VDBUM-Vorstandsmitglied Dieter Schnittjer
"Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen"
Nahezu ein halbes Jahr konnte der Verband der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik e. V. (VDBUM) keine Veranstaltungen durchführen. Nun fiel auch die Jubiläumsausgabe des VDBUM-Großseminars im kommenden Jahr der Pandemie-Entwicklung zum Opfer. Wie es zu der Entscheidung kam und wie der Verband darüber hinaus mit der aktuellen Situation umgeht, erklärten VDBUM-Vorstandsmitglied Dieter Schnittjer und Wolfgang Lübberding, Prokurist und Geschäftsstellenleiter, im Interview mit ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann.ABZ: Herr Schnittjer, wie hat sich die Corona-Pandemie seit März auf die Verbandsarbeit des VDBUM ausgewirkt?Schnittjer: Sehr umfassend: Am 16. März haben wir beschlossen, sämtliche Veranstaltungen einzustellen. Unsere Verbandsveranstaltungen, Branchentreffs, Seminare – alles gecancelt. Das war natürlich ein bitterer Schritt, schließlich erwirtschaften wir darüber einen Großteil unserer Einnahmen. In der Folge sind wir zwischen April und Juni in Kurzarbeit gegangen. Diese Zeit war schon sehr belastend, da wir schlichtweg kaum etwas planen konnten. Seit Juli sind wir jedoch wieder in vollem Umfang aktiv, haben unter anderem den Umzug in unseren Neubau hier in Stuhr vollzogen und sind anschließend direkt in die Planung für das zweite Halbjahr gegangen.ABZ: Wie sieht die Planung für eine Fortbildungssaison unter den aktuellen Umständen aus?Schnittjer: In der momentanen Situation ist jede Planung natürlich schwierig. Wir haben uns jedoch vorerst entschieden, grundlegend auf Normalmaß zu planen. Natürlich haben wir einige Anpassungen vorgenommen. Dazu gehören unter anderem kleine Teilnehmergruppen, größere Räume für unsere Veranstaltungen und vieles mehr.ABZ: Werden Fortbildungsangebote denn aktuell angenommen?Schnittjer: Wir hatten im Sommer aus gegebenem Anlass einige Fortbildungstermine nachgeholt. Diese Veranstaltungen waren besetzt wie immer. Auf der NordBau hingegen mussten wir einen Lehrgang ausfallen lassen. Für die aktuelle Saison laufen die Rückmeldungen jetzt an. Ganz abschätzen lässt sich die Situation derzeit aber noch nicht, da die Anmeldungen in der Regel immer erst kurz vor den Veranstaltungen reinkommen. Natürlich schauen wir in diesem Jahr besonders kritisch darauf. Die Bereitschaft ist auf jeden Fall da. Zumal der Anspruch in den Bauunternehmen immer mehr steigt, Mitarbeiter ausgiebig zu qualifizieren.Lübberding: Wir sehen ganz deutlich, dass die Unternehmen zunehmend in das Wohl ihrer Mitarbeiter investieren. Neben der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter spielt dabei vor allem das Thema Arbeitssicherheit eine große Rolle. Der Fachkräftemangel treibt diese Entwicklung zusätzlich an.ABZ: Gibt es Corona-bedingte Einschränkungen, die Sie bei Ihren Veranstaltungen berücksichtigen müssen?Schnittjer: Natürlich haben wir für alle Veranstaltungen, die wir derzeit durchführen ein umfassendes Sicherheitskonzept. Dazu gehören in erster Linie die geltenden Abstands- und Hygieneregeln. Davon unabhängig haben wir kürzlich entschieden, die Teilnehmerzahlen bei unseren Schulungen zu reduzieren – von maximal 16 bis 18 auf nunmehr maximal zwölf. Das kommt uns jetzt natürlich entgegen, ist aber keine Maßnahme, die wir aus der Corona-Situation heraus entschieden haben. Vielmehr reagieren wir damit auf Wünsche, die unsere Trainer und Teilnehmer zuletzt im Schulungsausschuss geäußert haben. Sie und auch wir sind der Ansicht, dass sich der Wissenstransfer, um den es uns im Kern bei jeder Veranstaltung geht, in kleineren Gruppen einfach effizienter gewährleistet werden kann.Damit nehmen wir wirtschaftlich betrachtet zwar Einschnitte hin, qualitativ verbessern wir uns jedoch. Insofern machen wir diesen Kompromiss gerne, um unseren hohen Qualitätsansprüchen weiterhin gerecht zu werden.ABZ: Eine Veranstaltung, die aufgrund der aktuellen Pandemie-Entwicklung nicht stattfinden können wird, ist das VDBUM-Großseminar im kommenden Jahr. Was hat Sie letztlich dazu bewogen, das Großseminar abzusagen?Schnittjer: Wir hatten tatsächlich ein ganz hervorragendes Hygienekonzept und sehr gute Voraussetzungen am Veranstaltungsort. Das Sauerland Stern-Hotel verfügt beispielsweise über eine sehr leitungsstarke Abluftanlage. Wir hatten unter anderem geplant, in Corona-Tests zu investieren, sowohl in Schnelltests als auch in umfangreichere Testverfahren. Letztlich haben uns der Landkreis und das zuständige Gesundheitsamt genehmigt, die Veranstaltung mit bis zu 1100 Teilnehmern durchzuführen, also sogar deutlich mehr Menschen, als sich bei rund 1200 Teilnehmern insgesamt über die vier Tage gleichzeitig auf dem Gelände aufhalten würden.Am Ende gab es nur eine Frage, die wir nicht abschließend beantworten konnten: Was passiert, wenn wir im Technik-Bereich, bei der Anlieferung von Maschinen und Material, beim Aufbau oder Ähnlichem einen Menschen haben, der infiziert ist und durchs Raster rutscht?Dieses Risiko, sei es auch noch so klein, wollte keines unserer Vorstandsmitglieder eingehen. Aus diesem Grund haben wir uns schweren Herzens dazu entschieden, das 50. VDBUM-Großseminar nicht stattfinden zu lassen.
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ABZ: Auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr?Schnittjer: Nein. Wir wollen die Jubiläumsveranstaltung zum regulären Termin im Frühjahr 2022 durchführen. Das war eine sehr bittere Entscheidung, bei der wir uns natürlich auch damit auseinandersetzen mussten, welche vertraglichen Konsequenzen das für uns hat. Letztlich wiegt die gesundheitliche Verantwortung, die wir mit einer solchen Veranstaltung in dieser Zeit tragen müssten, schwerer. Im Ernstfall würden wir mit einer oder mehreren Infektionen auf dem VDBUM-Großseminar aber auch einen immensen Imageschaden produzieren – sowohl für die Baubranche in der Außenwirkung als auch für uns als Verband.ABZ: Was bedeutet das für den VDBUM?Schnittjer: Vor allem sind wir alle hier beim VDBUM emotional betroffen. In das Großseminar fließen jedes Jahr viel Arbeit und Leidenschaft. Nun fällt die Veranstaltung zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus. Das mussten wir erst einmal verarbeiten. Am Ende waren wir aber auch ein wenig erleichtert, die immense Verantwortung, die damit unter den aktuellen Voraussetzung einhergegangen wäre, nicht tragen zu müssen.Lübberding: Das zeigen uns auch die Gespräche mit unseren Partnern. Natürlich sind diese auch zunächst betroffen. Letztlich wird uns aber immer wieder gespiegelt, das wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Das Großseminar lebt von einem gewissen Spirit, sich frei und in familiärer Atmosphäre austauschen zu können. Das wäre Anfang 2021 nur eingeschränkt möglich gewesen, weshalb der Ausfall der Veranstaltung sicher die bessere Option ist.Schnittjer: Natürlich ergibt sich mit der Absage solch einer Großveranstaltung über drei Tage mit in etwa 2700 Übernachtungen auch eine große finanzielle Herausforderung. Die Veranstaltung ist ein wesentlicher Teil unseres Finanzierungsfundaments. Zugleich haben wir im Zusammenhang mit dem VDBUM-Großseminar nicht unerhebliche Verpflichtungen, die zum Teil auch bereits geordert waren. Hier sind wir intensiv im Austausch mit unseren Partnern, um Wege zu finden, den Ausfalls des VDBUM-Großseminars für alle Seiten verträglich zu gestalten. Wir werden diesbezüglich sicherlich einiges kompensieren können, auf einigen Kosten werden wir aber auch sitzen bleiben und unserer vertraglichen Verantwortung gerecht werden.ABZ: Hat die Pandemie die Digitalisierung ihrer Angebote vorangetrieben?Lübberding: Ja! In das Thema digitale Schulungen haben wir zuletzt sehr viel Zeit und Geld investiert. Ende Oktober haben wir unsere erste Veranstaltung in dieser Form durchgrführt. Wir haben dieses Thema schon sehr lange auf dem Tisch. Schon, weil sich digitale Veranstaltungsformate ideal für Teilnehmer anbieten, die ansonsten einen sehr langen Anreiseweg zu einer Schulung hätten. Bislang sind wir jedoch immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass sich der Praxisteil, auf den wir hier sehr großen Wert legen, digital nicht so gut abbilden lässt wie in einer Präsenzveranstaltung. Jetzt, wo es auch darum geht, im Ernstfall überhaupt handlungsfähig zu sein, haben wir uns wieder eingehender damit beschäftigt. Dafür haben wir hochwertige Lehrvideos produziert, bei denen der Referent live zusätzliche Erläuterungen geben kann und mit denen wir den praktischen Teil solcher Schulungen sehr gut darstellen können. Unsere Schulungsteilnehmer sollen das, was vermittelt wird, wirklich greifen und verstehen können. Mit unseren Videoclips, in die wir einen sehr hohen Aufwand gesteckt haben, ist uns das aus unserer Sicht sehr gut gelungen. á Schnittjer: Wir haben das ganz bewusst selbst in die Hand genommen und nicht durch einen externen Dienstleister anfertigen lassen. Uns war wichtig, dass unsere Herangehensweise, unser Stil, wenn Sie so wollen, in einem solchen Format sichtbar ist. Die Veranstaltung im Oktober ist für uns jetzt eine Art Testballon. Wir werden uns sehr genau ansehen, wie das angenommen wird und wie die Inhalte bei den Teilnehmern ankommen.ABZ: Wie läuft die Teilnahme in einem solchen Fall für den Kunden?Schnittjer: Wir haben uns sehr eingehend überlegt, wie wir es für unsere Kunden so leicht wie möglich machen können. Nicht jeder Monteur in der Werkstatt hat beispielsweise Zugriff auf einen eigenen Rechner. Deshalb haben wir eigens zu diesem Zweck Laptops angeschafft, die entsprechend robust sind und die wir bei Bedarf leihweise an die Teilnehmer versenden können. Diese Geräte haben wir so vorkonfiguriert, dass der Schulungsteilnehmer sie lediglich anschalten und mit dem WLAN verbinden muss, um an der Schulung teilnehmen zu können. Im Anschluss klappt der Teilnehmer den Laptop wieder zusammen und wir lassen das Paket durch einen Postdienstleister wieder abholen. Diesen Service verstehen wir als Teil der Dienstleistung, weshalb wir dafür auch keine zusätzlichen Kosten aufrufen.ABZ: Bietet dieses neue Format auch die Möglichkeit zum Austausch?Schnittjer: Ja, die angesprochenen Videos sind lediglich ein Teil des Formats. Wie bei einer analog durchgeführten Schulung gibt es einen Referenten, der die Inhalte live vermittelt, der das Gezeigte kommentiert und auf Fragen der Teilnehmer eingeht. Die Teilnehmer können sich ihrerseits sowohl über einen Chat als auch per Mikrofon beteiligen.