Urteil des Bundesverfassungsgerichts

60-Milliarden-Urteil schürt Angst vor Kahlschlag in der Wohnpolitik

Baden-Baden (dpa). - Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt viele Maßnahmen der Bundesregierung infrage, auch in der Wohnbaupolitik. Die Bauminister der Länder versuchen auf einer Konferenz in Baden-Baden, im Umgang damit die richtige Strategie zu finden. In der Bauindustrie herrscht derweil Fatalismus.
Bau Wohnungspolitik
Das Finanzministerium hatte die Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushalt 2023 gesperrt. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Die Situation in der Bauwirtschaft ist trist und war das auch schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds des Bundes. In Baden-Baden tagen aktuell die Bauminister der Länder und diskutieren über Auswege. „Es ist doppelt bitter: Da der Wohnungsbaumarkt bereits am Boden ist, gibt es auch keine Auswirkungen mehr. Die Chance auf eine Wiederbelegung wird aber immer kleiner”, sagte Tim Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, der dpa. Der Bund habe zu wenig getan, um auf die Krise zu reagieren.

Das Urteil des Gerichts in Karlsruhe hatte eine Umwidmung von Kreditermächtigungen im Umfang von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für regelwidrig erklärt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte daraufhin gefordert, sich nun stärker auf wirksame Ausgaben zu konzentrieren. Welche das insbesondere mit Blick auf den Wohnungsbau sein könnten, ist jedoch noch nicht klar.

Auch unabhängig von der Karlsruher Entscheidung und den Folgen des davon ausgehenden Bebens ist die Lage nach Aussage des Branchenverbands schwierig. Die Baugenehmigungen sinken, die Auftragseingänge gehen zurück, und die Zahl der Stornierungen bereits erteilter Aufträge nimmt zu. Das Ziel der Bundesregierung, im Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, rücke in weite Ferne, man könnte 2025 sogar unter die Marke von 100.000 fallen.

Die Vorsitzende der Bauministerkonferenz, die baden-württembergische Ressortchefin Nicole Razavi (CDU), geht von verheerenden Folgen aus, sollten weitere Einschnitte nötig sein. Sie und Müller fürchten, dass die wenigen geplanten Maßnahmen, wie der geförderte Kauf und die Renovierung alter Häuser durch junge Familien, nun zur Disposition gestellt werden.

Das Bundesbauministerium kann die Folgen bisher noch nicht detailliert ausbuchstabieren, sieht die Wohneigentumsfinanzierung für Familien (WEF) und den klimafreundlichen Neubau (KFN) zumindest in diesem Jahr gesichert, dafür sind im laufenden Jahr knapp zwei Milliarden Euro verplant. Generell außen vor ist laut einer Sprecherin zudem der soziale Wohnungsbau, dieser werde über den normalen Haushalt finanziert. Zudem hieß es: „Bereits zugesagte Verpflichtungen werden eingehalten werden.”

Über den restlichen Ausgaben schwebt ein Damoklesschwert: Für WEF und KFN sind im nächsten Jahr 1,1 Milliarden Euro an Kosten veranschlagt. Ebenfalls betroffen sein könnte die Sanierung von Sporteinrichtungen, die Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel und die Finanzhilfen für die kommunale Wärmeplanung.

Die Bundesarchitektenkammer appelliert an die Politik, sich auf die „klimapolitisch wichtigsten und wirksamsten Maßnahmen” zu konzentrieren. Zu diesen zähle unter anderem die Sanierung ineffizienter Gebäude, hier könne mehr CO2 eingespart werden als durch die Förderung des Neubaus. Ebenfalls nicht unter die Räder kommen dürfe die Klimaanpassung in den Kommunen und die Wärmewende in den Heizkellern.

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