Bauaussichten 2023

Die Politik ist gefordert!

Von Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen (BVMB)
Bauaussichten
Foto: BVMB

Das Jahr 2022 war nicht wirklich ein Highlight für die mittelständische deutsche Bauwirtschaft: Krieg in der Ukraine, immer noch Nachwirkungen durch die Pandemie – anders als bei so manchen Krisen sind diese Themen diesmal nicht spurlos an der Bauwirtschaft vorübergegangen. Sie hat zum Teil drastische Folgen verkraften müssen: gestiegene Bau- und Energiekosten, Probleme bei den Lieferketten, Materialknappheit, infolgedessen Ärger mit Auftraggebern und Kunden.

Doch was erwartet die mittelständische Bauwirtschaft im Jahr 2023?

Die momentane Situation, vor der die deutsche Bauwirtschaft steht, ist eine Blackbox. Doch entgegen vieler ausschließlich negativer Einschätzungen wagen wir für den Mittelstand einen "vorsichtig optimistischen" Blick in die Zukunft.

Die Prognosen der verschiedenen Wirtschaftsinstitute weichen teilweise sehr voneinander ab und ändern sich im Monatsrhythmus. Niemand weiß wirklich, was kommt, und nicht selten erfüllen sich allzu negative Prognosen gottlob nicht. Natürlich gibt es Segmente in der Bauwirtschaft, die unter den schwierigen Rahmenbedingungen schon heute leiden. Andererseits auch Bereiche, die weniger von der allgemeinen Rezession spüren.

Besonders stark von den negativen Auswirkungen betroffen ist heute bereits der Wohnungsbau, und hier besonders der Projekt- und der Neubaubereich. Ein drastischer Einbruch ist spürbar, aber es ist nicht davon auszugehen, dass alle Projekte beerdigt werden. Tendenziell absehbar ist, dass viele Projekte nur verschoben oder neu projektiert werden.

Mehr Risiken bestehen im klassischen Einfamilienhausbau. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben der deutlichen Baupreissteigerung liegen die Probleme vor allem in der sehr kurzsichtigen Förderpolitik mit KfW-Programmen, die vom einen Tag auf den anderen eingestellt wurden. Gefragt ist insoweit eine Verlässlichkeit der Bundespolitik. Wenn nicht Generationen von jungen Familien davon betroffen sein sollen und die Altersvorsorge unzähliger Bürger durch Immobilien gefährdet werden soll, muss die Politik schleunigst eingreifen, um die Situation zu entschärfen. Das bedeutet, dass neben zuverlässigen Förderprogrammen auch die teilweise Überregulierung energisch bekämpft werden muss, die sich quer durch die Baulandschaft in Deutschland zieht.

Sonderabschreibungsmöglichkeiten wirken, wie die noch immer mehr überbordenden Anforderungen in den Baunormen, störend auf die Planung und Finanzierung privater Bauvorhaben. Zudem sollte nachgedacht werden, wie man Privatleute, insbesondere Familien, bei der Grunderwerbssteuer entlasten kann, die neben den deutlich gestiegenen Zinsen und den hohen Grundstückspreisen ein weiterer Kostentreiber bei Eigenheimerwerb ist.

Im Bereich Wirtschaftsbau wird eher "Abwarten" als Devise zu erwarten sein. Die Wirtschaftsunternehmen beobachten die Situation sehr marktnah und kritisch. Bereits getroffene Bauentscheidungen werden vereinzelt vorübergehend ausgesetzt. Wenn sich allerdings erste Anzeichen, wie zum Beispiel der Rückgang der Erzeugerpreise, bestätigen, ist zu erwarten, dass der Konsum trotz der aktuell hohen Inflation weiterhin anhält und dann auch die Wirtschaft wieder baut.

Im öffentlichen Baubereich ist in den vergangenen Monaten ein Auftragsrückgang festzustellen. Das dürfte nicht in erster Linie an der finanziellen Ausstattung bei den Ländern und dem Bund liegen, sondern an dem "Flaschenhals" bei Planungen und Genehmigungen, den fehlenden Kapazitäten in den Öffentlichen Verwaltungen und dem verschleppten Thema Digitalisierung. An diesen Hemmnissen muss die Politik unbedingt einen wirksamen Hebel ansetzen.

Daneben haben insbesondere die Kommunen Schwierigkeiten, ihrer für den Baumittelstand bedeutenden Rolle als Auftraggeber nachzukommen. Die finanziellen Nöte gerade der Städte und Gemeinden sind vor dem Hintergrund der zum Teil dramatisch zurückgehende Gewerbesteuereinnahmen aktuell sehr gut nachvollziehbar. Hier dürfen Bund und Länder die Kommunen in einer solchen Situation auch nicht "alleine im Regen stehen lassen", sondern müssen ihnen finanziell erheblich unter die Arme greifen.

Gute Aussichten bestehen im Energiesektor. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Bau der Versorgungsnetze geben ein ausreichend verlässliches Auftragsvolumen für die Bauunternehmen. Allerdings darf eine Kürzung von Investitionen in diesem Bereich, wie bei vorzeitigen Förderstopps beispielsweise für den Ausbau des Breitbandnetzes in Deutschland, wie sie die Bundesregierung im Herbst 2022 vorgenommen hat, sich nicht wiederholen.

Auch im Straßenbau scheint sich die Situation im Jahr 2023 optimistisch zu entwickeln. Für dieses Jahr ist die finanzielle Ausstattung der Autobahn GmbH des Bundes akzeptabel, aber für 2024 muss der Bund bei der Finanzierung dringend erheblich nachbessern. Leider ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass im vergangenen Jahr viel zu wenige echte Brückenbauprojekte ausgeschrieben wurden, also vollständige Ersatzbauwerke. Hier erwartet die BVMB eine maßgebliche Anstrengung der Autobahn GmbH des Bundes, damit der Sanierungsstau bei der Infrastruktur endlich abnimmt.

Eine ähnliche Situation ist im Schienenwegebau festzustellen. Es kommt immer noch nicht das auf den Markt, was dieser Verkehrsträger an Investitionen braucht. Die Bahnbaubranche hat im Vertrauen auf die Ankündigung eines Investitionshochlaufes Kapazitäten aufgebaut und könnte in diesem Jahr anstehende Projekte unmittelbar umsetzen, aber diese Kapazitäten und Kompetenzen werden nicht ausreichend abgerufen. Hier sind die von der Beschleunigungskommission Schiene vorgeschlagene Fonds für die Schieneninfrastruktur ein Mittel, den Finanzierungsrunden mit den jährlichen haushaltsrechtlichen Begrenzungen, entgegenzuwirken. Eine kontinuierliche Finanzierung gestattet es, Sanierungen und Neubauten zu beschleunigen und eine effizientere Projektplanung zu gewährleisten. Die neuen Hochleistungskorridore, mit denen die Deutsche Bahn jetzt plant, sind dabei grundsätzlich zu begrüßen.

Mit dieser nachvollziehbaren Strategie darf aber nicht der Fehler gemacht werden, die "normalen" Ersatzneubauten und die Instandhaltung im übrigen Netz zu vernachlässigen. Ansonsten sonst wird der bedauernswerte Zustand des Schienennetzes in Deutschland für die nächsten Jahre konserviert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade die mittelständischen Bahnbaufirmen nicht nur von Leuchtturmprojekten, wie zum Beispiel der Generalsanierung der Riedbahn, leben können, sondern für eine vernünftige Auslastung parallel das herkömmliche Tagesgeschäft mit punktuellen Einzelmaßnahmen brauchen. Anderenfalls wechseln diese Unternehmen in andere Infrastrukturbereiche, was für das Ziel der Verkehrswende kontraproduktiv wäre.

Im Hinblick auf die Probleme mit der Materialknappheit zeichnet sich eine Entspannung ab. Nach Beobachtungen der BVMB und den Mitteilungen aus den Mitgliedsunternehmen wird im Jahr 2023 mit einer stetig besseren Versorgung von Baumaterialien sowie zuverlässigen Lieferzeiten gerechnet. Ein Rückgang der Materialpreise dürfte allerdings nicht zu erwarten sein; vielmehr zeichnet sich ab, dass die Lieferanten nicht alle Preissenkungen bei den Erzeugerpreisen weitergeben. Auch die steigenden Energiekosten werden eher für ein weiterhin hohes Preisniveau sprechen.

Insgesamt gilt auch künftig: Die mittelständische Bauwirtschaft ist ein zuverlässiger Partner für die Politik, die Öffentliche Hand und die Privatwirtschaft. Sie ist weiterhin stark, gut aufgestellt und wird auch im Jahr 2023 ihren Optimismus behalten. Die mittelständische Bauwirtschaft ist "einfach eine coole Branche" und bietet den Beschäftigten sowie allen Berufseinsteigern auch in Zukunft beste Perspektiven.

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Ausblick – Baujahr 2023

Nachdem das Jahr 2021 die Branche mit der Pandemie und Lieferkettenproblemen bereits vor Herausforderungen gestellt hatte, bedeutete der Beginne des Ukraine- Kriegs im Februar 2022 eine Zäsur, die bis heute fortwirkt. Energieknappheit, Preisexplosionen, Klimaschutzvorgeben und ein Rückgang der Nachfrage im Wohnungsbau stellten neue Aufgaben und verunsicherten Unternehmen und Manager.

Der erfolgreiche Verlauf und der bauma 2022 zum Jahresabschluss konnte dagegen den positiven Akzent setzen, auf den viele gehofft hatten und der sich zuvor angedeutet hatte – Baumaschinenhersteller berichteten durch die Bank von übervollen Auftragsbüchern. In den nun folgenden Bauaussichten 2023 spiegelt sich die Ambivalenz der aktuellen Entwicklungen wider: Verbände und Experten sind sich einig, dass die Entwicklung der Bauwirtschaft in diesem Jahr eine Delle verzeichnen wird, Hersteller sehen die Herausforderungen des Marktes und nehmen sie tatkräftig an. Trotz aller Widrigkeiten, zu denen auch der permanente Fachkräftemangel zählt, überwiegt eine positive Grundhaltung und die Gewissheit, dass die Baubranche die vor ihr liegenden Aufgaben als wichtigste Stütze der Wirtschaft schon stemmen wird.

Das Signal, das alle Teilnehmenden der Bauaussichten 2023 in den Markt senden, wird dominiert von Stärke und Kontinuität. Dieser gemeinsame Nenner wirkt wie ein Schulterschluss, der die Branche auszeichnet und der anderen als Vorbild dienen kann.

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