Missverständliche Formulierungen beunruhigen Bauunternehmer

Bundesländer konkretisieren Arbeitsschutz-Regeln

von: Sonja Weiße
Arbeitsschutz Baupolitik
Dixi-Klos sind auf kleinen Baustellen mit bis zu zehn Beschäftigten nach wie vor erlaubt – aber nur, wenn es in der Kabine oder in der Nähe der Kabine eine Gelegenheit gibt, sich die Hände mit fließendem Wasser zu waschen. Dies galt auch schon vor der Ausbreitung des Coronavirus. Viele Bundesländer hatten kürzlich Informationen zum Arbeitsschutz herausgegeben, die einige Unternehmen als Dixi-Klo-Verbot verstanden haben. Foto: pixabay

Berlin. – Zusätzliche Handwaschgelegenheiten, bis zu zwei Meter Abstand und weitere Maßnahmen fordern die Arbeitsschutzbehörden, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die ABZ hat in einigen Bundesländern nachgefragt, wie dies umgesetzt werden soll.

Neue Informationen der Arbeitsschutzbehörden dazu, wie Arbeiter auf Baustellen vor der Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt werden sollen, haben unter Bauunternehmern für Verunsicherung gesorgt. Das bestätigt die Pressesprecherin des Hauptverbandes der deutsche Bauindustrie Inga Stein-Barthelmes. Auch die Pressesprecherin des Bauindustrieverbandes Oste. V., Susann Stein, sagte gegenüber der ABZ, es habe vermehrt Nachfragen von Mitgliedsunternehmen aus Sachsen deswegen gegeben. Die Regelungen in den Informationen würden teilweise über die Empfehlungen der BG Bau hinausgehen.

Die Regelungen sind sehr ähnlich, unterscheiden sich aber in den Formulierungen und offenbar legen verschiedene Bundesländer die Formulierungen auch etwas anders aus. Zudem sind die Informationen nicht besonders einfach zu verstehen. Wie in vielen anderen Bundesländern auch stehen beispielsweise in der Information in Sachsen missverständliche Formulierungen dazu, welche Toiletten künftig auf Baustellen erlaubt sind. "Die Bereitstellung von mobilen, anschlussfreien Toilettenkabinen ohne Handwaschgelegenheit entspricht bei der derzeitigen Infektionslage aus aufsichtsbehördlicher Sicht nicht dem Stand der arbeitshygienischen Erfordernisse," heißt es darin. Sind Dixi-Klos damit nun plötzlich verboten? Bislang dürfen auf Baustellen mit bis zu zehn Beschäftigten mobile Toiletten ohne direkte Waschgelegenheit stehen, wenn sich die Arbeiter in der Nähe der Kabine die Hände waschen können. Aus Sicht des Bauindustrieverband Ost e. V. muss das auch weiterhin so sein, auch angesichts der Engpässe an Toilettenwagen mit Waschgelegenheit.

Waschgelegenheit ist nötig

Auf Nachfrage der ABZ erklärt Christian Adler, Pressereferent des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, mobile, anschlussfreie Toilettenkabinen ohne Handwaschgelegenheit dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn unmittelbar daneben eine Handwaschgelegenheit mit fließendem, Wasser, Seife und Einmalhandtüchern zur Verfügung steht. Thomas Östreicher, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Hamburg, erläutert, das Hamburger Merkblatt ziele nicht darauf ab, den Betrieb von mobilen, anschlussfreien Toilettenkabinen in Gänze zu untersagen. Es erhebe keine neuen Anforderungen, sondern solle bei der Auslegung der bestehenden Vorschriften in der aktuellen Situation unterstützen. Ziel des Merkblatts sei es in erster Linie, die Verantwortlichen für die derzeitigen Risiken zu sensibilisieren und ihnen Hilfestellungen zur Hygiene und zur Reduzierung von Infektionsgefahren zu bieten. Bauunternehmen könnten auch andere Maßnahmen umsetzen, wenn sie in gleicher Weise zum Schutz der Beschäftigten beitragen. Nachfragen in Hessen und Thüringen ergaben ebenfalls, dass Dixi-Klos nicht in Gänze verboten sein sollen, es aber eine Handwaschgelegenheit geben muss. Allerdings weist Kerstin Thiemer, Abteilungsleiterin des Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, auf die Hygieneregeln vom Robert-Koch-Institut hin. Nach diesen sei es erforderlich, sich häufig und mindestens 30 Sekunden lang die Hände mit Seife und warmem Wasser zu waschen. Auch seien Einmalhandtücher nötig. Es sei fraglich, ob mobile anschlussfreie Toilettenkabinen diese Hygieneregeln abdecken könnten.

Christiane Witek, Pressesprecherin der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), begrüßt, dass anschlussfreie mobile Toilettenkabinen ohne eine nahegelegene Handwaschgelegenheit von den staatlichen Arbeitsschutzbehörden nicht mehr toleriert werden. Es sei in der aktuellen Lage und vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes, den Hygiene zur Eindämmung des Coronavirus besitzt, konsequent.

Zu den neuen Konkretisierungen des Arbeitsschutzes in vielen Bundesländern gehört auch, dass Unternehmen in der Nähe der Arbeitsplätze zusätzliche Handwaschgelegenheiten mit fließendem Wasser, Seife und Einmalhandtüchern vorsehen sollen. "Fließend Wasser" bedeute dabei nicht zwingend einen Anschluss an eine Wasserzuleitung, konkretisiert Thomas Östreicher die Hamburger Regelung. Auch ein Frischwassertank, aus dem das Wasser zum Händewaschen herausfließe, sei als improvisierte Lösung in der derzeitigen Situation praktikabel, erläutert er. Er müsse täglich frisch befüllt werden. Das Wasser dürfte danach nicht wieder verwendet werden. Auch eine Behelfslösung mit einem Bauwasseranschluss, der entsprechend hergerichtet werde, sei denkbar.

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Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, bittet um Klarheit. Foto: Verband

In Hessen genügen Kanister

Auch in Hessen sollen Kanister, aus denen das Wasser läuft, ausreichen, erläutert die Pressesprecherin des Hessisches Ministeriums für Soziales und Integration, Alice Engel, die Regelungen. Nicht erlaubt seien die häufig auf Baustellen anzutreffenden "Wascheimer". Denn das Wasser dürfe auf keinen Fall durch den Vornutzer verschmutzt sein. Um quasi jederzeit Hände waschen zu können und dabei den betrieblichen Ablauf so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, sollen die Handwaschgelegenheiten im unmittelbaren Umfeld der Arbeitsplätze platziert sein.

Christian Adler, Pressereferent des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, erläutert ebenfalls, das Wasser könne auch in Behältern mit Wasserhahn bereitgestellt werden. Diese müssen groß genug sein, dass Bauarbeiter sich mindestens 20 bis 30 Sekunden lang die Hände waschen können. Denn das entspricht den Vorgaben der Hygieneämter zum richtigen Händewaschen.

Strenger sieht es Kerstin Thiemer, Abteilungsleiterin des Thüringer Landesamtes für Verbraucherschutz. Sie weist darauf hin, das Handwaschgelegenheiten nach den Anforderungen der Arbeitsstättenregel "Einrichtungen mit fließendem Wasser und einem geschlossenen Wasserabflusssystem" sind.

In vielen Informationen findet sich zudem die Forderung, dass Arbeiter zueinander einen Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern einhalten sollen. In einigen Bundesländern soll der Abstand sogar 2 Meter groß sein. Im Merkblatt in Hamburg wird darauf hingewiesen, dass dieser Mindestabstand nicht für Kollegen innerhalb eines Teams gelte, denn arbeitstechnisch lasse sich dieser Abstand oft nicht einhalten. Zu anderen Arbeitsgruppen sei der Abstand aber in jedem Fall einzuhalten.

Vermehrte Kontrollen

Weitere Regelungen sehen vor, dass Fahrgemeinschaften zur Baustelle nach Gewerken getrennt werden sollen. Unternehmer müssen außerdem alle Beschäftigten, die die Baustelle betreten und verlassen, erfassen. Von jedem der Beschäftigten müssen sie die Kontaktdaten haben, um im Falle eines Verdachts Quarantäneauflagen organisieren zu können.

Oberflächen von Pausenräumen oder Pausenbereiche müssen leicht gereinigt werden können. Diese Räume sollen täglich gereinigt und zwischen jeder Nutzung gelüftet werden. Auch während der Pausen sollen Abstände einhalten werden. Um Kontakte zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen zu vermeiden, sollen die verschiedenen Arbeiter die Pausenbereiche zu unterschiedlichen Zeiten nutzen. Zwischen den Benutzungen soll es zeitliche Puffer geben, damit sich die Mitarbeiter nicht begegnen.

Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, bittet in einer Pressemitteilung darum, Klarheit bei den Anforderungen zu schaffen. Unterschiedliche Anforderungen in den Bundesländern würden für Bauherren und nicht nur für kleine und mittelständische Bauunternehmen zu erheblichen Schwierigkeiten führen, warnt er. Aus Sicht des Hauptverbandes würden die Hinweise der BG Bau genügen. Diese hätten auf eine sehr praxisnahe, hilfreiche und konstruktive Weise das Notwendige mit dem aufgrund der örtlichen Gegebenheiten Machbaren zum Ausgleich gebracht. "Wir bitten dringend um wohlwollende Prüfung, ob diese von der BG Bau verfassten bundesweiten Hinweise nicht auch für Baustellen in allen Bundesländern angemessen sind," ergänzt Babiel. "Wir tun als Bauindustrie alles, um den Betrieb auf den Baustellen weiter aufrecht zu erhalten. Deswegen bitten wir um Unterstützung, dass unsere Unternehmen trotz der Krise weiterarbeiten können", so Babiel.

Auf die Frage, was passiert, wenn Unternehmen diese Vorschriften nicht einhalten, antwortet Alice Engel für das Bundesland Hessen: "Die grundlegenden Mindeststandards erfordern auch ein umfassendes Umdenken und Umgewöhnen auf Baustellen. Dies braucht viel Initiative und Verantwortung aller Baubeteiligten, insbesondere der Arbeitgeber und eben auch der Bauherren. Dies ist sicherlich eine Entwicklung, die in Schritten vorangeht und damit auch ihre Zeit brauchen wird." Wo allerdings erkennbar werde, dass dieses Umdenken nicht eigenverantwortlich auf den Weg gebracht werde, müsse und werde es von den Aufsichtsbehörden mit Vollzugshandeln, beispielsweise Anordnungen, initiiert und vorangetrieben werden, warnt Engel. Nur mit solchen Veränderungen könne verhindert werden, dass Baustellen gegebenenfalls ganz geschlossen werden müssten.

Kerstin Thiemer, Abteilungsleiterin Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, weist darauf hin, dass Verstöße gegen die gesetzlichen Mindestanforderungen an Sanitäreinrichtungen auf Baustellen nach der Arbeitsstättenrichtlinie mit bis zu 5000 Euro geahndet werden können. Vorrangig gehe es jetzt um den größtmöglichen Schutz der Beschäftigten vor der Virusinfektion. Die größte "Strafe", so Thiemer, wäre es für jedes Unternehmen, wenn sich ein Mitarbeiter infiziert oder gar an den Folgen stirbt.

Der Bauindustrieverband Ost appelliert derweil dringend an die Arbeitsschutzbehörden, für den Fall, dass bei Kontrollen von Baustellen noch Mängel festgestellt werden, den Baustellenbetrieb nicht sofort einzustellen, sondern Unternehmen die Möglichkeit der Nachbesserung zu geben. Er hat von seinen Mitgliedern die Rückmeldung bekommen, dass die Baustellen derzeit vermehrt kontrolliert werden, jedenfalls in Sachsen-Anhalt. Für den Verband und seine Mitglieder sei die Gesundheit der Mitarbeiter sehr wichtig, betont Pressesprecherin Stein: "Für die Unternehmen steht neben der Aufrechterhaltung der Bautätigkeit die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der Schutz der Mitarbeiter an erster Stelle." Die Unternehmen würden sich in der gegenwärtigen Situation jedoch beim Infektionsschutz mit der Last allein gelassen fühlen – dabei sei dieser Schutz eine gemeinsame Aufgabe von Bauherren und Auftragnehmern.

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