Kommentar
Makulatur
von: Kai-Werner FajgaDie magische Zahl 400.000 wurde erneut postuliert, obgleich Experten dieses Ansinnen schon Anfang des Jahres 2022 als schwer realisierbar einstuften. Als im Mai zum Tag der Bauindustrie die führenden Verbände signalisierten, dass diese Zahl bei weitem nicht zu erreichen sei, gab sich die Ministerin weiter kämpferisch – die Haltung dürfe nicht sein, dass das nicht zu schaffen sei. Inzwischen dürfte auch im Bundesbauministerium Ernüchterung eingekehrt sein, denn anhaltende Lieferschwierigkeiten, Materialknappheit, Zinssteigerungen und explodierende Preise haben die Stimmung in der Wirtschaft und besonders die in der Bauindustrie inzwischen teilweise gekippt. Es sei mit weniger als 250.000 Neubauten zu rechnen, konstatierte Felix von Saucken, Head of Residential Investment, bei der international tätigen Immobilienberatung Colliers.
Der Rückgang sei auch nicht überraschend, sondern ein Trend, der bereits 2021 eingesetzt habe. Und dieser setze sich nun mit hoher Dynamik fort. Auch die IG BAU konstatierte, dass Deutschland alle 19 Minuten eine Sozialwohnung verliere – bundesweit habe der Bestand in 2021 trotz erhöhter Mittel des Bundes um rund drei Prozent abgenommen. Deutschland braucht nach wie vor eine Offensive im Wohnungsbau, fordert die Gewerkschaft. Das ist richtig, doch die Voraussetzungen dafür, die hehren Ziele der Regierung zu erreichen sind schlechter denn je. Die Preise steigen weiter, Lieferengpässe beim Baumaterial sind nach wie vor zu verzeichnen und die drohende Gasknappheit bringt weitere Ungewissheit, nicht nur für die Produktion im Baugewerbe. Zudem legen Wohnungsbaugesellschaften Projekte auf Eis oder verzögern sie.
Und ob sich Länder und Kommunen nun mit mehr Engagement ins Zeug legen, um Genehmigungsverfahren schneller zu entschlacken, mehr zu fördern oder zu bauen, darf bezweifelt werden. Das macht die Planungen der Regierung mindestens für das laufende Jahr zu Makulatur.