Ökobilanzen im Infrastrukturbau

Treibhausgas-Emissionen von Anfang an berechnen

von: Felix Hermann
Mannheim. – Obwohl die Baubranche ein enormes Potenzial zur Reduzierung von CO2-Emissionen hat, wird dies kaum ausgeschöpft. Vor allem im Infrastrukturbau kommen Ökobilanzen selten oder erst spät zum Einsatz, wenn das Reduktionspotenzial nur noch gering ist. Eine neue Methodik kann das nun ändern.
Ökobilanz Bau digital
Das Modell zeigt die Treibhausgas-Emissionen von Infrastrukturprojekten auf einen Blick. Abb.: Afry

In frühen Planungsphasen können bei Bauprojekten rund 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) eingespart werden, am Ende der Planung sind es nur noch etwa 20 Prozent. Trotzdem werden Ökobilanzen (Life Cycle Assessment, LCA) oft erst in einer späten Planungsphase durchgeführt. Ein Grund dafür ist der enorme Arbeitsaufwand.

Dabei bietet die Building-Information-Modelling (BIM)-Methode eine gute Grundlage, um diesen Prozess zu automatisieren und so den Aufwand erheblich zu reduzieren. Denn in BIM-Modellen sind bereits die grundlegenden Informationen für eine Ökobilanz vorhanden. Es existieren verschiedene Anwendungen zur BIM-basierten Ökobilanzierung auf dem Markt. Diese konzentrieren sich jedoch hauptsächlich auf den Hochbau und lassen sich nur bedingt für die Infrastrukturplanung einsetzen, weil sie nicht in der Lage sind, komplexe Großprojekte mit hunderten von BIM-Modellen automatisiert zu bilanzieren. Zudem bieten sie keine Möglichkeit, die Ergebnisse so im Modellkontext zu visualisieren, dass Optimierungspotenziale schnell und einfach sichtbar und auswertbar sind.

Lokale Unterschiede

Um dieses Manko zu beseitigen, hat Afry BIMetrix entwickelt. Damit können LCAs auf Basis von BIM-Modellen sowie Geografischen Informationssystemen (GIS) in Frühphasen von Bauprojekten automatisiert durchgeführt, anschaulich visualisiert und analysiert werden. Indem die Methode lokale Unterschiede von THG-Emissionen innerhalb eines Modells und zwischen verschiedenen Modellen präzise ermittelt und darstellt, können Verantwortliche Treibhauspotenzial-Hotspots und spezifische Optimierungspotenziale schnell und intuitiv identifizieren.

BIMetrix ist universell auf alle Bereiche, Projektgrößen und Leistungsphasen der Baubranche anwendbar. Denn da die Methode für die Verarbeitung von BIM-IFC-Modellen entwickelt wurde, ermöglicht sie es, Projekte aus dem Hochbau ebenso wie aus dem Infrastrukturbau zu untersuchen. BIMetrix integriert sich ideal in OpenBIM-Workflows und ist damit skalierbar. Sie ist nicht an eine spezifische Software gebunden und konform zu den europäischen Normen EN 15978 und EN 15804 für Ökobilanzen.

In der Methode sind mehrere Prozesse integriert, zu den Hauptprozessen zählen die semantische und geometrische Verarbeitung von BIM-IFC-Modellen, die Berechnung des Treibhauspotenzials, die Integration von GIS-Daten und die Visualisierung der Ergebnisse in einer digitalen dreidimensionalen Umgebung.

Semantische Analyse

Die semantische Analyse verbindet die Informationen des IFC-Modells mit den Umweltproduktdeklarationen (EPDs) aus Ökodatenbanken. Damit werden den verwendeten Bauteilen Wirkungsindikatorwerte, zum Beispiel der durch sie verursachte Ausstoß an Treibhausgasen, zugeordnet. Parallel dazu werden die IFC-Modelle in Teilmodelle mit einem Raster von 3 x 3 m aufgeteilt, sodass sich lokale Unterschiede von Umwelteinwirkungen innerhalb eines Modells und zwischen verschiedenen Modellen analysieren lassen.

Auf dieser Grundlage erfolgt die Berechnung der Treibhauspotenziale der BIM-IFC-Modelle. Zudem werden GIS-Daten in den Bilanzierungsprozess integriert, um präzise raumbezogene Daten in die Ökobilanzierung einfließen zu lassen. Über die Georeferenzierung der verschiedenen BIM-Modelle können schon in frühen Projektphasen beispielsweise Bodenkarten für die Bilanzierung von Erdmassenbewegungen herangezogen oder Transportdistanzen für Materialien und Bauproduckte identifiziert werden.

Dadurch lassen sich frühzeitig präzise Aussagen zur Umwelteinwirkung eines Projektes treffen, die ohne GIS nicht möglich wären. So können im Ausschreibungsprozess zum Beispiel Empfehlungen ausgesprochen werden, aus welchem Radius Materialien zu beziehen sind, um eine bestimmte Menge an THG-Emissionen nicht zu überschreiten. Auf Basis des generierten Rasters und der ermittelten Treibhauspotenziale aller BIM-Teilmodelle wird schließlich ein dreidimensionales Modell erzeugt.

Valide Ergebnisse

Dieses lässt sich zum Beispiel in einem IFC-Koordinationsmodell oder ArcGIS im Kontext der ursprünglichen IFC-Modelle visualisieren und auswerten. Die Methode wurde bereits in mehreren realen Schieneninfrastruktur-Großprojekten getestet und validiert. Dabei wurden mehr als 300 verschiedene BIM-Modelle automatisiert analysiert und ihre THG-Emissionen berechnet.

BIMetrix lieferte valide Ergebnisse – mit einer um rund 85 Prozent reduzierten Bearbeitungszeit als mit herkömmlichen BIM-basierten LCA-Tools. Bei Afry kommt die Methode zur Auswertung von Planungen verschiedener Projekte zum Einsatz. Das zeigt: BIMetrix vereinfacht die Erstellung von LCAs erheblich, sodass diese in allen Phasen, besonders aber in der Frühphase, von Bauprojekten automatisiert erstellt werden können. Damit eröffnet die Methode ein sehr viel größeres Potenzial zur Reduzierung von THG-Emissionen und kann zu einer effizienteren und nachhaltigeren Baubranche beitragen.

Da die Methode auf alle modellbasierten Analysen anwendbar ist, lassen sich mit ihr nicht nur THG-Emissionen, sondern auch Kosten und Materialeinsätze berechnen und visualisieren.

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Der Autor ist BIM Engineer, Sustainability Head BU Transportation Germany bei Afry.

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