaltung bei den großen Vermietern im Land geführt hat.
Mit dem Rückgang in der Krise können wir alles in allem gut umgehen. Auch, weil es uns gelungen ist, ein sehr erfolgreiches Liquiditätsmanagement auf die Beine zu stellen. Dadurch, dass wir nach einem positiven ersten Quartal mit hohen Lagerbeständen in die Krise gegangen sind, hatten wir die Möglichkeit, diese während der Krisenmonate zu nutzen und abzubauen. Das hat die Liquiditätssituation entlastet.
ABZ: Mussten Sie Investitionen zurückstellen?
Greschner: Bislang ist das lediglich in Nordamerika der Fall. Dort planen wir den Ausbau unseres Logistikzentrums, der aufgrund der aktuell angespannten Situation in den USA nun auf das kommende Jahr verlegt wurde. Andere bereits laufende Investitionsvorhaben, wie beispielsweise bei Kramer in Pfullendorf und bei Weidemann in Korbach, laufen wie geplant weiter. Alle operativen Themen wie die Forschung und Entwicklung für neue Produkte werden bewusst weitergeführt. Hier muss man einfach am Ball bleiben, gerade jetzt. Insbesondere, was das Thema Digitalisierung angeht, aber auch die Elektromobilität, sind die Kunden in der Krise deutlich offener geworden. Das Gleiche gilt übrigens für flexible Miet- beziehungsweise Mietkauflösungen, weshalb wir die Investitionen in unseren Mietpark in der Krise sogar erhöht haben.
ABZ: Das heißt, es gibt auch positive Effekte?
Greschner: Durchaus. Die Nachfrage im Mietsegment ist deutlich gestiegen. Ein zentrales Thema, das wir noch weiter ausbauen konnten, ist der Mietkauf, der für unsere Kunden in unsicheren Zeiten sehr interessant ist. Unser Vorteil ist dabei, dass wir über einen eigenfinanzierten Mietpark verfügen. Alle Produkte darin sind zu attraktiven Konditionen jederzeit verkäuflich. Das nehmen die Kunden aktuell sehr gut an.
Was jetzt ebenfalls stark nachgefragt wird, sind unsere Telematik-basierten Full-Service-Modelle, die wir im vergangenen Jahr unter dem Label 'WeCare' und 'EquipCare' eingeführt haben. Die Kunden begrüßen es sehr, dass unsere Mitarbeiter dabei aktiv auf sie zukommen, wenn eine Wartung oder Reparatur ansteht. Die Kunden können dabei sehr gut steuern, wann unsere Mitarbeiter zu ihnen kommen. Auf diese Weise können wir sie dabei unterstützen, das Personalaufkommen auf den Baustellen und damit das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Auch im Schulungsbereich haben wir in den letzten Monaten viel gelernt, was wir in Zukunft weiterführen können. Im vergangenen Quartal haben wir 3500 virtuelle Schulungsteilnehmertage durchgeführt. Zwar lässt sich durchaus nicht alles virtuell ersetzen, wir haben aber auch erlebt, dass sich Schulungen digital mitunter viel effizienter durchführen lassen.
ABZ: Nicht oder 'nur' virtuell finden derzeit auch zahlreiche Branchenevents statt. Wie sehr schmerzt Sie der Ausfall der GaLaBau in diesem Jahr?
Greschner: Sehr. Die GaLaBau war mit ihrem Standort in Nürnberg für uns nicht nur so etwas wie eine Hausmesse, sondern hat uns auch immer die Möglichkeit gegeben, hinsichtlich unseres Produkt- und Dienstleistungsprogramms aus dem Vollen zu schöpfen. Diese Messe ist mit digitalen Mitteln definitiv nicht zu ersetzen. Ich hätte mir gewünscht, dass die GaLaBau ins nächste Frühjahr verschoben wird. Allerdings kann derzeit niemand sagen, ob die Situation dann wirklich zulassen würde, dass solche Großveranstaltungen wieder stattfinden können. Wir arbeiten natürlich intensiv an alternativen Wegen, unsere Neuheiten öffentlich zu machen. Wir führen virtuelle Roadshows durch, arbeiten noch stärker mit klassischen Medien zusammen und haben unsere Social-Media-Präsenz deutlich erhöht. In jedem Fall ist es aber so, dass sich die Messen in ihrer ursprünglichen Form durch nichts ersetzen lassen. Was aber ohne den persönlichen Kontakt fehlt, ist das direkte Feedback; die Reaktionen im Gesicht der Kunden zu sehen, wenn wir ihnen unsere Neuheiten präsentieren.
ABZ: Welche Neuheiten hätten Sie ihren Kunden auf der GaLaBau präsentiert?
Greschner: Wir hätten in Nürnberg unter anderem ganz neue Produkte gelauncht. Dazu gehören die neuen Kettenbagger in der 4- beziehungsweise 5-Tonnen-Klasse, sprich der 4-Tonnen-Kompaktbagger ET42 und ein 5-Tonnen-Zero-Tail-Bagger, sowie unsere neue 4-Tonnen-Dumper-Linie. Das sind komplett neu konstruierte Maschinen, die wir in Nürnberg offiziell eingeführt hätten.
Auch bei unseren emissionsfreien Lösungen gibt es eine Neuheit, die wir in Nürnberg gerne gezeigt hätten: unseren ersten vollelektrischen Minibagger EZ17e in Zero Tail Ausführung, also komplett ohne Überhang. Neu an diesem Bagger ist auch, dass er an jeder Stromquelle flexibel und sicher aufladbar ist.
Nicht zuletzt hätten wir den Fokus im Baugerätebereich auf unseren neuen Akku gelegt. Hier haben wir die Kapazität um 70 Prozent erhöht und ein autonomes Batterie-Management integriert. Das heißt, der Akku begreift selbstständig, in welchem Gerät er sich befindet und kann in Stampfern, Vibrationsplatten und Betonverdichtern flexibel eingesetzt werden.
ABZ: Eine Messe, die in angepasster Form nach wie vor stattfindet, ist die NordBau beziehungsweise Fachausstellung Bau. Was hat Sie bewogen, daran teilzunehmen?
Greschner: Wir waren bereits vor Jahren einer der ersten Aussteller überhaupt auf der NordBau. Wir sind quasi Gründungsmitglied. Die damit verbundene Loyalität wollten wir, insbesondere meine Kollegen in Norddeutschland, nicht aufgeben. Wir haben hier intensiv mit unseren Kunden gesprochen, sie nach ihrer Bereitschaft gefragt, zu kommen, und was sie von einer solchen Ausstellung erwarten. Klar ist, dass es dort keine Fahrerbar oder Standparty geben wird. Das ist für die Kunden aber auch nicht wichtig. Sie wollen vor allem Innovationen sehen, kurz und knackig die wichtigsten Neuheiten präsentiert bekommen.
ABZ: Wie wird ihr Auftritt auf dieser Veranstaltung aussehen?
Greschner: Unser Auftritt wird natürlich ein anderer sein als bei bisherigen Veranstaltungen. Dabei wollen wir aber auch keinen Sicherheitsdienst vor den Stand stellen, vor dem die Besucher sich dann stellen müssen. Stattdessen haben wir den 'Ikea-Weg' gebaut (lacht). Soll heißen, es wird einen Pfad durch den Stand geben, an dem entlang die genannten Neuheiten ausgestellt sind. Nicht die ganze Palette, sondern das, was wirklich neu oder aktuell relevant ist.
ABZ: Prognosen sind derzeit nur schwer zu treffen. Dennoch die Frage: mit welchen Erwartungen oder auch Hoffnungen gehen Sie in die nähere Zukunft?
Greschner: Gerade jetzt ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir uns auf die Dinge fokussieren, die wir tatsächlich beeinflussen können. Das betrifft in erster Linie unser Investment in den Kunden, also Themen wie unsere Vertriebsstruktur, kurze Lieferzeiten, Dienstleistungen und virtuelle Potenziale sowie die Entwicklung neuer Produkte. Unsere Hoffnungen richten sich in diesen Tagen nach Amerika, dass sich die wirtschaftliche Atmosphäre auf dem Kontinent wieder normalisiert, so dass dort wieder Baubetrieb unter normalen Bedingungen stattfinden kann. Vor allem aber hoffen wir, dass es keine flächendeckenden Lockdowns inklusive Baustellenschließungen mehr geben wird. So lange die Baustellen offen sind, sind wir guter Dinge, dass es wieder bergauf geht.