Revitalisierung statt Abriss und Neubau

Bewusstsein für Nachhaltigkeit schärfen

von: Michael Schwaiger
Recycling
Michael Schwaiger leitet die Geschicke der Schwaiger Group. Foto: Schwaiger Group

München (ABZ). – Während das Klimapaket der Bundesregierung oder die Fridays-for-Future-Demonstrationen das Bewusstsein für die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit schärfen, setzen Investoren bei der Entwicklung neuer Wohn- und Geschäftsobjekte meist noch auf Abriss und Neubau. Weil auch in der Geschäftswelt das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, ist es erforderlich, neue Wege zu gehen. Revitalisierung kann für Projektentwickler und Investoren ein Ansatz sein, wertvolle Ressourcen zu schonen und dabei dennoch Rendite zu erzielen.Energieeffizientes Bauen und Sanieren beim Eigenheim ist mittlerweile gang und gäbe, bei Gewerbeimmobilien besteht aber weiterhin Nachholbedarf. Zwar mögen 2,7 Millionen "Nichtwohngebäude" im Vergleich zu 19 Millionen Wohngebäuden auf den ersten Blick wenig relevant erscheinen, aufgrund ihrer jeweils großen Flächen fällt ihr Anteil am Endenergieverbrauch laut dena mit 36 % dafür umso höher aus. Während in den Assets wie Retail und Hotel, aber auch bei den Kommunen die Notwendigkeit erkannt wird, in Energieeffizienz zu investieren, ist bei Büroimmobilien noch sehr viel Luft nach oben.

Revitalisierung
Die Revitalisierung vorhandener Bausubstanz ist deshalb sinnvoll, weil nicht nur das Resultat nachhaltig ist, sondern auch der Weg dorthin. Ähnlich wie beim E-Auto muss am Ende die Ökobilanz stimmen. Bei der Revitalisierung von Immobilien beträgt der Bedarf von mineralischen Baustoffen im Durchschnitt nur 40 % dessen, was bei einer Entscheidung für einen Abriss inklusive Neubau derselben Immobilie fällig geworden wäre. Green Building statt Green Washing muss deshalb die Devise lauten. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht kein einfaches Unterfangen. Mit detaillierter, kleinteiliger Planung und visionärem Willen können jedoch über diesen Weg erstaunliche Ergebnisse erzielt und so Projekte geschaffen werden, die beispielgebend für die Immobilienbranche sind.Eingedenk dieser Überlegungen hat die Schwaiger Group 2016 im Münchner Osten die ehemalige Nymphenburger Sektkellerei in Angriff genommen und an ihr ein grünes Exempel statuiert. Der Anspruch: Zwei in die Jahre gekommene Objekte aus den 1980er und 1990er Jahren zu einem modernen, architektonisch ineinander übergehenden Bürokomplex mit knapp 24.000 m² zu verbinden, der ökonomisch und ökologisch neue Standards setzt.Investoren dürfte die Erfahrung der Schwaiger Group am Beispiel des Centro Tesoro aufhorchen lassen: Im Vergleich zu einem Neubau lagen die Kosten bei der Sanierung um fast zwei Drittel tiefer bei weniger als 400 Euro/m². Und: Auch die Unternehmen im Centro Tesoro profitieren vom Ergebnis, denn die Nebenkosten fallen mit 1,34 Euro/m² konkurrenzlos niedrig aus. Der Lösungsansatz ist einfach: Alte Bausubstanz bedeutet nicht per se schlechte Bausubtanz. Man muss sich "nur" bei der Planung und Ausschreibung für viele kleinteilige Einzelmaßnahmen begeistern und einem stringenten Konzept folgen.
Intelligente Steuerung
Zu den Maßnahmen gehörten in Sachen Energieeffizienz beim Centro Tesoro nicht weniger als Münchens größte innerstädtische Aufdach-Photovoltaikanlage, eine neue Dämmung der Außenhülle, die 40 % über den gesetzlichen Vorgaben liegt, eine neue, hoch effiziente Heizanlage mit neuerster Gas-Brennwert-Technik sowie eine smarte Gebäudeleittechnik an TGA-Einrichtungen wie Heizung, Hebeanlage und Aufzügen, die der Schwaiger Group ermöglicht, die gesamte Gebäudetechnik intelligent sowie ressourcenschonend zentral zu steuern. Hier liegt ein zentraler Hebel: Mit intelligenter Steuerung lassen sich beispielsweise bis zu 50 % der Stromkosten sparen. Nicht unbedingt benötigte Anlagen können dann etwa vorübergehend abgeschaltet werden. Für eine effiziente Stromnutzung müssen allerdings auch Gebäudenutzer, Erzeugungsanlagen und Speicher eines Betriebsgebäudes in das Energiemanagement einbezogen werden. Das bedeutet, dass nicht nur Maschinen und Anlagen, sondern auch Klimatechnik, Beleuchtung und Heizung berücksichtigt und mit der Photovoltaikanlage gekoppelt werden müssen.Für die Schwaiger Group gehört aber zum Thema Nachhaltigkeit noch mehr. Um den Verbrauch von Primärrohstoffen so gering wie möglich zu halten, wurde verstärkt recyceltes Material verwendet. Etwa beim Bodenbelag für den Innenausbau oder bei der Mineralwolle für die Dämmung. Bei der Aufstockung um zwei Volletagen und der Verstärkung der vorhandenen Bausubstanz kam Recycling-Beton zum Einsatz. Zwar sind die Hürden noch zu groß, Projekte zu 100 % mit Sekundärbaustoffen umzusetzen, das Ziel muss aber sein, sich konsequent daran auszurichten, Bau-Rohstoffe nicht zu verschwenden, sondern sich auf Lösungen zu konzentrieren, die die Wiederverwendung von Altbaustoffen als hochwertige Werkstoffe ermöglichen. Damit sich ein Bewusstsein für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft durchsetzen kann, müsste die öffentliche Hand den Einsatz zur Bedingung bei entsprechenden Ausschreibungen machen. Das ist notwendig, weil die Klimaziele realistisch ohne den verstärkten Einsatz von Recyclingbaustoffen nicht erreicht werden können. Dazu gehört auch, sich kritisch dem Problem der Nachverfolgung des Recycling-Prozesses zu widmen, ohne dass die Anwender Angst haben müssen, etwas "untergejubelt" zu bekommen.Der Bauboom der vergangen zehn Jahre treibt den Rohstoffbedarf weiter an. Laut statistischem Bundesamt kamen 2013 im Bausektor 534 Millionen Tonnen mineralischen Baurohstoffe zum Einsatz. Gleichzeitig stellen mineralische Bauabfälle mit Abstand die größte Abfallfraktion dar. 2016 fiel in Deutschland eine statistisch erfasste Menge von 215 Millionen Tonnen an mineralischen Bauabfällen an, die je nach Kategorie offizielle Verwertungsquoten zwischen 80 und 90 % aufweisen. Die zurückgewonnenen Baustoffe kommen überwiegend nicht für gleichwertige Anwendungen zum Einsatz, sondern etwa als Auffüllmaterial zur Stabilisierung im Tief- und Wegebau. Der Bauschutt gelangt überwiegend in minderwertiger Funktion in den Kreislauf zurück. Das Potenzial zur Herstellung von hochwertigen Werkstoffen wie Beton bleibt dadurch ungenutzt – und damit der Bedarf an Primärrohstoffen ungebremst. Das tatsächliche Recycling von mineralischen Baustoffen spielt aktuell noch eine verschwindend geringe Rolle.
Öffentliche Hand
Auch die Öffentliche Hand muss noch bestehende Hemmungen überwinden und über entsprechende Ausschreibungen den ressourcenschonenden Weg ebnen. Dabei gilt es, veraltete Regularien und Normen zu aktualisieren, damit sie dem heutigen Stand der technischen Entwicklung entsprechen. Für die Durchsetzung einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft spricht im Übrigen schon das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die Öffentliche Hand dazu verpflichtet. Dass der von der Schwaiger Group eingeschlagene Weg zukunftsfähig ist, zeigt die jüngste Auszeichnung für die Revitalisierung des Centro Tesoro als "Nachhaltigstes Immobilienprojekt 2019". Der Exporo-Juror Hadi Teherani hebt in diesem Zusammenhang unter anderem das vorbildliche Energiekonzept hervor, aber auch den konsequenten Einsatz von Recycling-Baumaterial, das Mobilitätskonzept mit Bike-Sharing und E-Ladestationen sowie das nachhaltige Abfallwirtschaftssystem.--------------Der Autor ist Geschäftsführer der Schwaiger Group.

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