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Abschlagszahlungen zu 90 Prozent oder zu 100 Prozent der nachgewiesenen Leistung?

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht's: Auf vertragsgemäße Bauleistungen erwartet man als Unternehmer auch eine angemessene Bezahlung. Das Werkvertragsrecht sieht für die Bezahlung des Werklohns das Prinzip des (Achtung: Juristen-Sprech!) "punktuellen Leistungsaustauschs" vor. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Werklohn erst mit der Abnahme fällig wird (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Da die Abnahme normalerweise ganz am Ende steht und manchmal Jahre bis dahin vergehen, besteht das Bedürfnis nach einem früheren Zahlungsfluss. Dafür sieht das Gesetz in § 632a BGB Abschlagszahlungen vor in Höhe des Wertes der vertraglich geschuldeten erbrachten Leistungen.

Auch die VOB/B, die zwar kein Gesetz ist, aber häufig als standardisierte Allgemeine Geschäftsbedingung (ABG) vereinbart wird, sieht in § 16 Abs. 1 Abschlagszahlungen vor.

Weder im Gesetz noch in der VOB/B steht etwas von 90 Prozent oder 100 Prozent. Allerdings sehen Vertragsklauseln oder Vertragsbedingungen von Auftraggebern manchmal Regelungen vor, nach denen nur 90 Prozent der bisher vertragsgemäß erbrachten Leistungen abschlagsweise vergütet werden sollen.

Das OLG Düsseldorf hat am 25.11.2014 zum Aktenzeichen 21 U 172/12 entschieden, dass eine Einschränkung auf diesen Prozentsatz unwirksam sein kann. Denn die Regelung des Gesetzes sieht eine abschlagsweise Vergütung für 100 Prozent des Wertzuwachses vor, den der Besteller aufgrund einer vertragsgemäß erbrachten Leistung erlangt. Insofern bleibt es bei dem Grundsatz, dass vertragsgemäße Leistungen zu bezahlen sind. Die VOB/B-Regelung ist ähnlich. Die Kürzung um 10 Prozent auf 90 Prozent kann bei vorformulierten Klauseln nach AGB-Recht unwirksam sein.

Möglicherweise kann eine Reduzierung auf nur 95 Prozent wirksam sein, wenn dies eine Art Sicherheitseinbehalt sein soll. Dann dürfen dem Auftragnehmer aber keine zusätzlichen Sicherheiten abgefordert werden, weil sonst eine Übersicherung entstehen könnte, die ebenfalls nicht verlangt werden kann. Beim echten Verbraucherbauvertrag nach § 650 i BGB, bei dem der Unternehmer dem Verbraucher das gesamte neue Gebäude errichtet (zum Beispiel Fertighaus-Firma), darf kraft Gesetzes (§ 650 m BGB) nur für 90 Prozent der Gesamtvergütung abschlagsweise Zahlung verlangt werden. Die restlichen 10 Prozent können erst nach Abnahme verlangt werden.

Folgen für die Praxis

Eine Unwirksamkeit von vertraglichen Klauseln wird meistens ausschließlich über das AGB-Recht begründet. Hierbei kommt es immer darauf an, welche von den beiden Vertragsparteien die allgemeine Geschäftsbedingung gestellt hat. Denn auf die Unwirksamkeit kann sich nur der andere Vertragspartner (dann genannt "Klauselgegner") berufen. Die Unwirksamkeit meiner eigenen AGB kann ich nicht geltend machen. Sogenannte Individualvereinbarungen (kein "Juristen-Sprech", sondern Fachbegriff) sind außerdem immer wirksam. Dies gilt zum Beispiel bei einem individuellen Zahlungsplan. Das Erreichen eines dort beschriebenen Leistungsstandes ist Bedingung für die Zahlung. Wird der Leistungsstand nicht vollständig, also nur zum Teil erreicht, besteht der Anspruch auf Abschlagszahlung insgesamt noch nicht.

Die Forderung nach einer (nur) anteiligen Zahlung hinsichtlich eines Teils eines Zahlungsplans ist nicht berechtigt. Weisen Zahlungspläne sowohl Termine als auch zu erreichende Leistungsstände (Meilensteine) auf, gehen im Zweifel letztere vor, denn die Termine besagen, für wann ein Leistungsstand geplant ist; wird der Leistungsstand an dem Termin noch nicht erreicht, kann allein das Verstreichen des Termins eine Abschlagszahlung nicht auslösen.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB, Wiesbaden

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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