Internationale Baufachpresse zu Gast bei Liebherr

Digital und emissionsfrei in die Zukunft

von: Kai-Werner Fajga
Ulm/Bad Schussenried. – Ganze zwei Tage nahm sich Liebherr Zeit, um rund zwei Dutzend Journalisten der europäischen Baufachpresse das Neuste aus Forschung und Entwicklung vorzustellen. Am ersten Tag standen ausschließlich digitale Lösungen auf dem Programm, am zweiten präsentierte der Hersteller "Hardware" in Form von Baggern, Radladern, Kranen und Fahrmischern mit unterschiedlichen alternativen Antriebskonzepten.
Liebherr Digitalisierung
Der Verkaufsstart für den ersten batterieelektrischen Liebherr-Radlader L 507 E ist jetzt erfolgt. Foto: Kai-Werner Fajga

Zu Beginn seiner zweitägigen Tour lud der Hersteller Journalisten der Baufachpresse in einen mehrstöckigen Bürobau an der Peripherie von Ulm ein, wo sich das "LDC" befindet. Hinter dem Buchstabenkürzel verbirgt sich nicht weniger als das Liebherr-Digital Development Center, also somit quasi die Keimzelle digitaler Anwendungen des Anbieters. "Das LDC wurde 2020 gegründet und ist der Ort, wo Ideen und digitale Lösungen für die Zukunft kreiert werden", erklärt Heinz Klemm, Head of Liebherr Digital Development Center.

Für Liebherr stehe der Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen auch beim Thema Digitalisierung an erster Stelle. "Ziel unserer digitalen Lösungen ist es immer, messbaren Mehrwert für unsere Kunden und Partner zu schaffen", sagt Marcel Flir, Head of Digital Business and Strategy bei Liebherr. "Mit unseren Lösungen wollen wir vor allem mehr Effizienz, eine sichere und komfortable Bedienung von Maschinen und Anlagen sowie Zeit- und Kostenvorteile für unsere Kunden realisieren."

Wie solche Vorhaben mit Inhalt gefüllt werden, demonstrierte der Hersteller in den folgenden Stunden vortrefflich: In mehreren Vorträgen wurden unterschiedlichste Anwendungen präsentiert – von dem zentralen "MyLiebherr"-Kundenportal über die digitale Plattform "Tower Crane Portal 2.0"der Sparte Turmdrehkrane, die App "MyGuide for Earthmoving" speziell für Kunden und Maschinenbediener sowie Baumaschineninteressierte – bis hin zum digitalen Service "MyLiebherr Maintenance". Letzterer erlaubt es beispielsweise Liebherr-Kunden, Erdbewegungs- und Materialumschlagmaschinenflotten mit maximaler Zuverlässigkeit zu betreiben, indem Wartungshistorien zentral eingesehen und anstehende Wartungen analog dem Maschinendisplay optimal im Blick behalten und geplant werden können.

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Leitung (m/w/d) der Abteilung Tiefbau, Pullach im Isartal  ansehen
Seilbaggerfahrer (m/w/d), Jettingen-Scheppach  ansehen
Bauleiter (m/w/d) für Landschaftsbau- und..., Essen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Liebherr Digitalisierung
Für internationale Kunden werden auch bereits Auflieger-Mischermodelle mit elektrischem Antrieb gefertigt. Aus Sicherheitsgründen werden die Modelle bei der Endmontage "eingezäunt", um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Foto: Kai-Werner Fajga

Mit dem digitalen Service "MyLiebherr Performance" können Kunden zudem Leistungsdaten von Erdbewegungs-, Materialumschlagmaschinen und Anbauwerkzeugen im Blick behalten. So sollen ineffiziente Maschineneinsätze erkannt, Leerlaufzeiten reduziert und dadurch Kraftstoff eingespart werden können. Auch die "Lirecon"-Lösung (Liebherr Remote Control System) wurde im LDC entwickelt, der Begriff beschreibt einen Maschinenbediener-Arbeitsplatz im Büro mit Sitz, Bedienelementen und Monitor, mit dessen Hilfe Planierraupen aus der Ferne gesteuert werden können. Zusammen mit den modernen Assistenzsystemen von Liebherr, die für den Einsatz auf ferngesteuerten Maschinen unabdingbar sind, wertet dieses System den "Arbeitsplatz der Zukunft" für den Bediener auf, so Liebherr. Einige Software-Anwendungen sind schon für Kunden verfügbar oder haben gar ein "update" erfahren – andere befinden sich noch in der Erprobung bei Kunden.

"Hardware" in Bad Schussenried

Am zweiten Tag stand dann für die Baufachpresse-Vertreter die neueste "Hardware" von Liebherr im Vordergrund – sprich neue Baumaschinen und Mobilkrane. "In Bad Schussenried erwartet Sie eine Maschinenschau mit Schwerpunkt auf alternativen Antrieben", hatte der Hersteller im Vorfeld angekündigt – und beim Rundgang wurde schnell klar, dass elektrische Antriebe in der Gunst der Kunden momentan ganz ober auf der Liste stehen. Mit dem LTC 1050-3.1 präsentierte Liebherr einen Mobilkran mit elektrischem Antrieb aus der 50-Tonnen-Klasse, der bereits zur bauma 2022 vorgestellt wurde. Der Mobilkran MK 88-4.1stand Pate für das "Hybrid Power Concept" von Liebherr, er soll lokal emissionsfreies Arbeiten ermöglichen. Der alternative Kraftstoff HVO kann etwa für die Fahrt zum nächsten Einsatzort verwendet werden. Dort angekommen können Baustellenstrom oder ein mobiler batteriebasierter Energiespeicher die Energieversorgung übernehmen.

Ganz neu wurden der Mobilbagger A 916 E und der Radlader L 507 E vorgestellt. Der A 916 E ist dabei der erste batterieelektrische Mobilbagger der Firmengruppe und seit einigen Monaten in ausgewählten europäischen Ländern erhältlich. Der batterieelektrische MobilbaggerA 916 E entspricht in puncto Leistungsfähigkeit, Tragkraft und Performance vollumfänglich den Leistungsdaten eines Liebherr Standard-Mobilbaggers mit konventionellem Dieselantrieb, so der Hersteller. Mit Blick auf Energieeffizienz, Durchzugskraft und Agilität zeige der A 916 E dank seines elektrischen Antriebskonzeptes infolge eines höheren Wirkungsgrades jedoch klare Vorteile. Weil der A 916 E lokal keine CO2-Emissionen ausstoße und geräuscharm im Betrieb sei, eigne sich die Maschine beispielsweise für Einsätze im innerstädtischen Bereich oder geschlossenen Hallen. Das Modell ist mit einer 260-kWh-Batterieeinheit ausgestattet, je nach Einsatzort und Anwendung soll der Elektro-Mobilbagger damit bis zu neun Stunden betrieben werden können.

Liebherr Digitalisierung
Liebherr stellte auch den neuen batterieelektrischen Mobilbagger A 916 E vor, der in einigen Ländern Europas bereits erhältlich ist. Foto: Kai-Werner Fajga

Seit Oktober 2023 ist nun auch der batterieelektrische Radlader L 507 E bei Liebherr-Vertriebspartnern in mehreren europäischen Ländern erhältlich. Bei dem Modell handelt es sich ebenfalls um den ersten elektrifizierten Radlader der Firmengruppe. Auch hier ist die Leistungsfähigkeit des L 507 E identisch mit herkömmlich angetriebenen Liebherr-Radladern derselben Größenklasse. Aber: der Radlader L507e stößt lokal kein CO2 aus, die Lärmemissionen sind gering, versichert Liebherr.

Somit eigne sich der neue Radlader besonders für lärm- und abgassensible Einsätze, etwa im innerstädtischen Bereich oder in Hallen. Liebherr setzt beim L 507 E auf ein speziell für den Radlader-Einsatz entwickeltes Hochvolt-Batteriesystem, das eine kraftvolle Leistungsentfaltung und effiziente Ladevorgänge sicherstellen soll. Abhängig von den jeweiligen Einsatzbedingungen biete der L 507 E eine Laufzeit von bis zu acht Stunden. Das modulare Batteriekonzept von Liebherr ermöglicht es zudem, auf Kundenwunsch ab Werk einen zweiten Lithium-Ionen-Akku zu verbauen, wodurch sich die Laufzeit weiter erhöht. Vollständige Ladevorgänge seien, abhängig von der On-Board-Ladetechnik und Anschlussleistung, in circa eineinhalb bis drei Stunden möglich.

Auch mobil elektrisch

Auch über die dezentrale Stromversorgung von E-Fahrzeugen auf Baustellen hat man sich bei Liebherr Gedanken gemacht und mit Liduro Power Port (LPO) ein neues, mobiles Energiespeichersystem vorgestellt. Hybrid oder vollelektrisch betriebene Baumaschinen und Anlagen können mit dem mobilen Energiespeicher lokal emissionsfrei betrieben oder geladen werden. Der LPO biete eine hoch-effiziente Lösung zur mobilen Versorgung von Maschinen mit unterschiedlichsten Leistungsbereichen und Lastenspitzen. Das Serienprodukt soll ab 2024 in verschiedenen Leistungsbereichen mit bis zu 160 Kilowatt pro Stunde verfügbar sein. Es kann mit bis zu 32 Ampere geladen werden und über mehrere, gleichzeitig nutzbare Anschlüsse Strom an Verbraucher abgeben. Die Energie- und Zustandsüberwachung erfolgt über die lokale Steuerung und zusätzlich über eine digitale App für Desktop-Geräte, Smartphones und Tablets.

Liebherr Digitalisierung
Die neue ETM-Fahrmischer-Baureihe mit elektrischem Trommelantrieb erlaubt das lokal emissionsfreie Abladen von Beton in der Baustelle. Foto: Kai-Werner Fajga

Im Mischerwerk in Bad Schussenried fertigt Liebherr auch die neuen E-Fahrmischer für die Transportbetonbranche. Die ETM-Fahrmischer-Baureihe mit elektrischem Trommelantrieb soll nun das lokal emissionsfreie Abladen von Beton in der Baustelle erlauben. Hierbei sind unterschiedliche Konzeptionen für die Kunden möglich: die hybride Version auf Chassis mit konventionellem Dieselantrieb, die vollelektrische Version oder als Sattelauflieger mit beliebiger Zugmaschine.

Die Liebherr-Betonfahrmischer vom Typ ETM können mit konventionellen Diesel-Fahrgestellen kombiniert werden. Das heißt, die Fahrt von und zur Baustelle erfolgt per Dieselmotor. Auf der Baustelle erfolgt das Warten mit drehender Trommel, das Aufmischen und das Abladen per elektrisch angetriebener Trommel. Der elektrische Trommelantrieb wird von einer Batterie gespeist. Das Nachladen passiert während der Hin- und Rückfahrt über ein intelligentes Ladesystem, ein Laden an einer Ladesäule sei bei durchschnittlichen Liefertouren nicht notwendig. Laut Liebherr können im Vergleich zu herkömmlichen Betonfahrmischern bis zu 30 Prozent Kraftstoff und somit auch 30 Prozent CO2 eingespart werden.

Die ETM Fahrmischer-Baureihe kann auch auf vollelektrische Fahrgestelle aufgebaut werden. Der elektrische Trommelantrieb wird hierbei von der Chassis-Traktionsbatterie gespeist. Ebenso gibt es den elektrischen Trommelantrieb beim Sattelauflieger. Auch hier wieder abhängig von der Zugmaschine als hybride oder vollelektrische Version. Eine Kombination mit einer Gas-Zugmaschine wurde auch schon realisiert.

Liebherr Digitalisierung
Das mobile Energiespeichersystem Liduro Power Port von Liebherr steht künftig für die Versorgung von Baustellen bereit. Foto: Kai-Werner Fajga

An demselben Standort in Bad Schussenried entstehen auch die neuen Mischanlagen-Baureihen Betomix und Mobilmix, die komplett aus einem modularen Baukasten generiert werden können. Kunden können so von mehr Konfigurationsmöglichkeiten, kürzeren Lieferzeiten, schnellerer Montage und einer hohen Teileverfügbarkeit profitieren. Laut Hersteller benötigt die neue Anlagengeneration zudem bis zu 30 Prozent weniger Energie als die Vorgängerversionen. Auch der notwendige Stromanschluss kann geringer ausfallen. Erreicht werde das durch Frequenzumrichter für die Antriebe an Mischer und Beschicker-Aufzug. "Der geringere Energiebedarf auf die gesamte Lebensdauer der Mischanlage gesehen, ist ein enormer Beitrag zum Umweltschutz", so Liebherr.

Dass Emissionsminderung, Umweltschutz und Energieeinsparung bei dem Hersteller aktuell die höchste Priorität eingeräumt wird, veranschaulichen die an den zwei Tagen vorgestellten digitalen Lösungen und Baumaschinen vortrefflich. Auch das alternative Antriebskonzept des Wasserstoff-betriebenen Verbrennungsmotors, das Liebherr zur bauma 2022 vorstellte, wird weiter vorangetrieben. Allerdings – das verriet der Hersteller dann auch – sei die Nachfrage nach solchen Baumaschinen verglichen mit E-Antrieben aktuell noch sehr zurückhaltend.

Autor

Kai-Werner Fajga

Chefredakteur Allgemeine Bauzeitung

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen