ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa

"Wir sind vor allem dann stark, wenn wir mit einer Stimme sprechen"

ÖPP Baupolitik
Felix Pakleppa: "Sowohl in Berlin als auch in Brüssel werden wir nur wahrgenommen, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Dazu sind wir auch unseren Mitgliedern gegenüber verpflichtet." Foto: ZDB

Infrastruktur, Bauvertragsrecht, ÖPP, Digitalisierung u. v. m. – Selten stand die Baubranche vor derart vielen Herausforderungen wie aktuell. Umso wichtiger, dass die Bauspitzenverbände des Landes nun mit gemeinsamer Stimme gegenüber der Politik auftreten, meint Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe. Im Interview mit den ABZ-Redakteuren Rainer Oschütz und Robert Bachmann sprach er in Hannover über die brennenden Themen der Bauwirtschaft.ABZ: Herr Pakleppa, gemeinsam mit dem HDB hat der ZDB zu Beginn des Jahres ein Umsatzwachstum von 3 % für 2016 prognostiziert. Wird dieses Ziel mit Blick auf den bisherigen Konjunkturverlauf erreicht?Pakleppa: Ich gehe davon aus, dass wir diese 3 % bis zum Jahresende schaffen. Im Wohnungsbau haben wir allein im ersten Quartal mit 83.000 genehmigten Wohneinheiten fast 19.000 Wohneinheiten – also rund 29 % – mehr als im Vorjahr. Im Wirtschaftsbau waren wir etwas verhaltener und haben eine schwarze Null prognostiziert. Hier verzeichnen wir im ersten Quartal 2016 ein Plus von 1,2 %. Im öffentlichen Bau liegen wir mit unserer Prognose von 3 % sehr nah am aktuellen Stand. Natürlich ist für den öffentlichen Bau aufgrund der Vergabepraxis immer die zweite Jahreshälfte entscheidend. Aber auch hier gehen wir davon aus, dass wir mit unserer Vorhersage im Rahmen liegen.ABZ: Also eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr?Pakleppa: Das letzte Jahr war in der Tat mit 1,6 % Umsatzwachstum etwas schwächer. Mit 3 % in 2016 gehen wir nun wieder einen deutlichen Schritt voran. Maßgebend sind hier vor allem die Investitionen im Wohnungs- sowie im öffentlichen Bau. Auch die Kommunen investieren mehr, und natürlich haben wir im Bereich der Infrastruktur deutlich mehr Mittel zur Verfügung. Im Bundeshaushalt sind für 2016 12,2 Mrd. Euro veranschlagt. Allein diese 2 Mrd. mehr als im Vorjahr wirken sich natürlich aus. Gleiches gilt für den sozialen Wohnungsbau. Hier wurden die Mittel verdoppelt, so dass wir vor allem in den Ballungszentren eine deutliche Steigerung der baulichen Aktivitäten beobachten.ABZ: Reicht das tatsächlich, um dem Wohnraummangel Herr zu werden?Pakleppa: Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden fünf Jahren pro Jahr rund 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen bauen müssen. Wenn wir überlegen, dass wir noch 2009 unter 140.000 Wohneinheiten gebaut haben, dann sprechen wir hier schon von einer erheblichen Steigerung. Bisher hat die Bauwirtschaft diese Herausforderung ganz gut bewältigt. Dennoch glaube ich, dass die Mittel im sozialen Wohnungsbau im Moment nicht ausreichen. Bauministerin Barbara Hendricks hat bereits angekündigt, dass sie diesbezüglich noch einmal mit dem Finanzminister verhandeln muss. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Ende des Jahrzehnts etwa 1,5 Mrd. Euro pro Jahr vom Bund brauchen werden. Darüber hinaus benötigen wir vor allem eine steuerliche Förderung, um auch private Investoren verstärkt für den Wohnungsbau gewinnen zu können.ABZ: Meinen Sie, dass wir derartige Entscheidungen noch in dieser Legislaturperiode erleben werden?Pakleppa: Grundsätzlic ist für den Markt eine schnelle Entscheidung – egal ob dafür oder dagegen – immer wichtiger als eine Hängepartie. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode gesehen, als es um die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung ging. Die fast über ein Jahr andauernde Diskussion zu diesem Thema hat zu absolutem Attentismus auf dem Markt geführt. Die Große Koalition hat ja nun entschieden – und zwar gegen eine steuerliche Förderung des Wohnungsneubaus. Das halte ich für unverantwortlich. Die Koalition hat den Menschen, die in den Ballungsgebieten eine Wohnung suchen, einen Bärendienst erwiesen. Dass sich die Koalition über Details in einem Gesetzentwurf nicht verständigen kann, der seit Monaten auf dem Tisch liegt, ist ein absolut negatives Signal für die Bau- und Wohnungswirtschaft, aber vor allem für die Menschen, die bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsgebieten suchen.ABZ: In diesem Zusammenhang haben Sie selbst schon einmal erklärt, dass wir in Deutschland viel zu teuer bauen. Wie gehen die Architekten und Bauleute mit den ständigen Verschärfungen der Normen um?Pakleppa: Es ist sicherlich nicht glücklich, dass wir mittlerweile in einem Zyklus von zwei Jahren über eine neue EnEV diskutieren. Wir sehen das bei den Baugenehmigungen. Mit Inkrafttreten jeder neuen EnEV sind die Anträge hier spürbar gesunken. Viele private Investoren kommen einfach nicht mehr mit. Ich denke, wir müssen uns den gesamten Bereich der Normen und Regeln am Bau anschauen – Brandschutz, Schallschutz, Bebauungspläne usw. Hier baut das europäische Ausland deutlich einfacher als wir. Ein großes Problem sind dabei auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Bund und Länder müssen ihre Bauordnungen vereinheitlichen, damit der Markt schneller reagieren und bauen kann, ohne durch Sondervorschriften ausgebremst zu werden.ABZ: Das ist bereits angestoßen?Pakleppa: Die Bauministerkonferenz hat sich im Herbst letzten Jahres im Grundsatz zu einer vereinheitlichten Musterbauordnung bekannt. Das begrüßen wir in jedem Fall. Gleichsam haben wir die Sorge, dass es nach der Verabschiedung in den einzelnen Bundesländern dennoch zu Sonderregelungen kommt, die den Bauprozess doch wieder verkomplizieren. Hier ist die Politik gefragt, für klare Verhältnisse zu sorgen.ABZ: Wie steht der ZDB zum aktuellen Stand des Bauvertragsrechts?Pakleppa: Beim Bauvertragsrecht sehen wir zwei große Themenkomplexe, die aus unserer Sicht nicht zusammengehören, jedoch in einem Gesetzesentwurf zusammengefasst wurden: Das ist einmal die Frage der Aus- und Einbaukosten, die vor allem die kleinen Unternehmen und Handwerksbetriebe enorm umtreibt. Hier geht es darum, dass beim Einbau eines Produkts mit nicht erkennbarem Mangel der Hersteller nur das Produkt ersetzen muss, nicht aber die Kosten für den Aus- und Einbau. Hier ist der Handwerker enorm im Nachteil. Der Gesetzesentwurf will dies korrigieren und tut dies aus unserer Sicht auch. Wichtig ist jedoch, dass der Handel diese Regelungen nicht in seinen AGBs aushebeln kann. Das könnte die Politik schnell verabschieden, leider hat das Bundesjustizministerium diesen Regelungskomplex mit einer generellen Neuregelung des Bauvertragsrechts im BGB verbunden. Hier soll es einen neuen Paragraphen 650 a-u geben, also ein komplett neues System, in dem einige Dinge vorgesehen sind, die wir sehr kritisch sehen. Zum ersten Mal soll es im BGB ein Anordnungsrecht für den Auftraggeber ohne Leistungsverweigerungsrecht für den Bauunternehmer geben. Hier soll der Auftraggeber auch in Bezug auf den Ausführungsgegenstand sowie die Zeit, in der gebaut werden soll, Anordnungsrechte bekommen. Das halten wir in der Praxis für extrem schwierig, zumal es auch dem Grundsatz der Vertragsfreiheit widerspricht. Unsere Kritik hierzu haben wir gegenüber der Bundesregierung, den zuständigen Ministerien und natürlich auch den Fraktionen im Bundestag schon sehr deutlich angemeldet.ABZ: Die Bauindustrie sieht das genauso?Pakleppa: Ja, wir gehen in diesem Punkt mit der Bauindustrie Hand in Hand. Und wie immer, wenn wir gemeinsam agieren, sind wir auch stark in der politischen Kommunikation.ABZ: Beim Thema Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) gehen die Meinungen von ZDB und HDB hingegen weit auseinander. Wäre eine gemeinsamer Weg mit der Bauindustrie nicht von Vorteil für alle Parteien?Pakleppa: Das Thema ÖPP müssen wir differenziert betrachten. Wir vertreten den Standpunkt, bei der konventionellen Vergabe zu bleiben. Das passt aus unserer Sicht am ehesten zu den in Deutschland beheimateten Marktteilnehmern. Was den Hochbau betrifft, sind wir gegenüber ÖPP weniger kritisch. Viele unserer Mitgliedsunternehmen haben bereits erfolgreich entsprechende Projekte durchgeführt. Das liegt aber auch daran, dass wir hier das Instrument der Forfaitierung haben, d. h. die Finanzierung für die Bauausführung wird zur Seite gestellt und der Mittelständler hat das ÖPP-Projekt nicht 30 Jahre in seiner Bilanz. Bis auf wenige Ausnahmen funktioniert das im Hochbau gut.Wo wir mit den Kollegen des HDB allerdings auseinandergehen, ist die Beurteilung der großen Autobahn-ÖPP. Wir haben mit der dritten Staffel, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorgelegt hat, insgesamt 24 geplante Projekte. Deren Volumina sind derart groß, dass der heimische Mittelstand schlichtweg nicht mitbieten kann, auch nicht in Arbeitsgemeinschaften. Diese Projekte laufen i. d. R. über 30 Jahre, wobei Kosten von teilweise bis zu 1 Mrd. Euro vorfinanziert werden müssen. Das können die in Deutschland ansässigen Baufirmen nicht leisten. Dadurch wird der Wettbewerb auf die immer gleichen Großkonzerne verengt. Da gehen wir nicht mit.ABZ: Können die großen Konzerne die bevorstehenden Aufgaben beim Erhalt und Ausbau der Infrastruktur denn überhaupt alleine leisten? Könnte man denn Mittelstand und Großkonzerne nicht entsprechend koordinieren?Pakleppa: Dass dies nur leidlich funktioniert, liegt u. a. an der Risikoverteilung in solchen Arbeitsgemeinschaften. Der Konzessionär eines ÖPP wird immer versuchen, ein Großteil der Risiken, die er vom öffentlichen Auftraggeber übergebürdet bekommt, an die Nachunternehmer abzugeben, um die Rendite für die eigenen Investoren nicht zu gefährden. Das halten wir für keinen guten Weg. Im Rahmen eines Gutachtens, das wir bei der TU Braunschweig in Auftrag gegeben haben, haben wir versucht, das Instrument der Forfaitierung auf den Straßenbau zu übertragen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass, wenn ein Projekt auf der Autobahn eine gewisse Größe nicht überschreitet – etwa 20 km –, ÖPP dort auch für den Mittelständler realisierbar wäre. Daher unsere dringende Forderung an den Verkehrsminister, diesbezüglich eine Pilotstaffel zu fahren, in dem kleinere Projekte mit entsprechender Forfaitierung durch den Mittelstand ausgeführt werden, und zu sehen, wie ÖPP unter diesen Voraussetzungen läuft.ABZ: Ein Thema, dass im Zusammenhang mit der Effizienz und erfolgreichen Durchführung von Bauprojekten aktuell unumgänglich ist, ist die Digitalisierung. Welche Chancen sehen Sie im aktuellen Digitalisierungstrend?Pakleppa: Dieses Thema kann der Bauwirtschaft einen erheblichen Schub geben. Mit den Mitteln der Digitalisierung können wir einen wichtigen Schritt machen, Bereiche wie die Vergabe, Bauausführung oder das Controlling sinnvoll miteinander zu verknüpfen und auch bei baupraktischen Prozessen erhebliche Effizienzsteigerungen herbeizuführen. Der Trend zur Digitalisierung eröffnet ein großes Potenzial, das wir am Bau durchaus gebrauchen können. In anderen Branchen ist dies bereits umfassender geschehen. Wir müssen als ZDB natürlich darauf achten, dass bei dieser Entwicklung auch die kleineren und mittelständischen Betriebe nicht auf der Strecke bleiben. Insbesondere das Thema Building Information Modeling (BIM) darf nicht dazu führen, dass Betriebe vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.ABZ: Wie ist BIM mittlerweile in der Branche angekommen?Pakleppa: BIM wird bisher mit unterschiedlichem Erfolg bei einigen größeren Bauvorhaben eingesetzt. Wir stellen in England oder den USA fest, dass BIM dort eher gebraucht wird, weil weniger qualifiziertes Fachpersonal in der Planung und in den Firmen vorhanden ist. BIM hat Defizite ausgeglichen, die wir in Deutschland nicht haben. Nichts desto trotz wird BIM auch in Deutschland verstärkt kommen. Worauf wir dabei achten sollten, ist, dass wir eine Standardisierung bekommen. Dabei appellieren wir auch an die Politik, Rahmenbedingungen für eine Hersteller- und Formatneutralität zu schaffen. Kein Wettbewerber darf ausgeschlossen werden, weil er nicht die entsprechenden Tools zur Verfügung hat oder die falschen Datenformate unterstützt. ABZ: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial für BIM?Pakleppa: Zunächst werden das natürlich die Großprojekte sein. Wir sehen bei Firmen, die sich intensiv mit BIM auseinander setzen, dass diese schon drei, vier Mitarbeiter brauchen, die sich ausschließlich mit diesem Thema befassen. Neben der Manpower in den Betrieben brauchen wir aber auch klare Regelungen und Normen und eine gewisse Standardisierung. Deswegen haben wir als ZDB auch darauf gedrungen, dass wir beim DIN einen entsprechenden Normausschuss zu BIM be-kommen. Darüber hinaus haben wir ge-meinsam mit Partnern die planen-bauen 4.0 GmbH gegründet. Hier haben wir die Möglichkeit, mit der gesamten Wertschöpfungskette – Architekten, Ingenieure, Planer, Bauindustrie und Bauwirtschaft – über Themen wie Herstellerneutralität, Formatneutralität, Kompatibilität usw. zu beraten. Das schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass verschiedene Ministerien unterschiedliche Normen für die einzelnen Bereiche des Bauwesens schaffen.ABZ: Ein gemeinsames Ziel der Bauverbände sollte es zukünftig sein, der Politik gegenüber mit starker Stimme die Bedeutung der Bauwirtschaft zu vermitteln. Immerhin steht die Branche für 10 % des Bruttoinlandsprodukts. Was muss sich aus Sicht Ihres Verbandes noch ändern, um dieses Ziel zu erreichen?Pakleppa: Ich denke, dass wir in den letzten Jahren in der Kooperation der beiden Bauspitzenverbände deutlich weiter gekommen sind. Ich glaube auch, dass das Vertrauen zwischen ZDB und HDB bei allen Akteuren deutlich gewachsen ist. Wenn wir uns die Mitgliederstruktur ansehen, stellen wir fest, dass wir zu 90 % Gemeinsamkeiten aufweisen. Bei ganz wenigen Themen haben wir klare Unterschiede – siehe Autobahn-ÖPP oder die Frage der unterschiedlichen Geschäftsmodelle. Aber es ist mein ausdrückliches Bestreben, dass wir bei den 90 % Gemeinsamkeiten auch gemeinsam agieren. Im Verhältnis zu unserer volkswirtschaft-lichen Größe und auch im Verhältnis zu vielen anderen Branchen sind wir gegenüber der Politik eher bescheiden aufgestellt. Gemeinsam jedoch sind wir wesentlich schlagkräftiger. Sowohl in Berlin als auch in Brüssel werden wir nur wahrgenommen, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Dazu sind wir auch unseren Mitgliedern gegenüber verpflichtet. Wir brauchen keinen Chor, keine Vielstimmigkeit und keinen dritten, vierten Verband. Nur, wenn wir uns gemeinsam auf unsere Ziele konzentrieren und mit einer Stimme sprechen, sind wir auch stark genug, uns gegenüber anderen Gruppen mit ihren jeweiligen Interessen durchzusetzen.

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